SCHWANGERE MÄNNER?!
Hamburger Morgenpost Online vom
22.02.1999
Schwangere Kerle gibt's nicht nur im Film, sondern auch in der
Theorie - sagen britische Forscher
Männer können Babys kriegen...
London - Eigentlich ist es ja ganz einfach: Man(n) läßt sich
ein befruchtetes Ei in den Bauch pflanzen, nimmt ordentlich
Hormone und schon steht der Schwangerschaft nichts mehr im Weg.
Im Kino hat Schwarzenegger es vorgemacht und britische Forscher
sind sich sicher: Es geht wirklich!
Schöne neue Welt oder perverse Zukunftsvision? Britische
Experten halten es nicht nur für medizinisch machbar, sondern
auch für wünschenswert, daß Männer Kinder austragen. In
"The Sunday Times" erklärt Robert Winston, Direktor
einer Londoner Spezialklinik, Ärzte könnten Männern einen
Embryo mitsamt Mutterkuchen einpflanzen und nach neun Monaten das
Baby mit einem Kaiserschnitt zur Welt bringen. Diese Behandlung
könnte nach Winstons Ansicht kinderlosen und homosexuellen
Paaren helfen.
Müssen sich Herrenausstatter also auf Umstandsmoden für Männer
einstellen? Wird es schon bald Schwangerschaftsvorbereitungskurse
für werdende Väter geben? Wird auf der Entbindungsstation bald
über Fußball diskutiert?
"Horrender Blödsinn", so Freimut Leidenberger,
Direktor des Hamburger Instituts für Hormon- und
Fortpflanzungsforschung zur MOPO. "Die Gebärmutter der Frau
ist immer noch die beste Stelle für eine Schwangerschaft. Wieso
sollte ein Mann ein Kind austragen?"
Der Brite Simon Fishel, Direktor einer Klinik für künstliche
Befruchtung in Nottingham, stellt diese Frage genau umgekehrt:
Warum sollte ein Mann nicht ein Kind austragen? "Es ist
allein die Plazenta, also der Mutterkuchen, die die nötigen
hormonellen Voraussetzungen schafft, und deswegen muß es nicht
unbedingt eine Frau sein." Er sei bereits von drei Männern
gebeten worden, ihnen einen Embryo einzupflanzen. Wegen der
möglichen Risiken habe er aber abgelehnt.
Und diese Risiken sind enorm. "Ganz offenbar gehen diese
Ärzte von einer Bauchhöhlenschwangerschaft aus", so
Andreas Giebel von der Deutschen Klinik für
Fortpflanzungsmedizin bei Hannover. "Das ist höchst
gefährlich!" Für ihn ist das Thema "Schwangere
Männer" reine Phantasie.
Immerhin, selbst Lord Winston gibt zu, daß es wohl "kaum
einen wahren Ansturm" auf diese Methode geben wird.
Vielleicht sollten Männer mit Kinderwunsch doch vorerst nach
Hollywood gehen - denn im Film ist ja so einiges möglich.
dpa/ti
Gelnhäuser Tageblatt
"Schwangere Männer sind sicher
möglich"
Britische Experten: Nicht nur Frauen könnten Kinder austragen -
Mutterkuchen einpflanzen
LONDON(dpa).Britische Experten für künstliche Befruchtung
halten es für möglich und erwünscht, daß Männer Kinder
bekommen. Prof. Robert Winston, Direktor einer Spezialklinik in
London, sagte der Tageszeitung "The Sunday Times"
(London), Ärzte könnten Männern einen Embryo mitsamt
Mutterkuchen einpflanzen und nach neun Monaten das Baby mit einem
Kaiserschnitt zur Welt bringen. Diese Behandlung könne
möglicherweise homosexuellen Paaren helfen, sagte der für seine
wissenschaftlichen Verdienste in den Adelsstand erhobene Lord
Winston. "Schwangere Männer wären bestimmt möglich",
versicherte der Wissenschaftler. Allerdings müsse der Mann eine
so hohe Dosis an weiblichen Hormonen bekommen, daß ihm Brüste
wachsen könnten. "Ich glaube nicht, daß es einen wahren
Ansturm von Leuten geben würde, die diese Methode anwenden
wollten", sagte Winston. Auch Samuel Fishel, Direktor einer
Klinik für künstliche Befruchtung in Nottingham, sagte:
"Es gibt keinen Grund, warum ein Mann nicht ein Kind
austragen sollte. Es ist allein die Plazenta (Mutterkuchen), die
die nötigen hormonellen vorraussetzungen schafft, und deswegen
muß es nicht unbedingt in einer Frau sein."
Fishel ist bereits von drei Männern gebeten worden, ihnen einen
Embryo einzuplanzen. Wegen der möglichen Risiken habe er jedoch
abgelehnt. Ethische Bedenken habe er jedoch nicht. Die Direktorin
der Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie,
Suzanne McCarthy, sagte über ein eventuelles
Genehmigungsverfahren: "Wenn ein Antrag gestellt würde,
würden wir ihn ernsthaft prüfen."
Auch Männer können Kinder
bekommen
Angesehener britischer Fruchtbarkeits-Experte stellt
revolutionäres Verfahren vor
Von Siegfried Helm
BM London - Vater werden ist nicht schwer. Dieser Spruch kann
wörtlich genommen werden, denn: Auch Männer können Kinder
kriegen - wenn der Arzt nachhilft. Wenn ausgerechnet der
angeblich männlichste aller männlichen Filmstars Arnold
Schwarzenegger im Film «Junior» schwanger wurde, so steht dem
Wunsch des Mannes nach einem eigenen Kind nichts mehr entgegen.
Das erklärt Lord Robert Winston (58), Professor an der Londoner
Uni-Klinik Hammersmith Hospital, der die Technik in einem Buch
mit dem Titel «The IVF-Revolution» erläutert, das im April
veröffentlicht wird. IVF steht für In-Vitro-Befruchtung, also
die künstliche Befruchtung im Reagenzglas. Professor Winston,
der als renommiertester Mediziner Englands für künstliche
Befruchtung gilt, erläuterte das Konzept so: «Die
Schwangerschaft eines Mannes ist durchaus möglich. Sie ist
vergleichbar mit einer ektopischen Schwangerschaft bei der Frau,
also außerhalb des Uterus. Dem Mann müßten während der
Schwangerschaft reichlich weibliche Hormone verabreicht werden.»
Nach der im Reagenzglas erfolgten künstlichen Befruchtung würde
der Fötus in die Bauchhöhle des Mannes verpflanzt. Die Plazenta
würde an ein beliebiges Organ «angekoppelt» und von diesem
über den Blutkreislauf ernährt. Das Baby würde dann per
Kaiserschnitt geholt werden.
Die revolutionäre Behandlung, die die Evolution des
Menschengeschlechts im Verlauf von Jahrmillionen auf den Kopf
stellt, wäre durchaus attraktiv für homosexuelle
Partnerschaften. Lesbierinnen machen von der In-Vitro-Technik der
künstlichen Befruchtung bereits zunehmend Gebrauch, um ihren
Wunsch nach Kindern zu erfüllen.
Als zweite Gruppe kommen solche Männer in Frage, deren Frau auf
keinen Fall ein Kind bekommen kann. Beim dem
Fruchtbarkeits-Spezialisten Dr. Simon Fishel in Nottingham haben
sich bereits drei Ehepaare als Versuchskaninchen für eine
Fötus-Transplantation in den Ehemann gemeldet.
Ein Nachteil der Methode: Männer müßten damit rechnen, daß
ihnen während der Schwangerschaft als Folge der Hormontherapie
Brüste wachsen. Die könnten nach der Entbindung durch
gegenteilige Hormonbehandlung wieder abgebaut werden.
Den Anstoß für die gezielte Entwicklung der neuen Methode
lieferte eine Frau in Oxfordshire, die mit einem Baby schwanger
war, das nicht in der Gebärmutter heranwuchs. Eine
Ultraschall-Untersuchung zeigte, daß der Fötus in die
Bauchhöhle der werdenden Mutter abgewandert war und mit seiner
Plazenta an ihrem Darm angewachsen war, über den das Baby
ernährt wurde.
Die werdende Mutter entschied sich, trotz der Risiken bei dieser
höchst ungewöhnlichen ektopischen Schwangerschaft nicht
abzutreiben. Sie wurde ohne Probleme von einem gesunden Kind
entbunden.
Ist nun zu erwarten, daß Homosexuelle in festen Partnerschaften
mit dem Wunsch nach eigenen Kindern schon morgen die gesamte
Kulturgeschichte der Menschheit auf den Kopf stellen werden?
Bevor ein Mediziner dem lieben Gott ins Handwerk pfuscht, müßte
- zumindest in England - die Aufsichtsbehörde für künstliche
Befruchtung grünes Licht geben.
Suzanne McCarthy, Direktorin dieser Behörde, sagte zu diesen
Zukunftsaussichten: «Wir würden Anträge gewissenhaft prüfen.
Dabei ginge es uns aber nicht nur um die wissenschaftichen
Details, um Risiken und Zuverlässigkeit, sondern auch um die
Frage, warum es geschehen soll.»
Dr. Simon Fishel: «Diese Behandlung ist ethisch akzeptabel. Wenn
dabei keine Risiken eingegangen werden.» Tim Hedgley, Leiter der
Organisation für Fruchbarkeitsfragen, begrüßte die
Möglichkeit, daß demnächst Männer Mütter werden können:
«Daran ist überhaupt nichts Makabres. Man könnte einen Mann
rechtlich nicht daran hindern, denn das wäre Diskriminierung.»
Dr. Jill Dunne, Dozentin für Fragen der Geschlechter an Londons
School of Economics, meinte: «Bevor wir darüber nachzudenken
beginnen, ob Männer Babys kriegen können, sollten wir daran
denken, wie sie die Zeit finden, eine liebende, enge Beziehung zu
ihren Kindern zu entwickeln.»
©Berliner Morgenpost 1999