Nationalratswahl 1999

Freunde und Feinde der Community!

 

Die Grünen Andersrum

 

Von den Grünen sprachen wir mit Friedrun Huemer, n.a. Stadträtin, Mitglied der Wiener Landesregierung und des Stadtsenats:

 

Rainbbow Life: Die Gruppe ”Grüne Andersrum” ist ja als Arbeitskreis entstanden. Hat sie immer noch den Status eines Arbeitskreises und wie seid ihr innerparteilich etabliert?

Friedrun Huemer: Wir sind innerparteilich seit mehreren Jahren als Arbeitsgruppe der Grünen etabliert. Entscheidend war die Programmentwicklung für die letzten Gemeinderatswahlen, wo wir auch einen Folder über lesbischwule- und transgender-Politik herausgebracht haben. Das, was für mich das Spannende war: dass in dem Moment, wo wir beschlossen haben, dass es da jetzt eine Gruppe gibt, erstaunlich viele Leute da waren und sich auch innerhalb der Partei geoutet haben, was sonst möglicherweise nicht passiert wäre. Wir haben also sehr deutlich miterleben können, dass das schon etwas bewirkt, wenn man sagt, wir wollen das jetzt einmal machen.

Rainbow Life: Kann man sagen, dass die Reaktionen innerhalb der Partei durchaus positiv waren oder gabs auch kritische Stimmen? Weil es ist ja nach wie vor so, manche Leute sagen, ok, Schwule und Lesben sind in der Gesellschaft zwar toleriert, aber wenn man sich dafür einsetzt, stösst man ja auf eine Unzahl von Vorurteilen und wenn man Menschen mit Vorurteilen konfrontiert, haben die das oft nicht gerne und das kann sich natürlich auf einen Wahlerfolg niederschlagen.

Friedrun Huemer: Dazu kann ich zum einen einmal sagen, dass wir grundsätzlich eine Partei sind, die sich von ihrer Entstehungsgeschichte mit Menschenrechten beschäftigt hat. Wenns speziell um die sexuelle Orientierung geht, gibt oder gab es sicherlich auch bei Grünen Vorurteile. Das war ein Versuch, diese Vorurteile zu überwinden. Aber selbstverständlich war das sicher nicht. Wobei ich andererseits draufgekommen bin, dass es zum Teil in den Bezirksgruppen schon sehr lange dieses Thema gibt. Ich selbst war lange tätig im 2. Bezirk, da existiert ein Folder anlässlich einer Wahl in den 80er-Jahren, wo gleiche Rechte für Lesben und Schwule eingefordert werden, allerdings der TransGender-Begriff war nicht drinnen. Da muss ich sagen, da hat sich ja auch objektiv viel verändert und wir sind da Teil eines Veränderungsprozesses und wollen etwas bewegen. Aber es ist natürlich auch klar, dass wir mitbewegt werden. Seit es die CSD-Parade gibt, seit mehr lesbischwules und transgender Leben öffentlich sichtbar wird, ändert sich natürlich auch im Bewusstsein von Grünen und Sympatisanten mehr. Aber dass das so ganz selbstverständlich war, gilt sicher nicht für alle.

Rainbow Life: Die Grünen waren ja auch massgeblich an der Schaffung der Antidiskriminierungsstelle beteiligt, was ja in Kooperation mit der SPÖ passierte und das könnt ihr ja auch als grossen Erfolg verbuchen. Gibt’s noch etwas, worauf ihr besonders stolz seid?

Friedrun Huemer: Es ist richtig, dass wir in Sachen Antidiskriminierungsstelle ganz wesentlich mitverhandelt haben. Wir haben es uns aber effektiver vorgestellt, als es vermutlich jetzt ist. Aber wir sind halt nur eine kleine Partei.

