TransGender-Kultur?

Wäre nicht Sevval, ich wüßte von der TransGender Kultur der Türkei gar nichts. Erschreckenderweise erzählte sie mir das, was sich durchschnittliche Mitteleuropäerinnen wie ich unter türkischen Verhältnissen vorstellen. So weiß ich wieder nichts - werde wohl hinfahren müssen.

Österreich war bis vor kurzem ein sauberes Land mit einer großen Tradition an Verbotsschildern. Nur die Schweizer konnten uns da das Wasser reichen. "Es ist bei der Strafe von70 Fränkli - ersatzweise 14 Tage Arrest verboten, in den Wagen zu spucken." Nun droht das Ende der abendländischen Kultur, die Stadt voller Sexshops, überall Piercings und Tattoos, ja einige wechseln sogar das Geschlecht wie wir die Unterhosen - regelmäßig alle zwei Wochen. TransGender Kultur ist verletzlich, die Berichterstattung in den Medien übertrifft ihre tatsächliche gesellschaftliche Relevanz um ein Vielfaches. Dies meist zur Befriedigung der Sensationsgier heterosexueller Massen. Trittbrettfahren ist angesagt.

Ja, jetzt, wie fortfahren, Augenblick, werd mal eben die zweite dreihundert Gramm Milka- Rum- Trauben- Nuss- Schokolade holen...

So, geht schon, TransGender Kultur? Die einen haben es schon immer gewußt, sie sind transsexuell. Das Thema sind Hormone, die leidige - von der Krankenkasse vorgeschriebene Psychotherapeutin, Operationsberichte von "der Arzt ist gut" bis "die hams verpfuscht" (schiefgegangen), ja, und was weiter? Das Leben danach wird die Zukunft zeigen - so alt ist unsere TransGender äh - Bewegung noch nicht. Die anderen beschäftigt das nächste Event, das Styling, das Make-up. Am dritten Tisch im Lokal sitzen die Männer, Frau-zu-Mann- Transsexuelle mit Testosteron-know how. Das ewige Subkulturdilemma: Zu wenige für a eigene Gruppe, gemeinsam zu viele verschiedene Interessen. Wohlgemerkt Großstadt Wien, draußen am Land tote Hose.

Der Name TransX ist genial. Die X-generation der 90er kennt nur Software und kurzfristig gelieferte Leistungen. Das Firmenkapital des jungen Vereins sind Informationen, links on transgender.at. Kein eigenes Vereinslokal, keine Bibliothek, kein Büro, keine Arbeitsdokumentation. Manchmal auch a bissl keine Visionen. Have fun. Fun statt Visionen! Die meisten von uns sind zwischen 30 und 40, midlifecrisis, noch schnell das Geschlecht wechseln. Ein wenig das Gefühl einer Kriegsgeneration, das Gefühl gestohlener Jugend. Erst langsam kommen die Jungen. Ältere trauen sich bis auf Ausnahmen noch immer nicht?

Puh, wo ist die Schokolade?

Dabei sollten wir feiern. Die meisten ÖsterreicherInnen haben das Wort Transsexuell schon mal wo gehört oder gelesen, wissen vielleicht sogar Rudimentäres darüber. Die Krankenkassen übernehmen weitgehend Behandlungs- und OP-Kosten, es gibt Orte in Wien, wo wir regelmäßig anzutreffen sind, viele von uns gehen "ehrbaren" Berufen nach. Viele von uns haben in den wenigen Jahren erhebliche Persönlichkeitsentwicklungen durchgemacht. Eine große und herzliche Aufnahme der TransGender in der Lesben- und Schwulen-Community hat stattgefunden.

So, jetzt müßt Ihr mich aber entschuldigen, ich geh mal Schokolade nachkaufen ...

Heike Keusch, Performerin


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