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Fotos & Fächer |
Fotos & Fächer
Liebe Leser, in dieser kurzen Retrospektive erfahren Sie, ob es sich lohnt zu Elli Hunter ins Allgäu zu fahren und welches Accessoire die Dame unbedingt zum Transtalk mitzunehmen hat... "Du mußt unbedingt mal nach Karlsruhe zum Transtalk kommen. Da ist jeden dritten Freitag im Monat ein Treffen mit großem Einzugsgebiet. Wir haben da regelmäßig so viele Gäste, wie woanders auf den Partys erscheinen! Und das Hotel Santo bietet eine exquisite Atmosphäre, das wird dir gefallen." So ungefähr machte mir Babsy eine Reise nach Karlsruhe schmackhaft. Noch im Rausch der Endorphine der Pfingstparty in Leipzig, machte ich mich an die Planung. Über 500 Kilometer für ein Transentreffen fahren? Das sollte man mit einem weiteren Punkt verbinden. "Nur" ca 220 Kilometer entfernt hat Elli Hunter ihr Fotostudio - das war´s. Die Bilder, die ich bisher von ihr gesehen hatte, machten Appetit. Ein paar Tage Urlaub, frühzeitige Anmeldungen und die Reise stand. Um nicht zitternd von 630 Kilometern Autofahrt und mit Augenrändern vor Ellis Linse zu erscheinen, hatte ich mir ein verkehrsgünstiges Quartier in Memmingen, ganz in Ellis Nähe gesucht. Der erste Tag ging auf der Autobahn flöten. Die Stadt ist ganz hübsch, aber auch nichts für 14 Tage Urlaub - was soll man auch von einem Ort erwarten, wo 1988 die letzte Teufelsaustreibung stattgefunden hat :wink: Am nächsten Morgen dann mit einem halben Kleiderschrank zu Elli. Mein Navi "Dagmar" tat sich schwer mit den Umleitungen, aber ich fand sie dann doch. Ich will nicht ausschweifen, daher nur zusammenfassend: Die 7 Stunden bei Elli vergingen wie im Flug. Sie nahm sich sehr viel Zeit für Vorgespräche und das persönliche Kennenlernen, ich wechselte dreimal die Garderobe, wurde geschminkt und beraten und konnte gleich mit ansehen, wie die Fotos nachher bearbeitet wurden. Die Ergebnisse verblüfften und begeisterten mich gleichermaßen. Am Ende fuhr ich zurück nach Memmingen mit einer CD-Rom voller kleiner Kunstwerke und einigen Probeausdrucken. Jeder Kilometer Fahrt, jeder Euro Bezahlung hatte sich gelohnt! Ich kann nur jeder Schwester raten, auch mal zu Elli zu fahren. Diese Fotos werden mir eine Erinnerung für den Rest meines Lebens bleiben. Wir werden nicht jünger, und schöner kommen wir wohl auch nie wieder auf´s Papier. Eine Warnung aber an 2 Personengruppen: Nicht hinfahren sollten a) diejenigen, die fest von sich überzeugt sind, daß ihre Art der Selbstdarstellung das Non-plus-ultra ist , denn Elli wird dir sagen, was du falsch machst - und sie hat Recht... b) diejenigen, die nach Ansicht der Fotos den Hang zur Realität verlieren, denn kaum jemand wird es schaffen im Alltag so gut rüberzukommen, wie es auf den Fotos wirkt. Danach süchtig zu werden, kann zu Depressionen führen. Nach einer kurzen Nacht in Memmingen, wo nachts um drei Uhr eine Gruppe Slowenen beschloss auf dem Hotelflur irgendetwas lautstark zu feiern, ging es weiter nach Karlsruhe. Die 220 Kilometer vergingen schnell, bis auf die Strecke von Stuttgart nach Karlsruhe. Die ehemaligen Hauptstädte von Württemberg und Baden scheinen absichtlich durch eine baufällige Piste getrennt zu sein um den Bevölkerungsaustausch zu behindern. Die A8 ist entweder eine Baustelle oder gleicht einer zerfallenen Römerstraße. Badener und Schwaben wollen sich ganz offensichtlich nicht zu nahe kommen... Das moderne und gepflegte Hotel Santo liegt zentral, in Gehweite zur Innenstadt. Der Portier