Es ist die Frage, was ist ein Erfolg? Was die rechtliche Situation betrifft, ist Wien als Bundesland ja nicht wirklich zuständig, bestenfalls in Teilbereichen. Man kann schon bestimmte Sachen auch im Land machen, aber tatsächlich geht’s da um Bundesgesetze. Was man in Wien machen kann, ist eigentlich der Versuch einer Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsarbeit und die ist ja wiederum schwer messbar. Es ist jetzt glaub ich doch so, dass den Grünen da einiges zugeschrieben wird, auf der anderen Seite bin ich ja selber auch schockiert, wenn Meinungsumfragen über die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften veröffentlicht werden. Das ist immer noch eine ziemliche Minderheitenposition, die wir da vertreten. Das heisst, wir haben noch viel Arbeit vor uns. Es geht dabei nicht um diese eine Stimme mehr oder weniger im Parlament, das ist ja nur ein Epiphänomen. Wenn man die Menschen selbst abstimmen lässt, schauts noch viel weniger gut aus. Wir editieren viel, wir versuchen mit den Sozialdemokraten, auch zum Teil mit ÖVP-Leuten drüber zu reden und ein Bewusstsein zu schaffen. Wir beteiligen uns intensiv an dem Kulturfestival “Wien ist andersrum” und ich denk mir, es ist auch eine wichtige Geschichte, dass man’s über Kunst probiert. Mein Traum wär eigentlich, wenn die normalen Fernseh-Serien in der ganz gewöhnlichen Darstellung von Gesellschaft andere Lebensformen, oder wie man das eben beschreiben will, miteinbeziehen, sodass das eine gewisse Normalität bekommt. Aber davon sind wir weit entfernt. Ich vermute einmal, dass auch die rechtliche Situation sich nicht wesentlich verbessert, wenn sich diese Normalität nicht allmählich einstellt. Also das hängt sehr wohl zusammen.

Rainbow Life: Was wir im gegenwärtigen Wahlkampf ein wenig vermissen, ist, dass man doch sehr wenig über lesbisch-schwule oder transgender-Themen hört. Warum hört man eigentlich so wenig? Warum ist das so unpopulär im Wahlkampf?

Friedrun Huemer: Also ich denk mir, wenn Van der Bellen gefragt worden wäre, dann hätte er schon etwas gesagt.

Rainbow Life: Es ist halt leider schade, dass man erst gefragt werden muss, dass man sich nicht ein bisschen offener deklariert.

Friedrun Huemer: Also erstens haben wir das ja in unserem Programm drinnen und ich sag das schon auf der Strasse, wenn ich die Gelegenheit hab. Beim letzten Wiener Wahlkampf hab ich bei Strassenauftritten sehr wohl die Gleichberechtigung von lesbisch-schwulen- und transgender-Personen immer wieder angesprochen. Und da kann ich sagen, ich hab keinerlei negative Erfahrungen gemacht damit. Die meisten sind dann eigentlich neugierig und reden dann in Einzelgesprächen darüber weiter und wollen es einfach wissen, wieso man dazu kommt. Und ich seh das nicht einmal als besonders schwierig an.

Ihr wisst ja sicher, dass jetzt im September ein schwules Paar eine Hochzeit feiert (Anmerkung: Christian-Thomas Kari und Herbert Messinger heiraten! Am 17.9.1999, 12 Uhr in der Orangerie, Schloss Schönbrunn – GratulantInnen sind herzlich willkommen mitzufeiern und mit dem Brautpaar anzustossen!)  und wir sie dabei unterstützen. Es ist der Versuch, wieder einmal zu zeigen, dass das ja nichts “Schreckliches” ist und dass man das eigentlich auch tun kann und akzeptieren kann, wenn zwei Menschen sagen, sie wollen miteinander leben, egal ob das zwei Frauen oder zwei Männer sind. Das, was mir schwerfällt, ist nachzuvollziehen, wovor die Leute eigentlich so eine Angst haben dabei.

Es gibt ja noch ein Problem: Der Christopher Street Day ist überhaupt DAS grosse Stadtfest in Wien und dann ist in der ZIB1 eine 20 Sekunden-Meldung – wenns viel ist! Es gibt halt ein paar wenige Medien, mit denen wir rechnen können, aber Massenmedien verweigern da ja jegliche Zusammenarbeit. Und dabei ist es auf der anderen Seite so, dass dort Leute schreiben, die den Christopher Street Day besuchen, die das alles lustig finden, denen das gefällt, die sich dafür interessieren und ziemlich aufgeschlossen sind, aber schreiben tun sie keine Zeile. Im Gegensatz zur Gendarmerie-Veranstaltung, wo kein Mensch war und die breitesten Raum in den Medien hatte. Das hab ich auch unserer Kuratorin im ORF gesagt, wie arg ich das find und ich nehm an, dass sie das auch angesprochen hat dort. Aber da sind noch massive Hürden zu nehmen.

