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Die wahren Unruhestifterinnen im Genderland |
Ich bin ein bisexueller Transvestit. Seit ich mich ein wenig für TG-Politik interessiere, denke ich über meine Position innerhalb der Gemeinschaft der Transgender-Menschen nach, und ich empfinde sie als zunehmend schwieriger und prekärer.
Zum einen ist da, und das betrifft nun im Kern nicht eigentlich die Transgender-Frage, meine sexuelle Orientierung: bi. Für die Heteros, zu denen ich mich auch lange gezählt habe, bin ich damit schwul, zumindest so gut wie schwul. Jedenfalls nicht ganz normal, wie es sich gehört. Ich bin einer von "denen", die Schwänze lutschen oder sich anal ficken lassen. Gut, heute ist man tolerant, man sagt es einem nicht mehr voll Verachtung ins Gesicht. Aber ich gehöre nicht mehr zum Klub, leider, leider. Für die Homosexuellen, Schwule wie Lesben, vor allem aber für die gruppenbewussten, politisch gesinnten Schwulen, bin ich ein "unsicherer Kantonist", bin ich eine, die sich nicht entscheiden kann, die/der im Zweifel nicht solidarisch zu ihnen steht und jederzeit bereit ist, wieder ins Lager der Heteros zu desertieren. Damit werde ich gar nicht in den Klub aufgenommen, leider, leider. Ich kann mich aber damit trösten, dass heute eh schon die halbe Welt von sich behauptet, mehr oder weniger bi zu sein. Nur gibt es meines Erachtens in der Bisexualtität zu viele Abstufungen, um so etwas wie eine Gruppe bilden zu können. Aber man muss auch nicht überall wo dabei sein, stets irgendwo dazugehören. Zum anderen gehöre ich als Transvestit, als Tivi, als Gender-Switcher, zur vielleicht glücklichsten doch auch zur fluchbeladensten Gruppe unter den Transgendern. Ich habe, zumindestens bisher, die Fähigkeit, die soziale Geschlechterrolle fast mühelos zu wechseln. Ich kann, ohne Schmerzen zu empfinden, unglücklich zu sein, ohne Leidensdruck, den (Arbeits-)Alltag und einen großen Teil meiner Freizeit als Mann leben, um für den Rest regelmäßig in die Frauenrolle zu wechseln, in der ich mich noch ein Stückchen wohler fühle, die auszuleben mir besondere Glücksgefühle bereitet. Ich beschreibe es oft so: Würde ich eines Morgens körperlich als Frau aufwachen, so wäre ich in großen Schwierigkeiten, müsste mit dem praktisch sicheren Verlust der Zweierbeziehung, dem Erfordernis einer Neuausrichtung im Beruf und in meinen sozialen Verhältnissen (Verwandtschaften, Freundschaften, Liebschaften) sowie mit der Herausforderung leben, Sex quasi von der Pieke auf neu zu lernen. Aber ich wäre nicht unglücklich über den Kern der Transformation, weil ich weiß, dass ich die andere körperliche Realität nicht als unangenehm empfinden würde, ich glaube eher im Gegenteil. Das sind, wie ich inzwischen weiß, typische Transgender-Gefühle, aber eben solche unter der Schwelle der Transsexualität. Es fehlt der "Leidensdruck", der mich, wäre ich eine TS, langfristig aus der Männerrolle zwingen würde. Doch immer wieder habe ich das Gefühl, für manche transsexuellen Menschen sind wir "anderen" Transgender eine Zumutung. Auch hier ähnliche Klischeevorstellungen, wie sie Heteros und Homos von uns Bisexuellen haben: Tivis entscheiden sich nicht, tänzeln nur leichtfertig durchs Leben, sind totale Hedonistinnen, sind kindisch, wissen nicht, wohin sie gehören, und ziehen am Ende gar aus dem Switchen Lustgefühle fetischistischer Natur. Perverse! Immer wieder habe ich das Gefühl, obwohl Transsexuelle vom Rest der Welt schief angeschaut werden, weil sie die Ordnung der Geschlechter durch die Konsequenz ihrer Transformation erschüttern, sind viele im Kern äußerst konservativ, wünschen sich nichts sehnlicher als eine klare Ordnung der Dinge, sobald sie einmal das für sie richtige Gender-Ufer erreicht haben. Die wahren Unruhestifterinnen im Genderland sind wir, die Tivis, die Crossdresser, die sich in der Grauzone suhlen wie die Schweine im Dreck! Als Konsequenz bekommt man manchmal, ganz zart meist nur, das Gefühl vermittelt, doch gar keine "richtige" TG zu sein, bestenfalls eine solche zweiten Grades, deren Probleme läppisch sind und nicht vorrangig diskutiert zu werden brauchen. Klar, ich habe nie Ablehnung oder Spott erfahren müssen. Ich musste nicht um die Bewahrung meiner Hetero-Beziehung zu einer Frau kämpfen, die emotional mit mir als "Ein-bisserl-Frau" einfach erst klarkommen musste. Ich musste mir meine Position in der Gesellschaft, den aufrechten Gang auf der Straße in Frauenkleidern, nie mühsam und unter Schmerzen erobern. Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht, habe zu mir gesagt: "Ab heute bin ich Transvestit!", und von da an war das Leben ein einziges Fest. Hört da wer den Sarkasmus nicht? Aufgepasst! Ich ziehe nicht in Zweifel, dass transsexuelle Menschen es im Durchschnitt schwerer haben und viel, viel größerem Stress ausgesetzt sind. Aber die "Schwanzlängenvergleiche" (bäh!), die da innerhalb der Community manchmal gemacht werden ("Wir leiden mehr als ihr, also seid im Zweifel lieber still!"), halte nun ich wiederum für pervers! Zwischen allen Stühlen lebt es sich nun wirklich auch nicht leicht. Und was alle Transgender gemeinsam am dringendsten brauchen ist Solidarität! Redaktionsvermerk: Am 22. März 2010 habe ich diesen Text nach dem Scheitern meiner Beziehung etwas geändert und aktualisiert. Da wir inzwischen versöhnt sind und einem Beziehungs-Neustart arbeiten, erfolgten am 5. September 2010 weitere redaktionelle Änderungen. |
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