Es ist nicht zu übersehen,
dass Wahlen ins Haus stehen. Im Vorfeld kommt es schon zu den ersten
Schlammschlachten. Die Strassen sind bereits mit den Werbeständern der Parteien
verstellt. Ein ganz normaler Vorgang.
Aber irgendwie habe ich ein
hohles Gefühl in mir. Tatsächlich stehe ich als schwuler Mann wieder vor der
bangen Frage, welcher der Parteien ich meine Gunst schenken soll. Welche
Parteien sind aus schwuler Sicht wählbar? Welche/r der Wahlwerber/innen wird in
der nächsten Legislaturperiode meine Anliegen vertreten bzw. eine rechtliche
Besserstellung der Homosexuellen erreichen – eine Gleichstellung ist in Österreich
ja ohnehin derzeit eher illusorisch. Natürlich haben sich einige Parteien schon
zu Gründungszeiten eine gewisse Toleranz und schwule Offenheit auf ihre Fahnen
geschrieben, aber wo sind Aktivitäten, wo sind die Erfolge? Im derzeitigen
Wahlkampf werden die grossen Kluften wieder sichtbar. Während die FPÖ auf
heiles Familienleben und Kindergeld in astronomischer Höhe
baut, zeigt die sozialistische Partei in ihren abwechselnd rot/schwarz
gestalteten Reklametaferln ein interessantes Farbbewusstsein, während der
Vorsitzende jener Partei nach wie vor zu seiner Nutzehe mit der ÖVP steht und
auch diesmal wieder um ihre Gunst buhlen wird. Die allzu “christlich”
ausgerichtete Volkspartei, deren Toleranz nur dahingehend ausgerichtet scheint,
dass man keine Scheiterhaufen mehr errichtet, kann wohl ohnehin nicht als Befürworter
einer schwulenfreundlichen Gesellschaft angesehen werden. In einem Wahlkampf,
der im Schatten der Kinderpornoaffäre abläuft, hat der/die Homosexuelle
bestenfalls eine Rolle als “Buhmann” der Nation und kaum politischen Raum.
Die Anpassung des Mindestalters für männliche Jugendliche wurde dem
“ehelichen” Frieden in der Koalition geopfert. Emanzipatorische Bewegungen
sind immer noch bestenfalls eine Diskussion wert. Wenn es darum geht, Geduld zu
zeigen, ist der schwul/lesbische Österreicher bereits Weltmeister. Im geeinten
Europa kann er/sie bestenfalls traurig mit der Regenbogenfahne winken.
Die schwulen Untergruppierungen
der diversen Parteien haben im heurigen Jahr kaum von sich reden gemacht. Gab es
innerparteiliche Schweigeabkommen oder gar Anordnungen? Oder ist einfach die
Luft raus? Nachdem auch das LIF innerparteiliche Unstimmigkeiten zeigte, stellt
sich die Frage an die LIF-Schwulen: Wie schwulenfreundlich ist das Liberale
Forum wirklich? Die sozialistische SOHO, sehr jung – sehr rot, liebevoll
gestaltete Anzeigen – die innerparteilich nicht sehr bekannt sein dürfte (im
Aktionsbüro der SPÖ war es ausgesprochen mühsam, eine Kontaktadresse zu
bekommen), kann wohl nur Hoffnung auf eine Justizreform im Jahr 2000 machen.
Hoffnung allein, meine Herrschaften, ist nicht wirklich genug. Wann werden
Aktivitäten gesetzt? Wo ist die grüne Schwulenvertretung? Eine gross
propagierte Schwulenhochzeit ist zwar eine liebe Geste, aber nicht wirklich ein
politisches Mittel zur Anerkennung und Gleichstellung.
Es liegt mir fern, jeder der
Untergruppierungen das Image des Quotenschwulen zu verpassen, aber "Haut‘
einmal auf den Tisch, Leute!” Noch ist es Zeit, den schwul/lesbischen Wähler
zu gewinnen. Zeigt uns Argumente auf, setzt endlich ein Zeichen. Es ist mir
vollkommen klar, dass dazu, speziell in den Grossparteien, starre Strukturen
gebrochen und ehemalige “Leitbilder” in Frage gestellt werden müssen. Aber
vielleicht ist es nun einfach an der Zeit dazu. Vielleicht haben wir verpasst,
das geeinte Europa auch als gesellschaftliche Chance zu sehen? Möglicherweise
unterschätzt sich die schwule Community und ihre politische Einflusskraft
selbst.
Der schwule “Prozentsatz”
der Wähler ist nicht zu unterschätzen!