Bosheit des Monats
von Jo Rasputin

Schwule und Teamwork

Selbst der unsportlichste Schwule unter uns wird wissen, wie sich ein Team definiert. Ist ja auch wirklich nicht so schwierig. Eine Gruppe von Leuten steckt persönliche Interessen zurück, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Klingt doch wunderschön, logisch, aber in schwuler Hinsicht leider utopisch. In meiner - ich weiß nicht wie langen - Karriere als Schwuler habe ich schon wirklich an den verschiedensten Projekten mitarbeiten können und habe Erfahrungen gemacht, die selbst Ghandi dazu getrieben hätten, zu einer abgesägten Schrottflinte zu greifen. Schwule sind leider - ich sage es ganz offen - nicht teamfähig. Wie schon in einer früheren Ausgabe angedeutet, sind wir wahrscheinlich zu sehr individualistisch angelegt oder einfach ein wenig egozentrisch. Das letzte Projekt, in das ich wahrscheinlich unter dem Einfluß von Drogen geraten bin, hat meine Psychotherapeutin schon eine Menge weißer Haare gekostet und ich musste ihr deshalb eine Schaumtönung spendieren.

Projet: "Unser bunter Abend".

Erste Sitzung: Schon das Wort Sitzung lässt nackte Angst in mir aufsteigen, aber ich habe zwei Viertel Rotwein in mir - das lässt mich entspannter wirken. Verlesung der Tagesordnung. Die Tagesordnung wird nur kurz durch eine Schilderung über einen gemeinsamen Freund und einen Klappenbesuch unterbrochen. Die Vorschläge werden eingebracht - besser sollen eingebracht werden. Ich überlege zum ersten Mal eine Herzattacke vorzutäuschen. Die Vorschläge der Gruppe A sind kaum vorgestellt, als sie auch schon durch Gruppe B sabotiert und nichtig gemacht werden. Gruppe A beschließt darauf hin, giftige Blicke in Richtung Gruppe B zu schleudern. Nach der Intervention des Sitzungsleiters tritt ein kurzzeitiger Waffenstillstand ein. Der Protokollführer verliest zur Information das Protokoll - die Lesung wird kurz durch einige Zwischenfragen über die Knutschflecken am Hals des Protokollführers gestört. Ich stöhne zum erstenmal hörbar auf. Man straft mich mit ungehaltenen Blicken und ich verkrieche mich in meinem Sessel. Das Protokoll ist kurz und prägnant und umfasst stolze 12 Zeilen. Man einigt sich darauf, ein gemischtes Programm darzubieten - gemischtes Programm - einige Anwesende bestehen vehement auf ihren Soloauftritt und ich rechne mir schon in Gedanken die Schritte zur Tür aus, um im Fall der Fälle einem Gefecht zu entgehen. Der Sitzungsleiter lächelt milde, ich nehme an, dass er unter Drogen steht, und schlägt uns vor, in uns zu gehen und zur zweiten Sitzung zu erscheinen.

Zweite Sitzung: Der Termin passt mir überhaupt nicht und ich zwinge meine Zahnärztin, mir einen kerngesunden Zahn zu ziehen - wir müssen alle Opfer bringen.

Dritte Sitzung: Beginnt etwas später, da einige Teilnehmer festgestellt haben, dass sie einen gemeinsamen Freund haben und deshalb einen Gruppenbesuch beim Hautarzt absolvieren. Als sie endlich eintreffen, wird die Sitzung vertagt, da sie unter schweren Antibiotika stehen. Ich denke zum erstenmal daran, mir das Haar blond zu färben und außer Landes zu fliehen.

Vierte Sitzung: Nach einem Kurzplädoyer über "Safer Sex" und seinen Zweck entdecken wir, dass wir ungefähr auf dem Stand der Sitzung Nummer eins stehen und einigen uns auf eine Aneinanderreihung von Soloauftritten mit Playback. Einer der Anwesenden wirft ein, dass er eine Schwäche für Livegesang hätte und ich beginne leise um Gnade zu wimmern - man ignoriert mich und ersucht den "Künstler" um eine Probe, die allerdings abgebrochen wird, als alle Hunde der Nachbarschaft zu jaulen beginnen. Den dadurch entstehenden Tumult nutze ich, um mich aus dem Versammlungsraum zu verdrücken und zu entfliehen.

Die nächsten Tage bringe ich damit zu, sämtliche Telefonnummern zu ändern und meine sozialen Kontakte abzubrechen. Ich habe wirklich genug von schwulen Unternehmungen. Macht doch was ihr wollt - klettert auf Berge oder rettet die Wale, organisiert Parties, aber lasst mich da bloß raus. Ich bin wirklich schwer beschäftigt, denn meine Großmutter nimmt mich zum Seniorentee mit. Göttliche Ruhe - vielleicht abgesehen von den leicht rauschenden Hörgeräten...