Über die Natürlichkeit
Manch eine macht es sich nicht wirklich einfach mit ihrer Natur. Und damit meine ich nicht die häufig auftretenden Zweifel, ob man so denn "richtig" sein kann, selbst wenn auch dieser Reifungs- und Selbsterkenntnisprozess schon schwer genug ist. Mir geht es hier aber um die Natürlichkeit an sich... Na ja, die oberflächliche Natürlichkeit eigentlich. Denn in ihrem Inneren kann eine Transidente natürlicher wirken als manche, die als Frau geboren wurden. Natürlich ist das nicht die Regel, schließlich fließen in Verhaltens-, Denk- und Gefühlsweisen Jahrezehnte männlicher Erziehung und männlichen Lebens ein. Und das kann man nicht einfach ausmerzen... und ich glaube, man sollte es auch nicht versuchen.
Doch um zurück auf den Punkt zu kommen: ich stehe auf Natürlichkeit! Sowohl bei Frauen als(o) auch bei mir. Nur eben mit dem Unterschied, dass "meine Natur" blöderweise biologisch männlich ist - oberflächlich betrachtet, wohlgemerkt. Erschwerend hinzu kommt noch, dass ich a) kein besonderes (ruhiges) Händchen beim Schminken habe und ich es b) deshalb auch nicht besonders gern mache. Okay, abgesehen von der Wimperntusche, die ich a) auftragen kann und b) deshalb gerne verwende. Aber das ganze Make-up-Krimskrams mit Foundation, Puder, Highlighter, Rouge usw... ach, eine einzige Katastrophe. Da gilt es den richtigen Farbton zu ermitteln, dann eine Produktserie zu finden, die der eigenen Haut nicht zu Schaden kommt, nun muss die ganze Paste aufgetragen und anschließend wieder die Fingernägel gesäubert werden, dann sollte man beim Begrüßungs-Busserl aufpassen, dass ja niemand zu fest oder zu nass seine Wiedersehensfreude bekundet, ja, und die weiße Bluse muss anschließend sowieso in die Waschmaschine. Über die sommerlichen Zerrinnungsgefahren will ich da gar nicht bangen... Nein, das macht keinen Spaß.
Andererseits ist es auch nicht gerade lustig, mit dunkel umrandetem Mund herumzulaufen, wenn der Bartschatten die Sonnenstrahlen zu begrüßen versucht ist. Auch die roten Nachwehen einer zu häufig vonstatten gegangenen Rasur fördern nicht gerade die Lachlaune einer Transidenten. Und pikanterweise treten - selbst bei unliebsamem Make-up - die markanteren Gesichtszüge speziell beim Lachen auf. Nicht ohne Grund schaue ich immer möglichst finster oder nachdenklich in die Kamera, wenngleich es nicht vollkommen meiner Natur entspricht (nicht der oberflächlichen, wohlgemerkt). Hm, eigentlich wäre es doch ratsam, innere und äußere Natur anzugleichen bzw. die oberflächliche Natürlichkeit mit dem tiefgehenderen Namensvetter zu vereinen.
Ja, ja... es kann nur Sonntag sein, dass mir derartige Gedanken auf die Tastatur springen. Eigentlich wollte ich ja nur eine Brücke zu den aktuellen Fotos (aufgenommen in der Natur mit großflächiger Make-up-Verweigerung) schlagen. Zumindest ist diese Brücke nun gebaut, andere Brücken müssen dagegen natürlich wachsen... Und Brücken wachsen nicht schneller, wenn man daran zieht... (oder wie war das?)
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