Geschlechtsidente Pubertät

In den Niederlanden ist eine Diskussion über die Ermöglichung einer geschlechtsidenten Jugend entbrannt, nachdem in der Öffentlichkeit bekannt wurde, daß Hormonbehandlungen bereits bei 12jährigen Transsexuellen durchgeführt werden.

Die Debatte um vorbereitende Geschlechtsanpassungen mittels Hormonbehandlung bei Jugendlichen wirkt auf den ersten Blick für Aussenstehende unverständlich, sie ergibt aber einen Sinn, wenn man an typisch pubertäre Erscheinungen denkt.
Wenn zum Beispiel ein Junge, der sich eher als Mädchen fühlt, seinen Stimmbruch erleidet, oder einem Mädchen, das ein Knabe sein möchte, die Brüste wachsen, oder die Menstruation einsetzt, so fallen viele dieser Jugendlichen in tiefe Identitätskrisen, die im späteren Leben kaum noch gut zu machen sind.

Entbrannt ist die Diskussion, nachdem bekannt wurde, daß zwei Kliniken die Praxis bereits ausführen, etwa 11 oder 12jährige Jugendliche einer Hormonbehandlung zu unterziehen. Es hagelte Kritik von Politik und Kirche. Durch diese Methode wurde aber beispielsweise einem 17jährigen die komplette Geschlechtsanpassung ermöglicht. Im Studieralter, daß oftmals mit Ortswechsel verbunden ist, kann man schlußendlich in seinem wahren Geschlecht leben. Die Ärzte betonen, daß es nur möglich ist, wenn das sorgfältig untersuchte Kind den ausdrücklichen Wunsch hegt, als anderes Geschlecht durch das Leben zu gehen und die Behandlung von den Eltern unterstützt wird. Sie weisen auch darauf hin, daß die Hormonbehandlung später wieder rückgängig gemacht werden kann, was aber bisher nicht notwendig war.

Prof.Louis Gooren, Transsexualitäts- und Hormonspezialist der Vrije Universiteit in Amsterdam, der sich den Anfeindungen sehr bewußt, aber auch gewöhnt ist, erklärt, daß man durch diese Frühbehandlung die Sorgfalt, die bei Erwachsenen üblich ist, keinesfalls vernachläßigt, sondern "Zeit kauft". Er betont dabei auch, daß diese Maßnahmen nur durch Beteiligung von Psychotherapeuten, Eltern, Lehrer und des gesamten Umfeldes des Kindes möglich sein sollen. In einem Interview mit der Zeitung Het Parool: "Die Kinder kommen ja nur in die Kinderpsychiatrie, wenn sie echt Problem haben. Ein Mädchen, daß gerne Fußball spielt ist nicht unser Patient, ein Mädchen, daß heftig protestiert, als Mädchen angesprochen zu werden, sehr wohl. Transsexualität kann sich bereits in einem Alter von 4 oder 5 Jahren manifestieren. Man kann das deutlich von Frühformen der Homosexualität unterscheiden, denn Homosexuelle lieben ihr eigenes Geschlecht."

In dem Interview gibt Gooren auch ein Rezept an Menschen, die mit dem Genderproblem nichts anfangen können: "Bilden sie sich einfach ein, sie wachen morgen früh auf und haben Frauenbrüste, aber dasselbe Gehirn. Dann haben sie ein Problem. Dann sind sie unglücklich.

Unterstützung bekam die Frühbehandlung auch von Gesundheitsministerin Borst (Linksliberale D66), die in einer parlamentarischen Anfrage betont, daß die Behandlungen äußerst sorgfältig durchgeführt würden und sie unterstütze Prof.Gooren. In Österreich ist die Vorgangsweise, wie sie in den Niederlanden bereits praktiziert wird, noch ein absolutes Tabu-Thema, nicht nur für Ärzte oder Therapeuten, sondern auch für die Eltern und für das Umfeld betroffener Kinder. Wieviele transsexuelle Kinder es hierzulande gibt ist höchstens eine Dunkelziffer. Hormontherapien sind in Österreich erst ab 18 möglich.

Die Diskussion über Geschlechtsanpassungen muß in Österreich erst auf ein ganz anderes Niveau gelangen. Das Thema ist hierzulande im Bewußtsein von Politik und Medien noch jung und erst in den letzten Jahren zusehends zum gerne als solches bezeichnetes "Randthema" geworden. Kinder und Jugendliche, die im falschen Körper stecken, müssen also noch eine falsche Pubertät erleben.

bussiqu.jpg (5439 Byte)