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Schubladendenken

Wenn’s doch nur so einfach wäre!

Denn die Konvention, der wir uns entziehen, ist ja nicht nur etwas für „die Leute“ – in uns selbst ist sie ebenso fest verankert wie in jedem anderen. Ich würde noch einen Schritt weiter gehen: die härtesten Kämpfe finden in unserem Inneren statt. Unsere eigenen Skrupel und Vorurteile sind es doch, die wir zuallererst überwinden müssen; wir selbst müssen zunächst unser Denken und Tun, unser eigenes absonderliches Wesen akzeptieren. Ohne Einklang mit sich selbst ist ein inneres Gleichgewicht nicht vorstellbar.

Mein ganzes bisheriges Leben lang hatte ich Probleme, meine „kleine Besonderheit“ anzuerkennen. Mit Sicherheit liegt das auch an den Bezeichnungen, die sich zur Beschreibung dieses Phänomens eingebürgert haben: Transvestit, Cross-Dresser, Drag-Queen – keinen dieser Begriffe mag ich, von keinem sehe ich mein Wesen richtig und vollständig beschrieben, in keiner dieser Schubladen fühle ich mich irgendwie wohl. Alle klingen sie nach Nachtclub, Cabaret und schlechter Travestie-Show, nach Halbwelt eben - im besten Fall noch nach Tuntenball. Das bin ich nicht, wollte ich nie sein; unser Bild in der Öffentlichkeit ängstigte mich mein Leben lang, und in gewisser Weise erschreckt es mich noch heute.

Nur mit einer einzigen – allerdings im „normalen Leben“ kaum verbreiteten – Bezeichnung kann ich mich wirklich identifizieren: „transgender“ - eine hervorragend geschriebene Definition dazu findet sich bei Wikipedia; auf diese beziehe ich mich hier.
Zum einen ist der Begriff präzise - das englische „gender“ hat weder etwas mit Sexualität noch mit Körperlichkeiten zu tun, sondern bezeichnet das „soziale Geschlecht“ – und darum geht’s doch letztendlich.
Zum zweiten ist er universell; allgemein als Ober- und Sammelbegriff verwendet und anerkannt, überwindet „transgender“ die für den Laien ohnehin kaum nachvollziehbaren Definitionsgrenzen und vereint uns, über alle Unterschiede hinweg, zu einer Gemeinde.
Nicht zuletzt ist „transgender“ noch unverbraucht und nicht mit unerfreulichen Assoziationen verknüpft – siehe oben!

Im Prinzip ist mir’s eigentlich „wurscht“, welche Art von "Trans-Maus" ich bin. Ich habe meine gesamte Entwicklung bislang als einen ziemlich dynamischen Prozess erlebt, und ich bin heute noch keineswegs in der Lage, mich irgendwo präzise zuzuordnen; auch kann ich nicht absehen, wo mich das Leben noch hinführen wird - und jedenfalls habe ich keine Lust, mich alle paar Monate oder Jahre umdefinieren zu müssen. Also – wenn’s schon irgendeine Schublade sein muss, lassen wir’s einfach beim allgemeinen „transgender“. Inzwischen bin ich aber auch schon lockerer geworden und habe nichts dagegen, liebevoll als Transe bezeichnet zu werden – klingt auch irgendwie nett!


Wozu nun all diese theoretischen Betrachtungen?

Ganz einfach, und gleichzeitig ganz schön heavy:
Sie sind das Fundament, auf dem ich stehe, das Endprodukt der längst überfälligen Beschäftigung mit meinem zwiespältigen Wesen – wenn man so will, dokumentieren sie das Ergebnis meines 37-jährigen Kampfes mit mir selbst.

Sie sind der Versuch, mein Leben als Transgender mit meiner ansonsten bürgerlichen Welt zu vereinbaren.

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