Schräg, bunt,
selbstbewußt
Tausende bei Regenbogenparade, Gleichstellung läßt auf sich
warten
STANDARD-Mitarbeiterin Irene Brickner
Wien - Vom Lederhosen-Macho, der starken Frau am Bike und der
paillettenglitzernden "Drag-Queen" zum Lesben-und
Schwulen-Paar "von nebenan" in Jeans und T-Shirt: Bei
teilweise ohrenbetäubender Musik zeigte sich die heimische
Homosexuellen- und Transgenderbewegung bei der Regenbogenparade
am Samstag in Wien in ihrer ganzen Vielfalt.
An die 10.000 Menschen waren an den Ring und zur Schlußveranstaltung auf den Karlsplatz gekommen, wo unter anderem Dagmar Koller "I am what I am" sang. Davor herrschte kurz Stille: eine Schweigeminute, als der Zug beim ehemaligen Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz vorbeizog - es wurde an die schwulen und lesbischen Nazi-Opfer erinnert. Heutige Verhältnisse für lesbische und schwule Paare standen abends zuvor zur Diskussion:
Die Grünen hatten ins Wiener Rathaus zu einem österreichisch-deutsch-spanischen Ländervergleich in Sachen homosexueller "Ehe" geladen. Grünen-Nationalratsabgeordnete Terezija Stoisits: "Was sich bisher bei uns geändert hat? Null." Volker Beck, Justizsprecher der deutschen Grünen, konnte hingegen von der "Hamburger Ehe" erzählen, die Homosexuellen den Erwerb kommunaler Rechte als Paar ermöglicht. Für eine "eingetragene Partnerschaft" in Deutschland stehe die rotgrüne Koalition ihren lesbischen und schwulen Wählern derzeit im Wort.
Auch Patricia Ojeda, Madrider Professorin für Gender-Studies, berichtete von "300 spanischen Gemeinden", die gleichgeschlechtlichen Partnern das Ja-Wort zubilligen - und zwar trotz "einer konservativen katholischen Hierarchie". Andere Länder, andere Sitten? "Bei uns", erinnerte Grünen-Gemeinderätin Friedrun Huemer, "müssen Lesben und Schwule jeden Schritt mühsam erkämpfen."
DER STANDARD, 21.6.1999