Nationalratswahl 1999

Freunde und Feinde der Community!

 

Anders L(i)eben

 

Für die Gruppe “Anders L(i)eben” des Liberalen Forums stand Markus Karl als Interviewpartner zur Verfügung:

 

Rainbow Life: Wie ist “Anders L(i)eben” entstanden, wann ist es enstanden und was waren bisher die Aktivitäten der Gruppe?.

Markus Karl: “Anders L(i)eben” ist 1995 von Johanna Würth ins Leben gerufen worden, sie hat “Anders L(i)eben” als Projektgruppe eingereicht. Projektgruppen sind im Liberalen Forum normalerweise befristet, bis die entsprechende Problematik abgehandelt ist. Anders L(i)eben” hat dann zum ersten Mal im Herbst 96 beim Wiener Landtagswahlkampf mitgemischt.

Ich selbst bin im Sommer 1996 dazugestossen, und hab mich bei verschiedenen Veranstaltungen engagiert. Nach der sehr erfolgreich verlaufenen Wiener Landtagswahl wurde die Projektgruppe in einen Landesausschuss umgewandelt und war somit nicht mehr zeitlich begrenzt – was ja auch sinnvoll ist, denn die Schwul-Lesbisch-Transgender-Thematik wird für Österreich noch sehr lange relevant sein, so dass es “Anders L(i)eben” oder derartige andere Gruppen brauchen wird.

Ich wurde dann, ich weiss das jetzt nicht mehr so genau, wann das war, völlig unvorbereitet als Ausschuss-Sprecher-Stellvertreter gewählt. Ich habe die Zusammenarbeit mit der Johanna Würth immer sehr konstruktiv empfunden und ihr gerne bei der Leitung des Ausschuss geholfen. Wir sind ein Wiener Ausschuss, das heisst, dem Landtagsclub zugeordnet. Dennoch ist es so, dass eigentlich 80% unserer Ausschussbelange Bundesthemen sind. Und dabei möchte ich gleich erwähnen, wie “Anders L(i)eben” im Liberalen Forum verankert ist. Es ist mir fast noch nicht untergekommen, dass wirklich Anwürfe da waren, und dass andere Liberale aufgestanden sind, und gemeint haben, “ach Gott, was müssen wir das Thema schon wieder fahren, beschränken wir doch auf Wirtschaftskompetenz, deshalb wählen uns die Leute”. Selbst wenn so etwas vorkommt – es ist extrem selten, aber das gibt’s überall – brauche ich nicht einmal was dagegen zu sagen, weil das geschieht sofort von oben. So was kann im Liberalen Forum niemand unwidersprochen äussern. Da wird sofort nachgefragt, und wenn er das wirklich ernst meint, hat er ein Problem. Liberalismus ist eben nicht teilbar!

Die Zusammenarbeit mit dem Landtagsclub, mit dem Landesbüro, wo wir unseren Arbeitsplatz haben, mit dem Bildungsforum, dem Bundesbüro und dem Parlamentsclub funktioniert einfach fabelhaft. Es ist sehr unkompliziert, wenn ich ein Problem habe, oder irgend etwas erörtern möchte, schreib ich denen eine e-mail, oder ruf sie an. Ich hab binnen kürzester Zeit einen Termin, auch mit Heide Schmidt, die ja wirklich sehr wenig Zeit hat.

Unsere Aufgabe ist im Prinzip, unsere Mandatare und MandatarInnen in Belangen, die Lesben, Schwule und Transgender-Personen betreffen, zu beraten. Wir sind nicht dazu da, politische Aussagen zu tätigen – wir müssen’s halt besser wissen als sie.

Rainbow Life: Was sind derzeit die konkreten Themen, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt?

Markus Karl: Wir beschäftigen uns schon seit längerer Zeit damit, gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften in unserem Gesetzessystem zu verankern, und nichtduldbare Benachteiligungen damit aufzuheben. Ich will nicht behaupten, dass man durch die Änderung der rechtlichen Situation auf einmal alle Probleme vom Tisch wischen kann. Wenn ich nach dem Gesetz die gleichen Rechte habe, heisst das nicht, dass mir die Leute auf der Strasse mit demselben Respekt und derselben Wertschätzung entgegen treten. Zu den Gesetzen muss sich auch die Gesellschaft und die Gesinnung, die Toleranz verändern.

