Erinnerung an Coco
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Zeitungsberichte
Bieler Tagblatt vom 26.09.1998
«Traum Frau Coco» tot
Die Transsexuelle «Coco», die durch einen Dokumentarfilm über
ihre Geschlechtsumwandlung landesweit bekannt wurde, ist tot. Sie
hat sich im Alter von 29 Jahren das Leben genommen.
Wie die Kantonspolizei Bern mitteilte, wurde «Coco»
(Eve-Claudine Loretan alias Marc-André Loretan) gestern
Nachmittag in ihrem Zimmer in Leubringen erhängt aufgefunden.
«Coco» war durch ein Filmporträt einem breiten Publikum
bekannt geworden. Filmemacher Paul Riniker, der die
Geschlechtsumwandlung von «Coco» im Dokumentarfilm «Traum
Frau» begleitet hatte, zeigte sich schockiert. Er habe «Coco»
vor etwa drei Wochen zum letzten Mal gesehen. Sie habe einen
depressiven Eindruck gemacht. Nach bisherigen Ermittlungen werde
von einem Suizid ausgegangen, schreibt das
Untersuchungsrichteramt I Berner Jura-Seeland und die
Kantonspolizei. Die Hintergründe des Geschehens seien Gegenstand
laufender Untersuchungen.
27.09.1998 BLICK
Coco ist am Leben zerbrochen»
THUN - «Mami, lass mich gehen! Ich kann nicht mehr.» Einen Tag
nach diesem Telefonanruf nahm sich die berühmte Transsexuelle
Coco das Leben.
Trudy Lorétan-Kolb (62) spricht mit schwerer Stimme. Die Trauer
der Mutter ist riesig, aber klar ist ihre Einsicht: «Coco liess
sich zwar etwas wegoperieren. Aber eine Frau wurde sie dadurch
nie.»
Als 20jähriger hatte sich Marc-Patric Lorétan einer
Geschlechtsoperation unterzogen, wandelte sich zur schönen Frau.
Doch Mutter Trudy sagt: «Sie war nie glücklich in ihrem Leben.
Sie ist am Leben zerbrochen.» Nach der Operation litt Coco an
Depressionen, an einer schweren Identitätskrise. Ärzte
diagnostizierten eine Psychose.
Abgemagert wählte Coco diese Woche den Freitod. Trudy Lorétan:
«Sie hatte zuletzt kaum noch gegessen und getrunken.» Am
Telefon hatte die Mutter ihre Tochter noch gebeten, doch nach
Hause zu kommen. «Zu zweit werden wir es schaffen!» Doch Coco
war zu schwach; sagte, sie schaffe es nicht mehr, aus dem Bett zu
steigen. Am Tag darauf erhängte sie sich. «Wie verzweifelt muss
sie da gewesen sein ...»
In einem Dokumentarfilm stellte Paul Riniker vom Schweizer
Fernsehen 1991 die Transsexuelle 660 000 TV-Zuschauern vor.
Heute noch erinnert er sich an seine letzte Frage an die eben
operierte Coco: «Würdest du dich wieder operieren lassen?»
Coco damals: «Nein, eher bringe ich mich um.»
31.08.1997 BLICK
Cocos trauriger Abstieg: Sklavin im Bordell
Autor:
VON DIETER LIECHTI
THUN BE - Von den Laufstegen der Modewelt in den Keller eines
Sex-Salons: Coco (28), die berühmteste Transsexuelle der
Schweiz, bietet ihren Körper als Sklavin und Prostituierte an.
Coco, die noch im letzten Jahr unter anderem auch als Model für
die Berner Modedesignerin Marianne Alvoni Furore machte, will
ihren Abstieg nicht wahrhaben.
Doch jetzt bestätigen ihre Kolleginnen im Thuner Salon
«Schweden Girls»: «Coco hat bei uns gearbeitet. Aber jetzt
nicht mehr. Nun arbeitet sie als Sklavin in einem Salon in der
Altstadt.»
Dass die Transsexuelle nicht mehr zu den «Schweden Girls»
gehört, hat einen ganz bestimmten Grund: Coco, die ihre
Jugendzeit als Marc-Patric Lorétan in Thun verbrachte (siehe
Box), wurde oft von Kunden erkannt und abgewiesen.
Freier Daniel P.* (27) zu SonntagsBlick: «Als ich bei meinem
letzten Besuch nach einer Blondine verlangte, wurde ich
vertröstet. Sie sei noch besetzt. Fünf Minuten später stand
Coco splitternackt vor mir und verlangte 100 Franken für
Oralverkehr.»
Doch dazu kam es nicht: Daniel P. verlangte das Geld zurück und
verliess den Salon. Kein Einzelfall.
An der neuen Adresse in der Thuner Altstadt bietet sich Coco
zusammen mit einer Domina als Sklavin an. Coco zu SonntagsBlick:
«Es stimmt, dass ich hier in einem Salon arbeite. Aber ich bin
primär zuständig für das Konzept einer Peep-Show, die nächste
Woche eröffnet wird. Und ab und zu gebe ich eine
Privat-Performance. Schliesslich kenne ich mich in der
Sado-Maso-Szene gut aus und bin ausgebildete Domina.»