Im letzten November zum Tag der Menschenrechte hab ich an zahlreiche Spitzenpolitiker einen Brief geschrieben mit wesentlichen Forderungen: z.B. Anerkennung der PartnerInnenschaft, Opfer-Anerkennung im Nationalsozialismus. Es kam eine einzige Antwort und die war negativ. Wir haben dann unsere Fenster strassenseitig mit Regenbogenfahnen beflaggt, um eben aufmerksam zu machen, aber, so viele Fenster haben wir nicht. Wir haben natürlich vorher mit der Stadträtin Brauner gesprochen, ob man nicht das Haus beflaggen könnte, aber ... meingott, das “Kleinformat” ist einfach sehr stark. Was wär denn schon passiert, wenn sie neben den Fahnen der Stadt Wien, Österreichs und der EU eine Regenbogenfahne gehisst hätten?

Rainbow Life: Im 6. Bezirk hat ja Thomas Fröhlich damals vor dem Bezirksamt die Regenbogenfahne gehisst.

Friedrun Huemer: Das ist ja etwas, was ganz gut funktioniert. Im 6. Bezierk kann eben Thomas als Beziksrat, indem er immer wieder in den Sitzungen auf die Problematik hinweist, dort doch etwas erreichen. Und ich denk mir, das ist halt einer der Wege.

Rainbow Life: Was wird sein im Falle dass ... schwarz / blau?

Friedrun Huemer: Es ist ja ohnehin ablesbar: Für den Fall, dass die Sozialdemokraten in die Opposition gehen, werden sie sehr fortschrittliche Worte finden. Interessant wird ja nur der eine Fall sein – bzw. würde, ich will ja diesen Fall auch nicht herbeisehnen, nur damit die Sozialdemokratie dann anders stimmt – wie die Sozialdemokraten dann in dem rot geführten Land Wien agieren.

Da eine rechtliche Gleichstellung auf Bundesebene nicht möglich ist, versuchen wir einzelne Punkte schrittweise in Wien durchzudrücken. Zum Beispiel so, wie das in anderen Staaten in Europa ist, die Möglichkeit der Eintragung von Partnerschaften auf Wiener Landesebene. Das könnten die Sozialdemokraten in Wien mit den Grünen und den Liberalen machen, da hätten wir ja eine Mehrheit. Wenn die Sozialisten mit ihrer Basis kein Problem haben, dann könnte das doch gehen. Das wir aber nicht gemacht. Da kann man einen Koalitionspartner schon so weit bringen, dass man sagt, also gut, ihr haltet euch da im Hintergrund, wenn ihr das nicht wollt. Aber es geschieht nichts.

Rainbow Life: Was ist in nächster Zukunft, jetzt abgesehen von der schwulen Hochzeit geplant?

Friedrun Huemer: Jetzt warten wir einmal ab, was mit der Nationalratswahl wird. Man muss jetzt positiv denkend sagen, es ist ja noch nicht alles entschieden. Auf der anderen Seite wünsch ich mir, dass wir dann in den Bereich Berufsleben gehen und in den Betrieben versuchen, die Diskussion in gang zu setzen. Was die PartnerInnenschaft anlangt, werden wir sicher weitertun und nicht locker lassen. Ganz besonders schwierig ist die vergessene Gruppe der TransGender-Personen, da ist’s besonder haarig. Auch hier werden wir für die normalen Erleichterungen eintreten, die ja auch im Verwaltungsapparat der Städte möglich sein müssten, z.B. was das Namensrecht anlangt, oder die Frage, wann man die Dokumente verändern kann, damit wir da eine gewisse Freiheit und Grosszügigkeit erreichen.

 

Die Grünen Andersrum
AG Menschenrechte für LesBiSchwule und TransGender Personen
Grüner Klub im Rathaus; A-1082 Wien
Tel (01) 4000-818 13; Fax (01) 4000-99-818 00
e-mail: gruene.andersrum@blackbox.at
web-site: http://www.wien.gruene.at/andersrum

 

Quelle: