Wahlkrampf 1999”

Legt doch endlich einmal los Leute ...!

 

Josch PETER

 

Es ist nicht zu übersehen, dass Wahlen ins Haus stehen. Im Vorfeld kommt es schon zu den ersten Schlammschlachten. Die Strassen sind bereits mit den Werbeständern der Parteien verstellt. Ein ganz normaler Vorgang.

Aber irgendwie habe ich ein hohles Gefühl in mir. Tatsächlich stehe ich als schwuler Mann wieder vor der bangen Frage, welcher der Parteien ich meine Gunst schenken soll. Welche Parteien sind aus schwuler Sicht wählbar? Welche/r der Wahlwerber/innen wird in der nächsten Legislaturperiode meine Anliegen vertreten bzw. eine rechtliche Besserstellung der Homosexuellen erreichen – eine Gleichstellung ist in Österreich ja ohnehin derzeit eher illusorisch. Natürlich haben sich einige Parteien schon zu Gründungszeiten eine gewisse Toleranz und schwule Offenheit auf ihre Fahnen geschrieben, aber wo sind Aktivitäten, wo sind die Erfolge? Im derzeitigen Wahlkampf werden die grossen Kluften wieder sichtbar. Während die FPÖ auf heiles Familienleben und Kindergeld in astronomischer Höhe  baut, zeigt die sozialistische Partei in ihren abwechselnd rot/schwarz gestalteten Reklametaferln ein interessantes Farbbewusstsein, während der Vorsitzende jener Partei nach wie vor zu seiner Nutzehe mit der ÖVP steht und auch diesmal wieder um ihre Gunst buhlen wird. Die allzu “christlich” ausgerichtete Volkspartei, deren Toleranz nur dahingehend ausgerichtet scheint, dass man keine Scheiterhaufen mehr errichtet, kann wohl ohnehin nicht als Befürworter einer schwulenfreundlichen Gesellschaft angesehen werden. In einem Wahlkampf, der im Schatten der Kinderpornoaffäre abläuft, hat der/die Homosexuelle bestenfalls eine Rolle als “Buhmann” der Nation und kaum politischen Raum. Die Anpassung des Mindestalters für männliche Jugendliche wurde dem “ehelichen” Frieden in der Koalition geopfert. Emanzipatorische Bewegungen sind immer noch bestenfalls eine Diskussion wert. Wenn es darum geht, Geduld zu zeigen, ist der schwul/lesbische Österreicher bereits Weltmeister. Im geeinten Europa kann er/sie bestenfalls traurig mit der Regenbogenfahne winken.

Die schwulen Untergruppierungen der diversen Parteien haben im heurigen Jahr kaum von sich reden gemacht. Gab es innerparteiliche Schweigeabkommen oder gar Anordnungen? Oder ist einfach die Luft raus? Nachdem auch das LIF innerparteiliche Unstimmigkeiten zeigte, stellt sich die Frage an die LIF-Schwulen: Wie schwulenfreundlich ist das Liberale Forum wirklich? Die sozialistische SOHO, sehr jung – sehr rot, liebevoll gestaltete Anzeigen – die innerparteilich nicht sehr bekannt sein dürfte (im Aktionsbüro der SPÖ war es ausgesprochen mühsam, eine Kontaktadresse zu bekommen), kann wohl nur Hoffnung auf eine Justizreform im Jahr 2000 machen. Hoffnung allein, meine Herrschaften, ist nicht wirklich genug. Wann werden Aktivitäten gesetzt? Wo ist die grüne Schwulenvertretung? Eine gross propagierte Schwulenhochzeit ist zwar eine liebe Geste, aber nicht wirklich ein politisches Mittel zur Anerkennung und Gleichstellung.

Es liegt mir fern, jeder der Untergruppierungen das Image des Quotenschwulen zu verpassen, aber "Haut‘ einmal auf den Tisch, Leute!” Noch ist es Zeit, den schwul/lesbischen Wähler zu gewinnen. Zeigt uns Argumente auf, setzt endlich ein Zeichen. Es ist mir vollkommen klar, dass dazu, speziell in den Grossparteien, starre Strukturen gebrochen und ehemalige “Leitbilder” in Frage gestellt werden müssen. Aber vielleicht ist es nun einfach an der Zeit dazu. Vielleicht haben wir verpasst, das geeinte Europa auch als gesellschaftliche Chance zu sehen? Möglicherweise unterschätzt sich die schwule Community und ihre politische Einflusskraft selbst.

Der schwule “Prozentsatz” der Wähler ist nicht zu unterschätzen!

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