war ein Muster an Freundlichkeit und schaffte es eine Schnellreinigung für meine Bluse zu organisieren, an der Reste von Ellis MakeUp hingen. In Memmingen war das unmöglich... Noch an der Rezeption fing mich eine große, rosa Transe ein, die mich in den Ablauf des Abends einführte. Babsy erwischt mich immer, wenn ich noch als Kerl unterwegs bin.. Nach ein paar Stunden auftakeln, ging es um 18.00 erstmal mit Zaza und Babsy in die Bar des Queens-Hotel (Nomen est omen). Bei der dortigen HappyHour ein paar erstaunte Blicke, herzliche Begrüßung (Küßchen rechts, Küßchen links) durch das Personal und das erste Kompliment des Tages: Eine Frau vom Nebentisch kam zu uns und meinte wir würden klasse aussehen. Der Glückspegel stieg. Meine beiden Begleiterinnen machten noch die unvermeidbare Besichtigung der sehenswerten, sanitären Anlagen und weiter ging es zum Essen. Nachdem wir uns schnell umgezogen hatten (weil man zum Transtalk wegen der Wärme am besten in Badekleidung kommt) wieder eine herzliche Begrüßung durch das italienische Personal. Ich denke inzwischen, daß Babsy und Zaza wohl bis in der Bahnhofsmission überall in Karlsruhe bekannt sind... Lange Rede, kurzer Sinn: Happa-Happa ohne die Perücke aufzukauen und weiter zum Transtalk, darum ging es ja eigentlich. In der Bar des Santo Völkerscharen, die sich um die Sitzplätze streiten. Temperaturen wie im Erdkern und hektisches Personal mit vollen Tabletts. Emilia und Saskia immer rührig am organisieren. Eine Kellnerin um die 1,60cm meint frustriert, sie würde zu diesen Treffen nie wieder mit flachen Schuhen kommen. Man lernt sich kennen oder trifft alte Bekannte wieder. Ich lerne Mel kennen, die wirkt wie eine rumänische Filmdiva aus den 40er Jahren und noch von weiter weg aus Hamburg angereist ist. Klasse, stimmiges Outfit! Und jetzt lerne ich, warum Karlsruhe die Fächersstadt genannt wird: Nicht wegen der Stadtarchitektur rund um das Schloß. Nein, weil hier jede kluge Frau einen Fächer hat um sich die Luft zuzuwedeln. Dank Kryolan, halten bei den meisten aber auch ohne Fächer die Gesichtszüge... Die einzige Enttäuschung kommt, als wir zu einer anderen Disco fahren, als die Veranstalter empfehlen. Im "Topsy" (*pfui-pfui-pfui*) werden Transen neuerdings schon an der Türe abgewiesen. Dann also wieder zurück ins Santo, wo wir gerne gesehen werden. Ich hatte schon an anderer Stelle geschrieben, daß ich der Überzeugung bin, daß Transen nicht abschreckend, sondern sogar anziehend auf das "normale" Publikum wirken können. Der Barbereich des Santo ist wohl niemals während einer normalen HappyHour so gerammelt voll mit gemischtem Publikum, wie zu den Transtalk-Terminen. An der Rezeption erfahre ich bei der Abreise, daß sie noch nie einen so hohen Umsatz an der Bar hatten, wie an diesem Abend! Gegen drei Uhr beschließe ich den geordneten Rückzug. Als Absacker noch zwei Bloody Marys, bis dahin war ich ohne Alkohol, denn eine Dame, die auf ihren hohen Absätzen wankt, ist keine Dame. Da kommt das zweite Kompliment an diesem Abend. Ein Mann lobt meine schönen Beine. Noch während ich mich brav mit einem Knicks bedanke und ihm meine Fotoausdrucke unter die Nase halte, verschluckt er seinen Nachsatz: "Wenn Sie nicht so groß wären.." - er bricht ab, weicht meinem Blick aus und entschuldigt sich "Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen." Ich komplettiere den Satz im Geiste, beruhige ihn, bedanke mich nochmals und gucke seine Frau an, die das Geschehen stumm und regungslos verfolgte. Ich gehe zum Lift und spüre die Blicke des Paares an meinem Rücken. Ein letztes Lächeln und ab auf´s Zimmer, wo es aussieht als wäre ein Transenkoffer explodiert. Schon am Abend kam die Anweisung: Frühstück um 10.00 - en femme. Also den Wecker auf 8.00 und wieder hübsch gemacht. Ich werde nie wieder nur mit drei Kleidungssätzen anreisen, das ist einfach viel zu wenig für ein Treffen. Viel mehr als ein paar Kaffee geht eh nicht rein und das Frühstück vergeht mit einigen Zigaretten, unterhaltsamen Anekdoten der lustigsten rosa Transe, die ich kenne und Maries verblüffenden Beschreibungen ihrer 150 Mini-Röcke. Hätte nie gedacht, daß Menschen BHs auf Kleiderbügel hängen..Ein paar letzte Fotos und die kleine Resttruppe löst sich auf. Ich ringe mich dazu durch das Pflicht-Tourismusprogramm abzulatschen. Obwohl wieder als Kerl mit flachen Schuhen unterwegs, tun mir nach Schloß, Innenstadt und Kunstmuseum die Füße weh. Aus einer kurzen Augenpflege im Hotel werden fast drei Stunden Tiefschlaf. Als ich aufwache erscheinen mir die vergangene Stunden unwirklich - als wäre ich allein in einem verwüsteten Fußballstadion nach dem Rock-Konzert zurück geblieben. Was willst du noch hier? Ich reise am Sonntag in aller Frühe ab. Dank an das Personal des Hotels für Service und Freundlichkeit. Wenn die Sterne danach vergeben würden, hätten sie den 5.Stern längst verdient. Die Rückfahrt hat Dagmar auf fünf Stunden kalkuliert - ich brauche nur dreieinhalb... Fotos & Fächer II (2007) Nach knapp einem Jahr war der willkommene Anlass gekommen, wieder eine Tour nach Süden zu machen. In das Gebiet, das der Reiseführer so treffend mit den Worten beschreibt: „Das Leben der Eingeborenen in Baden beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Wein zu trinken und mit geschlossenen Augen auf einer Bank zu sitzen, da sie ihre Sonnenbrillen gewöhnlich nicht auf der Nase, sondern im Haar tragen. (...) Man sollte als Norddeutscher möglichst das Gespräch vermeiden, um nicht sofort als Tourist aufzufallen – außerdem ist es meist eh zwecklos, da man das Idiom kaum versteht. (...) Der Euro ist inzwischen auch dort gültiges Zahlungsmittel und hat Zwiebeln, Fische sowie Weintrauben abgelöst.“ Ich plane die alte Route, zuerst zu Elli Hunter, ein paar neue Outfits fotografieren und dann zur großen „Return to style“-Party, dem Gemeinschaftsevent von Genderparty und TransTalk. So eine Mottoparty, die etwas von Fasching hat, kann ich mir nicht entgehen lassen. In den Monaten vor der Reise habe ich mir mein Kostüm im 20er Jahre Stil zusammengestellt und bin neugierig, was ich in Karlsruhe alles so zu sehen bekomme. Welche Modebeispiele aus der weiten Spanne der 20er bis 50er Jahre werden zu sehen sein? Der Mittwoch vergeht auf der Autobahn, leider hat gerade die Ferienzeit angefangen und die Straßen sind voller Autos. Ich gewinne schnell die Erkenntnis, daß nicht nur die Schulen, sondern auch die Irrenhäuser frei haben. Manche Fahrzeuge bewegen sich, als trügen die Fahrer noch ihre engen weißen Jacken ( ja, die mit den Schnallen auf dem Rücken) und würden mit den Knien lenken. Nach einigen Stunden kommt auch noch die passende Musik zu dem Wahnsinn im Radio: das Erkennungsgedudel von Bayern 3. Willkommen im Land von Bier, Lederhosen und fetischbegeisterten Landrätinnen. Am späten Nachmittag komme ich wieder in Memmingen an. Das verkehrsgünstig gelegene Hotel ist genauso gut (oder schlecht) wie im letzten Jahr, aber für eine Nacht wird es gehen – denke ich und soll mich täuschen. Irgendwie hat sich in Memmingen kaum etwas verändert, ich finde wie in Trance den Biergarten vom Gasthaus Schwan sowieso den netten Asiaten wieder. Da es in meinem Zimmer unter dem Dach recht warm ist, versuche ich meinen Körper durch Biergenuß zu lähmen. Leider nur mit geringem Erfolg, stundenlang liege ich wach, schwitze und wenn ich mal eingeschlafen bin, wache ich schnell schreckhaft wieder auf, weil ich denke, jetzt müsste der nächste Sauna-Aufguß kommen. Am nächsten Morgen geht es zu Elli. Wegen der Umleitungen und Baustellen habe ich mir extra eine neue Navi-DVD gekauft, um diesmal keine überflüssigen Umwege fahren zu müssen. Doch Dagmar versagt auch dieses Mal und führt mich in die Nähe von Albanien. Als ich endlich in der Bahnhofstraße bei Elli ankomme, entdecke ich auf dem DVD-Cover den Hinweis „Deutschland 2007 (ohne das Allgäu)“. Wir kommen diesmal mit fünf Stunden aus. Vielleicht liegt es daran, daß sich Elli kreative Verstärkung aus Wien geholt hat. Sie heißt Pia und ist die Blunzkönigin. Ich weiß bis heute nicht genau, was die Blunzn sind, aber es muß ein recht kleinwüchsiges Völkchen aus Österreich sein. Gelegentlich werde ich mal Googeln müssen... Vier Fotoserien entstehen. Ich als Chinesin, als Diva aus den 20er Jahren, als Lehrerin oder Versicherungsvertreterin (je nach Vorlieben des Betrachters) und als Cafe-Serviererin mit Häubchen und Schürze. Mit Hilfe des Personalausweises kann ich am Schluß noch meine wahre Identität rekonstruieren. Die Fotoausbeute passt schließlich gerade noch auf eine CD. Bei der Rechnung schlucke ich dann doch kurz. Aber ich halte es mit den Worten meiner Großmutter, die immer sagte: „Das Totenhemd hat keine Taschen. Gib mit warmen Händen.“ Auch wenn ich mich noch ganz gesund fühle, handele ich gern danach - wenn es Spaß gemacht hat. Und ein Tag bei Elli gehört zu den schönsten Spaßerlebnissen überhaupt. Etwas fluchtartig verlasse ich das Studio, weil ich gleich heute noch nach Karlsruhe fahren möchte. Optimistisch vermute ich, daß inzwischen die Baustellen zwischen Stuttgart und Karlsruhe aufgehoben sind und freue mich über die frühe Ankunftszeit, die Dagmar mir prophezeit. Kurz vor Stuttgart werde ich durch den Verkehrsfunk und die Situation vor mir eines besseren belehrt: Wieder mal Chaos zwischen Stuttgart und Karlsruhe. Dagmar sagt, ich soll abfahren. Dummerweise glaube ich ihr und gelange in die City von Stuttgart, mitten zwischen ca. 500.000 Feierabendpendler. Irgendwann werde ich mal anregen, daß Navigationsgeräte auch die Tageszeit bei ihren Fahrthinweisen berücksichtigen – irgendwann, wenn ich mal Zeit habe und weiß wohin ich das denn überhaupt schicken könnte... Aber heute weiß ich, warum Frauen(-stimmen) nie Propheten waren, kein vernünftiger Mensch würde ihre Hinweise für voll nehmen. Die, die trotzdem Weissagungen machten, wurden im Mittelalter verbrannt. Ob ein Navigationsgerät gut brennt? Ich werde es ausprobieren müssen. Spät komme ich beim Santo an und checke ein. Der Herr an der Rezeption erkennt, daß ich zum TransTalk-Kontingent gehöre und fragt, ob ich Babsy kenne. Er tut dies in einer Art, wie ein Pariser den Touristen fragen würde, ob er den Eifelturm kennt. Klar kenne ich Babsy und bekomme den Hinweis, daß sie im Restaurant ist. Das Auto wird auf dem Dach des Parkhauses abgestellt. Nachdem ich kurz überlege, ob hier der Dalai Lama früher gelebt hat, schleppe ich meine Koffer Hunderte von Stufen herab auf das Zimmer. Jetzt aber fix in´s Restaurant zu Babsy. Unten sitzt sie bereits mit Claudia und Kate aus Köln. Wir begrüßen uns und endlich komme ich zum Essen. Nach dem Frühstück die erste feste Nahrung. Da ist es mir auch nicht so wichtig, daß ich einige Zeit der einzige Kerl am Tisch bin, bis jemand auftaucht, der sich als Zaza ausgibt. Ich bleibe skeptisch und vertraue dem Unbekannten nur zögernd. Freitagmorgen schlafe ich aus und gehe etwas durch Karlsruhe. So langsam fühlt man sich hier wie Zuhause. Erst am Nachmittag mache ich mich für einen Kaffee hübsch und gehe an die Bar. Es ist drückend warm dort, ich verfluche meine quasi luftdichte Seidenbluse, aber leide still. Leider muß ich meinen Cafe Latte allein, neben geschäftigem Personal trinken. Ich wechsle ein paar Worte mit dem Barmann und entscheide dann besser schnell aus dieser Bluse rauszukommen. Als ich bezahlen möchte, erfahre ich, daß ich eingeladen bin. Hoppsa! Das Wimpernklimpern muß ich mir merken und üben. Beim nächsten Mal reicht es vielleicht für einen Gebrauchtwagen... Vor dem TransTalk essen wir wieder beim netten Italiener. Inzwischen ist auch die echte Zaza da. Ich lache innerlich über den billigen Hochstapler vom Vorabend. Später trifft eine sächsisch sprechende Transe in Begleitung einer jugendlichen Biofrau ein. Ich bin unsicher, ob es Lydia ist und frage sie. Sie weicht einer konkreten Antwort aus und antwortet mit Gegenfragen. Ich entschließe mich ihr erst mal gar nichts zu glauben und bleibe mißtrauisch. Später, als das Organisationsteam noch unter sich sein will und alle anderen sanft rauskomplimentiert werden, gibt mir diese Person noch einen Stapel Partyfolder für Emilia. Ich habe nie erfahren, wie sie die von der echten Lydia bekommen hat. Wir lassen das Team allein mit ihrer Arbeit und gehen hoch an die Bar, wo bereits dichtes Gedränge herrscht. In Sekunden stelle ich fest, dass die Versprechungen bezüglich der jetzt guten Leistungsfähigkeit der Klimaanlage eine Farce waren. Meine Seidenbluse wird zur Backfolie und ich will mich schnell umziehen. Leute, vergesst Seidenblusen im Sommer! Das ist was für Weihnachten. Sagte das Babsy vorhin nicht? Egal, sie hat Recht. Ich wechsele mein Oberteil gegen ein T-Shirt mit dem Bild der göttlichen Bettie Page. Da sie ebenfalls eine ansehnliche Oberweite zeigt, trage ich jetzt gleich zwei Busen vor der Brust. Na, wenn mir da nicht die Männer zufliegen werden?! Dazu kommt es dann aber doch nicht, denn die sind Mangelware an der Bar. Vermutlich deshalb verbringen wir alle viel Zeit damit, uns gegenseitig zu drücken und abzuknutschen. Na egal, mit meiner rosa Sonnenbrille sieht sowieso alles ganz wunderbar und bunt aus. Nachdem die Pflichtbegrüßungen aller Bekannten erledigt sind, kommt man auch mal dazu neue Menschen kennen zu lernen. Besonders interessant ist Wilhelmine aus Budapest, die schon weit in der Welt herumgekommen ist und von einem Event in Manchester mit 1500 Transen berichtet. Ich lecke Blut...Nur wie organisieren? Im Ganzen kommt es mir vor, als wären diesmal weniger TransTalk-Stammgäste da, denn trotz Hochsommers vermisse ich die übliche Vielzahl von Fächern. Ich habe zwar auch keinen dabei, war aber so klug wieder mal auf Kryolan zu setzen, statt auf einfaches MakeUp, das dank Lasern inzwischen deckend genug ist. Die Santo-Crew hat sich diesmal noch etwas Witziges einfallen lassen: Wassereis in länglichen Plastiktütchen. Ich finde es zwar etwas frivol die gekühlten Getränke in Kondomen zu servieren, lutsche aber vielleicht deshalb gern gleich mehrere. Gegen halb eins verabschieden sich viele zur Disco. Da ich morgen als Frühstücks-Hostess verpflichtet wurde, verzichte ich auf einen nächtlichen Ausflug. Die netten Stunden enden für mich an der Bar mit einer guten Freundin: Miss Bloody Mary. Am Samstagmorgen klingelt der Wecker früh. Ab in´s Serviererinnen-Outfit, um 10.00 steht das Transenfrühstück an. Als ich (selbstverständlich überpünktlich) im Frühstücksbereich ankomme, sitzen schon einige Damen dort. Die ausgeschlafenen Frühaufsteher kamen bereits vor dem angesetzten Zeitkorridor von 10.00 bis 12.00. Sofort kümmere ich mich pflichtgemäß um bereits anwesende und neu ankommende Gäste. Schenke mit einem Lächeln Kaffee aus und fummele etwas beim Tischdecken und –abräumen mit. Ein Kellner hat offensichtlich Schwierigkeiten, sich mit der neuen Kollegin zu arrangieren und ich muß mich mit ihm um die Kaffeekannen streiten. Ob er neue Konkurrenz, vielleicht sogar den Verlust des Arbeitsplatzes befürchtet, weil eine attraktivere Kollegin seinen Job übernehmen könnte? Die weiblichen Bedienungen sind eher angetan, aber vertrauen mir an, dass sie froh wären, keine Häubchen mehr tragen zu müssen. Biofrauen sind schon manchmal komisch... Im Laufe des Vormittags trudeln pünktliche Schwestern mit gutem Appetit ein, aber auch Übermüdete, die einfach dabei sein und so die Zeit bis zum Stadtrundgang verbringen wollen. Zwischen den geschminkten Damen mischen sich auch diverse Herren und es ergibt sich die ein oder andere spannende Diskussion ob er denn "eine von uns" oder nur normaler Hotelgast sei. Das sichere Kriterium ist die Rasur. Bei dem, der einen Bart hat, der länger als einen Tag gewachsen war, ist alles klar: Keine Transe. Aber bei den Glattrasierten kommt es zu lustigen Überraschungen. "Ach, du warst das gestern mit dem Minikleid und der blonden Perücke!?" Nachdem das Büffet gegen 11.00 Uhr abgeräumt wird, kommen die Aschenbecher auf die Tische. Schließlich wird das Rauchen im Hotel in Baden wohl auch bald der Vergangenheit angehören und das muss noch einmal ausgenutzt werden. In einigen Monaten werden wir wieder einen Grund mehr haben zu sagen "Früher war alles besser". Als sich die Gruppe zum Stadtrundgang durch Karlsruhe verabschiedet, feiere ich Dienstschluss. Beim Manager melde ich mich nicht mehr ab. Der hat vorhin schon so komisch geguckt, als ich ihn mit „Guten Morgen, Chef!“ begrüßt habe. Im Laufe des Tages beschließe ich mein Auto vom Dach der Welt doch besser in die Tiefgarage umzuparken, da treffe ich im Fahrstuhl einen jungen Mann mit schwarzem T-Shirt, auf dem „www.Genderparty.de“ steht. Ob der weiß, wann Lydia endlich kommt? Ich verzichte darauf den Fremden anzusprechen, wie es in meinen Benimmbüchern für junge Frauen vorgeschrieben ist. Endlich ist es 19.00 Uhr. Das Kleid ist angelegt, alle Accessoires sind parat. Ein letzter Blick in den Spiegel: Karlsruhe, warmer Nieselregen, die Frisur sitzt! Okay, auf geht es zur Zeitreise! Mit dem Taxi komme ich mit Babsy bei einem griechischen Restaurant an, dahinter liegt der Zieglersaal. Vorbei an ein paar normalen Gästen, die aber nicht mehr außerordentlich reagieren, da sind offensichtlich schon einige Transen vorbei gegangen. An der Kasse steht ein Herr im schwarzen Frack, der mir bekannt vorkommt. Warum ist Lydia nicht da? Der Saal ist erst halb gefüllt, ich denke an die Worte von Olivia Jones` Türsteher: „Die Tunten kommen immer erst um Elf!“ und mache mir keinen Kopf. Allerdings bin ich etwas enttäuscht von den wenigen phantasievollen Kostümen. Da hatte ich mehr erwartet! Erst im Laufe des Abends ändert sich das Bild: nach und nach trudeln die witzigen und originellen Kostüme ein. Es ist offensichtlich so, dass ein gutes Bild Zeit und Aufwand braucht. Da ist Pünktlichkeit zweitrangig. Außerdem kamen viele erst an diesem Tag von weit her angereist, das klappt dann nicht so passend. Es herrscht buntes Treiben. Emilias Kreislauf ist offensichtlich noch vom Rock`n`Roll-Kurs oben, sie scheint überall zu sein. Wieder gibt es überall Szenen des freudigen Wiedersehens und lächelnde Gesichter. Dazwischen die fleißigen Helferlin. Maya und Saskia an der Technik, Daniela fotografiert und Steffen im perfekten 50 Jahre Outfit legt Musik auf – an einer Anlage, die glücklicherweise jüngeren Datums ist. Bevor das Programm beginnt, möchte ich noch etwas Essen und fliehe dazu nach draußen. Leider ist der Saal zu warm, was viele von uns so empfinden. Die Türen bleiben lange offen, bis sie geschlossen werden müssen, um einen grantigen Anwohner nicht dazu zu bewegen, die Polizei zu rufen. Ich erwäge absichtlich die Türen aufzureißen, wenn die Musik laut spielt. Ob es in Karlsruhe hübsche und große Polizisten gibt? Schließlich beginnt das bunte Programm auf der Bühne. Babsy führt nicht nur professionell durch den Abend, sondern überrascht mit dem Gastwirt am Arm durch beeindruckende Gesangseinlagen. Wir sehen „The Dolphins feat. Comedian Harmonists “, eine A-Capella-Gruppe aus Karlsruhe, Zaza als Lale Anderson mit „Lilli Marleen“ und die Showtanztruppe „Da Boom“, alles aufgelockert durch eine multimediale Zeitreise durch die Jahrzehnte. Babsys Catwalk wird diesmal in Form einer Misswahl mit Zaza als Nummerngirl gemacht. Ich werde auch wieder auf die Bühne gebeten, obwohl ich anderen den Vortritt lassen möchte, weil ich schon in Leipzig dabei war. Arielle gewinnt schließlich als bezaubernde Braut den Titel. Überhaupt sind die Bräute in prachtvollen Roben im mehrfachen Sinn die Sahnehäubchen des Abends. Zwar bei manchen Gästen als unpassend zum Thema kritisiert, aber hingeguckt haben alle. Das wirklich beeindruckende Programm war mit Abstand das Aufwändigste, was ich bisher bei einer Transenparty gesehen habe. Ich frage mich, ob sich alle Gäste überhaupt vorstellen konnten, was für eine Mühe, was für ein monatelanger Aufwand dahinter steckt, so etwas zu organisieren? Ich bin überzeugt, damit haben die Organisatorinnen einen neuen Höhepunkt derartiger Veranstaltungen vollbracht. Vielen Dank dafür an dieser Stelle. Etwas peinlich wird die Vorführung einer Polsterhose durch den Herrn im Frack, der inzwischen als Herr Schlemmer vorgestellt wurde. Manche Gäste befürchten dieses Produkt kaufen zu müssen, um wieder mit dem Bus wegfahren zu dürfen. Sie erzählen grausige Geschichten von Werbeverkaufsveranstaltungen, verriegelten Türen und muffigen Rheumadecken. Sicherheitshalber zähle ich mein Geld schon mal ab und beobachte, ob die Türen verschlossen werden... Viel Zeit verbringe ich mit Freundinnen im kleinen Biergarten des Lokals vor dem Saal. Die Türen sollen geschlossen bleiben, die Fenster sind nicht zu öffnen und die Ventilation im Saal bewegt nur warme Luft. Die Stunden vergehen wie im Fluge bei netten Gesprächen und kleinen Neckereien. Irgendwann werde ich von Annabelle und Sonnenbine gebeten Moderatorin im TransTreff zu werden. Ich habe keine Ahnung, worauf ich mich einlasse und sage einfach mal ja. Danyelle erlebt ihren ersten Ausflug en femme. Konstanze fotografiert alles was ihr vor die Linse kommt. Q hat ihre Schuhe diesmal nicht vergessen. Inanna lernt langsam meinen Namen richtig auszusprechen. Petra hat nach meiner Ansicht das schönste Kostüm des Abends, Rossana schwärmt von ihrem Freund und Jessica setzt sich wie üblich wieder hin. An der Bar sackt eine Transe im Ledermini zusammen und zeigt ihre Unterwäsche. Jennifer trinkt ein Bier nach dem anderen und wird sich später ärgern, warum sie auf keinen Fotos lächelt. Sabine schimpft auf die A8 und ihr Navi. Kate verliert fast eine Brust aus ihrem Marilyn Monroe-Kleid, Stacy bricht sich diesmal keinen Absatz ab, aber verliert ihre Perücke, meine Federboa färbt meine Arme schwarz und wird diesen Abend nicht überleben und immer wieder dieser merkwürdige Herr Schlemmer dazwischen. Jennifer aus München sagt nachdenklich einen Satz, spät nach Mitternacht, zu ihren Erfahrungen der letzten beiden Partys (Schlampenfest und Genderparty): "Ich habe in der kurzen Zeit so viele interessante Persönlichkeiten kennengelernt..." Das ist so wahr, denn das wichtigste Element der Treffen ist nicht die Klamotten anzulegen, sondern die Menschen zu treffen, die man immer mehr mag. Irgendwann, als die Musik langsam leiser wird, Babsy einen Feierabend-Sekt trinkt und das Programm längst beendet ist, beschließe ich für den Absacker noch in die Bar des Santos umzuziehen. Das bestellte Taxi lässt auf sich warten, während ich draußen hin und herstöckele, wie ein Bordsteinschwalbe. Da spricht mich ein junger Mann an. Er hat zufällig die Transenrottung beim Zigarettenziehen gesehen und will nun alles Mögliche wissen. Ob wir alle Frauen sein wollen, bisexuell, schwul, verheiratet sind, ob wir das immer machen oder nur gelegentlich etc. .etc.. Ich erfülle die Aufgaben einer Propagandistin gewissenhaft und sehe ihn dann schließlich abfahren. Verstehen konnte er uns nicht, aber gelernt hat er sicher eine Menge. Im Santo schummele ich mich schnell in die schon abgesperrte Bar, wo gerade aufgeräumt wird. Ich setze die Waffen einer Frau ein, klimpere mit den Wimpern und verspreche den Himmel auf Erden mit den Augen. (Liebe Leser: versucht es nicht nachzumachen, wenn euch der Charme fehlt). Der Barmann öffnet wieder und vertraut meinen Versprechungen, dass bald eine Transenwelle anrollt, die ihm die Theke leer trinkt. In einem unbeobachteten Moment schicke ich eine SMS raus, dass ich hier schnell Verstärkung brauche, sonst müssen die Nachfolger trocken in´s Bett steigen. Glücklicherweise treffen tatsächlich schnell weitere Gäste ein und die Bar füllt sich. Der nette Barmann übertrifft sich selbst, als er für die Nürnberger Gäste sogar noch Nürnberger Würstchen serviert. Viele Schuhe werden ausgezogen und Blasen oder blutige Zehen gezeigt. Ich denke an das Märchen vom Aschenputtel und warte ob eine Taube „Guruh, guruh, Blut ist im Schuh“ ruft, aber ich höre nur Gespräche und ein Prinz kommt auch nicht. Nach einigen Getränken verlasse ich die Bar in Richtung Zimmer, auch mir tun langsam die Füße weh. Mit Karl, meinem Stoffelch im Arm, lege ich mich in´s Bett. Den Kopf voller Eindrücke und schöner Erinnerungen. Nur kurz überlege ich, wer wohl die Letzte in der Bar sein wird. Die wird dann vor dem Barmann in die Knie gehen und das Versprechen einlösen müssen, was ich ihm vorhin gegeben habe...Es ist mir dann aber schnell egal und ich schlafe ein. Die Rückfahrt am nächsten Tag erledige ich dösend auf dem Fahrersitz. Es waren wunderschöne Tage. Nur blöd, dass ich Lydia nicht gesehen habe. |
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