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Männlich-Weiblich? |
Liebe K, Kannst du dir vorstellen wie es ist noch nie im Leben einen Laut gehört zu haben? Keine Lautsprache zu kennen? Innerlich nur visuelle, taktile und Geruchswahrnehmungen gespeichert zu haben und damit zu denken? Aufgrund visueller Vorstellungen Abstrakta zu bilden? Ich beschäftige mich gerade intensiv mit der Welt der Gehörlosen. Und was ich bisher mitbekommen habe bestärkt mich in der Meinung, dass kein Hörender auch nur annähernd in der Lage ist sich in einen gehörlos geborenen Menschen hinein zu versetzen. Desgleichen gilt für Blindgeborene ... Die These der Geschlechtskonstruktion ist ein Kind der Emanzipation. Frühere Generationen haben Frauen Männern mental unterlegen erklärt. Damit wurde Vereinahmung, Bevormundung und Unterdrückung der Frau legitimiert. Mit dem Fortschreiten der Emanzipationsbewegung entstand der Wunsch wissenschaftlich zu belegen, dass Männer und Frauen gleich seien. Diese Gleichheit konnte aber nicht auf ein ethisches Fundament bauen, das es bis dato noch gar nicht gab. Also wurde behauptet, dass Männer und Frauen sich nur in den äußeren Geschlechtsmerkmalen unterscheideten, im Gehirn aber identisch seien. Selbstverständlich konnte man das damals in keiner Weise belegen, im Gegenteil, man sah ja, dass sich die Gehirne beider Geschlechter schon größenmäßig unterschieden. Aber es klang zu der Zeit ganz passend. Gerne wird auch Simone de Beauvoir zitiert, aber diese bezog sich eben nicht auf das mentale Geschlecht, sondern auf das soziale. Die These der geschlechtlichen Tabula Rasa ist längst überholt. Innerhalb der letzten fünf Jahre schossen Publikationen aus dem Boden, die wissenschaftlich nachweisen, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen eben nicht nur zwischen den Schenkeln zu finden ist. Der Grund für diesen Boom liegt an neuen Bildgebungsverfahren, die es möglich machen das lebende Gehirn in seiner Funktion zu beobachten. Vorher war man auf die Ergebnisse der Pathologie angewiesen, und die konnten immer von Kritikern relativiert werden. Heute weis man, dass sich männliche und weibliche Gehirne nicht nur in wesentlichen Strukturen unterscheiden, sondern dass Männer und Frauen Probleme kognitiv unterschiedlich lösen. Diese Unterschiedlichen Lösungsansätze begründen sich nicht nur in den unterschiedlich ausgebauten Hirnregionen ... sondern auch ganz wesentlich im Hormonspiegel. Nun zu mir. In der Arbeit mit Gehörlosen erfuhr ich, dass diese sehr oft dadurch gekränkt werden, weil ihnen Hörende unterstellen sie seien nicht in der Lage komplexere Denkleistungen allein durch Visualisierung durchzuführen. Ich selbst empfinde in ähnlicher Weise wenn mir unterschwellig angetragen wird, meine Geschlechtsidentität sei ein soziales Konstrukt, ich säße sozusagen meinen "männlichen Vorstellungen von Weiblichkeit" auf. Diese Erklärung ist sehr bequehm für Menschen, die gewisse geschlechtliche Vorurteile zementieren (die "männliche Sozialisation" oder ihnen entgegenwirken wollen. Männer und Frauen sind im Gehirn gleich soll dann belegen, dass Männer und Frauen das gleiche können, ergo gleiche Rechte haben. Mein Problem ist kein soziales. Ich habe mich immer mit Frauen identifiziert, mein Gerechtigkeitsempfinden empörte die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ... und das lange schon, bevor ich mir meiner Besonderheit bewusst wurde. Damals kränkte mich aber auch schon die Vorverurteilung von Seiten feministischer Frauen, die mir Charaktereigenschaften unterstellten, nur weil ich offensichtlich männlichen Geschlechts war. Ich wurde mit Kollektivschuld beladen, quasi in Sippenhaft gestellt, und das empörte meinen Gerechtigkeitssinn nicht minder, wie die Unterdrückung von Frauen durch Männer. Meine innere Stärke hätte mich gewiss einen Weg finden lassen sozial mein Wesensgeschlecht zu leben, ohne den offiziellen Rollenwechsel. Aber das war eben nicht mein Problem ... Der Blick in den Spiegel bedeutete für mich immer Stress. Aus irgendeinem für mich nicht erklärbaren Grund habe ich ein anderes Körperbild verinnerlich. Die maskulinen Gesichtszüge entstellten mich, verdeckten mein Wesen, meine Gefühle. Ich ekelte mich vor meiner Körperbehaarung, wollte keinen Bart, wollte feiner, zartgliedriger gebaut sein .. wie ein Engel. Engel sind irgendwie geschlechtslos, weder männlich noch weiblich ... sondern ein unentwirrbare Mischung aus beiden. So empfand ich mich. Mein männliches Gesicht kam mir wie eine eiserne Maske vor, unter der niemand das mädchenhafte Wesen sehen konnte, das ich fühlte. Wie fühlt sich mädchenhaft an? - wie denkt man ohne Worte? - Nur in der Verfremdung durch das widersprüchliche Körperbild werden solche Nuancen sichtbar ... sonst sind sie Selbstverständlichkeiten wie das Atmen und der Herzschlag ... Stelle dir eine überdimensionale männliche Skulptur aus Stacheldraht vor. Im Inneren ist diese Skulptur hohl und du kannst darin ein kleines Mädchen sehen, das aus unzähligen Wunden blutend im Stacheldraht festhängt ... So habe ich damals empfunden. Mein Körper, meine männlichen Attribute verletzten mich. Jahrzehntelang konnte ich in dieser Körperlichkeit nur existieren, indem ich meine Sinne abstumpfte und nur noch in meinen Gedanken lebte ... Mit einem weiblichen Gesicht und einem androgy- femininen Körperbild - schmale Schultern, breiteres Becken, kleiner Brustkorb, zartere Muskulatur, keine Behaarung, mit so einem Aussehen wäre es mir egal ob ich offiziell als Mann oder als Frau geführt werde. Ich bräuchte nichtmal sichtbare Brüste, nur einen mädchenhaften Körper, gerne auch kleiner als 1,80m. Ich habe ein Körperproblem, kein Soziales .. konnte ich dir das klar machen? |
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