Von einer Peep-Show, die nächste Woche eröffnet werden soll,
weiss man bei der Stadt Thun allerdings nichts: «Es ist kein
Gesuch eingegangen, also wird auch keine Peep-Show eröffnet.»
* Name geändert
Coco - Stationen eines Lebens
1969: Coco wird als Marc-Patric Lorétan in Bern geboren.
Schwierige Kindheit. Coco heute: «Ich war ein Wunderkind, aber
im falschen Körper.»
1987: Unter dem Künstlernamen Coco lässt sich Marc-Patric zum
weiblichen Model ausbilden.
1988: Marc-Patric Lorétan macht die Matura.
1989: Als Performance-Künstlerin schafft sich Coco einen Namen.
1990: Geschlechtsumwandlung: Aus Marc-Patric wird Eve-Claudine.
1991: Coco, der Dokumentarfilm-Star. 660 000 Zuschauer sehen sich
«Traum Frau» von Paul Riniker an.
1992: Coco wird offiziell als Frau anerkannt. Eve-Claudine, so
steht es jetzt auch in ihrem Pass, leidet an Osteoporose, dem
Schwund des festen Knochengewebes.
1993/1994: Coco bekämpft die Krankheit, bildet sich zur
makrobiotischen Köchin aus.
1997: Diebe stehlen Coco das 1000seitige Manuskript ihrer
Autobiographie. Sie arbeitet jetzt als Sklavin und Prostituierte
in verschiedenen Sex-Salons.
22.10.1995 BLICK
Durch ihre Geschlechtsumwandlung ist sie schwer krank geworden
Coco: Sie wurde zur Frau - und bezahlt mit dem Leben
Autor: SERGE HEDIGER
BERN - Coco: Das ist die Frau, die vor fünf Jahren noch ein Mann
war. Und die ihr Glück fand, als sie endlich im Körper einer
Frau leben durfte. Das haben wir alle am Fernsehen in Paul
Rinikers Dokumentarfilm «Traum Frau» miterlebt.
Jetzt ist Coco krank, schwer krank. Ihr droht ein Leben im
Rollstuhl, oder sie ist für den Rest ihrer Tage ans Bett
gefesselt.
Die 26jährige hat Osteoporose im fortgeschrittenen Stadium, die
Krankheit der brüchigen Knochen. Was ihr Glück war, wurde ihr
Unglück: ihre Geschlechtsumwandlung.
Im Herbst 1991 lernten 660 000 Fernsehzuschauer Coco kennen.
Geboren 1969 in Bern als Marc-Patric Lorétan. Der Film von Paul
Riniker erschüttert. Er zeigt einen Transsexuellen, der weint
über das Elend, als Frau in einem Männerkörper zu stecken.
«Die Geschlechtsumwandlung», sagt Autor Riniker heute,
«erscheint im Film als ein glückliches Ereignis.» Ein
zweifelhaftes Glück. Denn Coco leidet an porösen Knochen.
«Wäre ich ein Mann geblieben», sagt sie jetzt, «wäre ich
nicht krank.»
Dass die Krankheit mit der Operation zusammenhängt, bestätigt
Peter Burckhardt (56), Professor an der Uniklinik von Lausanne.
Bei Cocos Geschlechtsumwandlung wurden Hoden und Penis entfernt.
«Eine Kastration», sagt Burckhardt, «führt unweigerlich zu
Osteoporose. Das ist wissenschaftlich belegt.»
Osteoporose ist heimtückisch: Alle Knochen schmerzen; die Gefahr
von Knochenbrüchen ist extrem hoch.
Coco: «Am meisten fürchte ich den Winter. Die Kälte verstärkt
meine Schmerzen.» Die Handgelenke tun ihr weh, der Rücken und,
besonders schlimm, die Hüfte.
Die 26jährige: «Ich habe die Knochen einer 75jährigen Frau.
Eines Tages werde ich an einem Genickbruch sterben.»
Sie habe keine Angst vor dem Tod, erzählt Coco, aber ihr graut
vor einem Leben im Rollstuhl. «Ein Arzt hat mir einmal gesagt:
'Coco, Sie werden keine dreissig Jahre alt.' Aber man weiss ja,
Ärzte erzählen manches...»
Um das Risiko eines Knochenbruchs zu verringern, geht Coco
mehrmals wöchentlich ins Fitnessstudio: «Mein Körper ist
durchtrainiert». Sie hat ausserdem ihre Ernährung auf
Makrobiotik umgestellt. «Ich habe gespürt, dass mir das gut
tut.»
Coco: «Ich glaube an das Wunder einer Heilung.»
Professor Burckhardt: «Eine Heilung gibt es nicht, höchstens
eine Aussicht auf Besserung.»
Osteoporose - ein schrecklicher Preis für eine
Geschlechtsumwandlung. Doch Coco meint: «Ich würde mich wieder
operieren lassen. Ich bereue nichts.»