Ich glaube, in Österreich haben wir den besonderen Fall, dass die Gesellschaft weiter ist, als das Parlament. Wenn man Leute auf der Strasse mit derartigen Problemen konfrontiert, verstehen viele überhaupt nicht, dass das so ist, sie finden es auch ungerecht. Da geht es zum Beispiel darum, dass ein Mann seinem Lebensgefährten nichts vererben kann. Selbst wenn die Familie ihn verstossen hat, erbt sie das meiste und für das, was man seinem Lebensgefährten zuschreibt, muss dieser unglaublich hohe Erbschaftssteuer zahlen. Es hat schon so absurde Fälle gegeben, dass jemand das Auto des Freundes benutzt hat, weil das eben ihr gemeinsamen Fahrzeug ist, wird aufgehalten, die Polizei ruft den Freund an, der weiss nichts davon, dass der andere gerade im Auto sitzt, und dieser wird dann wegen unbefugter Inbetriebnahme eine Fahrzeuges oder gar wegen Diebstahl belangt. Es geht um Arbeitslosenversicherung, Pflegefreistellung, die gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zugestanden wird, ums Unfallversicherungsgesetz, ... Aber auch um ganz wichtige Dinge, wie den § 209 im Strafgesetzbuch, der nicht abgeschafft ist, und wo wieder ein aktueller Antrag vom Liberalen Forum vorliegt, und wo die letzten Abstimmungen auf peinliche und tragische Art und Weise wieder negativ für uns ausgegangen sind. Da gibt es nach wie vor Missstände in der Verfassung, in bezug auf “Gleichheit”, die zwar in puncto Religion, Geschlecht, Hautfarbe, nicht aber in puncto sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität gewährleistet ist. Das heisst, einen verfassungsmässigen Schutz haben wir nach wie vor nicht. Da gibt es nach wie vor das Urteil in der Causa “Der 13.”, das heisst, man kann öffentlich gegen Schwule, Lesben und Transgender Hetze betreiben, ohne dafür bestraft zu werden.

Diese Punkte müssen geändert werden! Es liegen dazu liberale Anträge vor, in dieser Legislaturperiode in Summe 16.,Meist sieht das dann aber so aus, dass diese Anträge an den Justizausschuss zum Beispiel verwiesen werden, und dann dort entweder bis zum Sankt Nimmerleinstag vertagt oder einfach niedergestimmt werden. Eine unserer grössten Gegnerinnen ist dabei Maria Fekter, die Justizsprecherin der ÖVP. Aber auch die SPÖ hat bisher Koalitionsräson vorgezogen, sie hat es immer vorgezogen, auf Menschenrechte zu verzichten, um an der Macht zu bleiben. Sie hätte schon oft die Möglichkeit gehabt, hier etwas zu ändern. Ich erinnere nur daran, dass sie bei der letzten Abstimmung über den § 209 das Plenum im Parlament verlassen hat. Das ist das undemokratischste und unglaubwürdigste Vorgehen, das man sich überhaupt nur vorstellen kann. Die SPÖ hat Legislaturperioden lang Zeit gehabt,hier etwas zu ändern, und hat es nicht getan. Das Liberale Forum ist die einzige Partei, bei der von Anfang an und mittlerweile zu fast allen Punkten, die die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender betreffen, entsprechende Anträge vorliegen. Ich glaube, wir sind in diesen Punkten die absolut glaubwürdigste Partei.

Rainbow Life: Kommen wir noch einmal zurück auf die Stellung von “Anders L(i)eben” in der Partei. Du hast zuerst davon gesprochen, dass es keinerlei Probleme gäbe. Trifft das jetzt nur auf die oberen Etagen der Partei zu, oder wie schaut es da mit den Bezirksorganisationen aus? Fallweise hört man da schon andere Argumente!

Markus Karl: Meine Erfahrungen mit gewählten Mandataren und MandatarInnen vom Nationalrat bis zur Bezirksebene waren noch nie negativ. Ich kann nicht persönlich dafür einstehen, dass alle Menschen in Österreich, die sich als liberal bezeichnen, in diesem Punkt auch für mich glaubwürdig liberal sind, und mit “Anders L(i)eben” und unseren Forderungen kein Problem hätten. Nur die Partei zeige man mir, wo es keine Ausreisser gibt, wo nicht einzelne Personen zu einzelnen Themen nicht auf Linie sind. Ich habe aber nicht nur von der Parteispitze, sondern im Prinzip von allen Leuten die im Liberalen Forum mehr oder weniger etwas zu sagen haben, ein absolut positives Feedback. Es wird zwar darüber diskutiert, wie man am besten so etwas durchkriegt, und ob es geschickter ist, es so oder anders zu machen. Aber niemals würde sich innerhalb des Liberalen Forums jemand öffentlich sagen trauen, “hört doch endlich auf, diese Forderungen von Lesben, Schwulen und Transgender sind doch das letzte auf der Liste, das wir erreichen müssen!

Rainbow Life: Innerhalb der Lesbischwulen Community hört man fallweise auch: “Naja, die tun ja nichts, von denen hört man nichts. Was tut “Anders L(i)eben” konkret innerhalb der Lesbischwulen- und TransGender-Gemeinschaft? Um Bekanntheit zu erlangen und seine Forderungen an den Mensch zu bringen?

Markus Karl: “Anders L(i)eben” ist keine selbständige Partei. “Anders L(i)eben” ist ein beratendes Gremium innerhalb des Liberalen Forums. Und das Liberale Forum tut aufgrund unserer Beratung und Unterstützung sehr viel. Wir haben, wie gesagt, in der letzten Legislaturperiode zu 16 verschiedenen Punkten parlamentarische Anträge eingebracht. Wir werden zu Beginn der nächsten Legislaturperiode einen Antrag zur eingetragenen PartnerInnenschaft einbringen Wir waren grundsätzlich in Österreich die erste Partei, die im politischen Diskurs und im öffentlichen Diskurs Lesben, Schwule und Transgender und deren Ungleichbehandlung überhaupt zum Thema gemacht haben. Das ist Thema in der österreichischen Politik, weil und seit es das Liberale Forum dazu gemacht hat. Wenn dann andere Parteien auf diesen Zug aufspringen, dann muss ich mich fragen – vor allem bei den Regierungsparteien, vor allem bei der SPÖ – wie glaubwürdig sind sie damit? Und wieviele Chancen hätten sie schon gehabt zu handeln? “Anders L(i)eben” ist eine Teilorganisation des Liberalen Forums und wenn das Liberale Forum Öffentlichkeitsarbeit macht, dann trägt “Anders L(i)eben” genauso seinen Teil dazu bei.

Wir sind sind kein Verein, der selbständig neue Mitglieder sucht. Um bei “Anders Li(e)ben” mitzureden, mitzudiskutieren und mitzuarbeiten, muss man nicht PartnerIn des Liberalen Forums sein. Man kann einfach zu uns kommen und bei uns mitarbeiten. Insofern machen wir auch in der Szene keine Werbung unter dem Motto: ,,Werdet Mitglied bei Anders L(i)eben”. Ich freue ich mich, wenn neue Leute kommen – je mehr Leute denken, desto schneller und eher kommt dabei etwas heraus, neue Ideen sind immer erwünscht! Wir sind natürlich auch innerhalb der Szene bemüht, die Menschen davon zu überzeugen, dass Österreich Liberalismus braucht. Wenn es Lesben, Schwulen und Transgender ein Anliegen ist, dass unsere Positionen verwirklicht werden, müssen sie liberal wählen.

Ich selbst bin nicht beim Liberalen Forum, weil ich schwul bin – ich bin deshalb im Ausschuss “Anders L(i)eben”. Ich stehe dem Liberalen Forum aber nicht nur aus diesem Grunde nahe, sondern ganz einfach, weil das mein Weltbild ist. Weil ich denke, dass Österreich zu wenig liberal ist, weil liberales Gedankengut in unserer Gesellschaft verankert gehört und weil liberale Grundsätze im Parlament umgesetzt werden sollen – das ist einfach mein Weltbild. Wenn ich will, dass Österreich liberaler wird, dann muss ich auch etwas dafür tun!

 

Anders L(i)eben
Liberales Forum Wien
A-1010 Wien, Bartensteing. 8
Tel (01) 406 48 40
e-mail: anders.lieben@lif.or.at
web-site: http://www.lif.at

 

Quelle: