Rebellin ohne Pass
Drei TransGender-Tage in Wien

In den 3 Tagen zwischen dem 29. und 31.Oktober gab es in Wien bei zwei aufeinander folgenden Veranstaltungen Gelegenheit, die Situation von TransGender in verschiedenen Ländern kennenzulernen.

Am 29. und am 30.Oktober lud das Theater des Augenblicks /TdA) zum Symposium "Transidentität im Vergleich der Kulturen: Österreich - Türkei - Indien". Über die aktuelle Situation in der Türkei und Österreich berichteten Sevval Kilic und Heike Keusch - zwei Darstellerinnen der TdA-Produktion "Trans Chance II - turning talks", sowie für Österreich auch Sandra Schranz und die Obfrau des Vereins TransX, Chris Svatos.

Am drastischsten unterscheiden sich Österreich und die Türkei bezüglich rechtlicher Regelungen und der sozialen Lage, in der sich TransGender- Personen mehrheitlich finden: Ein typischer Nord-Süd-Unterschied, wie die Diskussionsrunde abschließend feststellte.

Türkei
Ähnlich wie in den anderen mediterranen Kulturen Südeuropas und Nordafrikas steht den "weiblichen Männern" in Istanbul kaum eine realistische Alternative zur Prostitution als Erwerbsquelle offen. Schutzlos, rechtlos, an den sozialen Abgrund gedrängt, sind Istanbuls Dönme tagtäglich brutalster Gewalt ausgesetzt, die Schwerverletzte, Verstümmelte und nicht selten Tote fordert. Sevval Kilic bezeichnet sich selbst als diesem Schicksal entkommene "glückliche Ausnahme". Mit einer Handvoll Gleichgesinnter hat sie die Gruppe "Mermaids" gegründet, die Spenden für die Opfer des systematischen "queerbashing" sammelt und unbürokratisch Hilfe leistet. Die "glückliche Ausnahme" Kilic ist - nach gelungener Operation im Alter von 22 Jahren - mit abgeschlossener Ausbildung und einem angemessenen Job in der Aidspräventionsarbeit eine moderne, berufstätige Türkin. Sie arbeitet in der Aidsprävention mit der Ziel- und Peer-Gruppe TransGender- Prostituierte.

Indien
Aus Indien berichtete die Ethnologin und Hijra-Kennerin Deepah Krishnan. Ursprünglich hätte Frau Krishnan "nur" als Begleiterin und Dolmetscherin der Hijra-Rebellin Meena Venkatesh fungieren sollen. Ihre Aufführungen machten rasch klar, woran der Versuch gescheitert war, eine Hijra zu einem Symposium außerhalb Indiens zu bringen: Hijras sind indische Eunuchen, die auf eine jahrtausendalte hinduistische Tradition zurückblicken. Rituelle Kastration, das Tragen weiblicher Kleidung, priesterliche Funktionen bei Hochzeiten und Geburten, das Leben in familienähnlichen Gemeinschaften unter ihresgleichen gehören zur Tradition der Hijras. Mit der Säkularisierung der indischen Gesellschaft war ein enormer Statusverlust für sie verbunden. Im gesellschaftlichen Abseits fristen sie nun am Rande der Großstädte ein Dasein als Bettlerinnen und Prostituierte. Vor dem Gesetz gelten sie weder als Mann noch Frau und erhalten aufgrund dieses undefinierten Status weder Reisepass noch andere amtliche Dokumente. Die deshalb an der Symposiumteilnahme verhinderte Meena Venkatesh ist charismatische Anführerin einer Gruppe jüngerer Hijras, die mit den Problemen an die Öffentlichkeit tritt, um eine Verbesserung der Lebensumstände zu erreichen. Dieses Verhalten Meenas bedeutet offene Rebellion gegen die Dogmen der übergeordneten religiösen Führerinnen.

Deutschland und Österreich
Am 31.10 trafen die Vertreterinnen aus Indien und der Türkei im Rahmen des ÖLSF zu weiterem Austausch mit transsexuellen Frauen aus Österreich und Nadja Schallenberg aus Berlin zusammen. Im Vergleich zwischen den Nachbarländern Deutschland und Österreich zeigte sich, dass das deutsche Transsexuellengesetz den Betroffenen mehr bürokratische Hürden in den Weg stellt als der gegenwärtig in Österreich gültige Erlass. Außerdem scheinen Österreichs TransGender - Mann-zu-Frau und Frau-zu-Mann sowohl miteinander als auch mit der Lesben- und Schwulenbewegung einen entspannteren Umgang zu pflegen, als die deutschen NachbarInnen.

Resümee der TransX-Vorsitzenden und ÖLSF-Mitorganisatorin Chris Svatos über den Kulturenvergleich der drei TransGender-Tage: Jede der Kulturen hat eine gute und eine Schattenseite für TransGender. Wir können viel von einander lernen. Und wir sollten miteinander in Kontakt bleiben.

Am Rande des ÖLSF-TransGender-Workshops waren sich die Vertreterinnen Deutschlands und Österreichs einig über die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit. Gemeinsam müsse eine zufriedenstellende Regelung für Transsexuelle in allen Ländern der europäischen Union erreicht werden.

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