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Offenbarung einer jahrzehntelang unterdrückten Gefühlswelt |
Seit ich mich erinnern kann hatte ich eine Faszination für das Schöne und Sinnliche. Ich habe schon immer Mädchen bewundert und fühlte mich in ihrer Gesellschaft wohl. Im Kindergarten und frühen Primarschulalter habe ich oft mit ihnen gespielt, bis sie sich zu meinem Leidwesen desto mehr von mir abwandten je näher die Pubertät kam.
In meiner damaligen Sicht der Dinge war ich aber ein Knabe welcher einmal ein Mann sein würde. Meinen Vater sah ich in dieser Hinsicht als grosses Vorbild. Um meiner Rolle gerecht zu werden, wollte ich all die Dinge tun die er auch tat, so strebte ich konsequent danach es ihm gleich zu tun und konnte damit nach und nach auch Erfolge verzeichnen. Auch später als ich bereits erwachsen war, versuchte ich weiterhin dem väterlichen Vorbild nachzueifern weil ich dachte es gehöre zu meiner Rolle in der Gesellschaft, jedoch merkte ich immer mehr, wie ich daran zu zerbrechen begann, weil ich halt einfach total anders war. Das Theaterspielen mit der männlichen Rolle begann immer mehr eine nicht mehr zu ertragende Last für mich zu werden. Natürlich hatte ich – vor allem weiss ich das jetzt rückblickend gesehen – schon immer ein Interesse an dieser Thematik, wohl unbewusst. Jedoch versuchte ich es erfolgreich zu verstecken, zum Beispiel indem ich genau das Gegenteil von dem behauptete was ich eigentlich wollte (Kleider die auch Mädchenkleider hätten sein können trug ich nicht, man könnte ja mein Interesse daran sonst erkennen). Auch Berichte über Leute die Ihr Geschlecht gewechselt hatten haben mich sehr interessiert, allerdings las ich diese so, dass man nicht merkte dass ich sie gelesen hatte, um wiederum von einem Verdacht abzulenken. Leider war das Interesse der Medien zur damaligen Zeit so, dass vornehmlich Personen portraitiert wurden (z.B. Coco) welche den Anschein erweckten, Transsexualität – und sogar bereits Transvestitismus – sei immer mit sozialem und wirtschaftlichem Abstieg gleichzusetzen. Obwohl ich diese Leute also bewunderte, kam für mich ein solcher Weg nicht in Frage, da ich meine soziale Stellung und meine beruflichen Pläne deswegen nicht aufs Spiel setzen wollte. Dass es bei dieser Frage nicht um Wollen oder Nicht-Wollen, sondern um eine tief verankerte seelische Veranlagung geht, sollte ich erst später zunehmend schmerzlich erfahren. In der Pubertät begann sich etwas zu entwickeln das mich verwirrte, denn aus stiller Bewunderung der weiblichen Bevölkerung entwickelte sich Neid. Warum ist die Natur so ungerecht, dachte ich, und lässt den weiblichen Teil der Bevölkerung zu so was Schönem entwickeln, während mir als Mann diese Entwicklung verwehrt bleibt. Ich versuchte es als Tatsache zu akzeptieren. Als Tatsache welche sagt, dass ich nun halt das schlechte Los gezogen hätte und mit der grausamen Situation zu recht kommen müsse. Der Traum als Frau gesehen zu werden und als solche zu leben war damals schon vorhanden, leider ordnete ich diesen aber der Kategorie ‚utopische Fantasien’ zu anstatt mehr auf meine inneren Gefühle zu hören und diesem Konflikt nachzugehen. Ich beschloss also, der vermeintlichen Tatsache ein Mann zu sein ins Auge zu sehen und das Beste daraus zu machen, ja ich hatte die Idee, gerade weil es so war, möglichst viel zu Erreichen und mir Anerkennung zu verschaffen durch gute Leistungen. Ich wollte es der Welt zeigen und ich hatte einen riesigen Trost: Ich hatte Leidensgenossen, denn ich war der Überzeugung dass es allen anderen Männern auch so gehen muss – nur dass natürlich niemals jemand darüber redete, das durfte man nicht, sonst würde man sich als schwach erweisen und den Bestätigungskampf aufgeben. Ein Fehler, den ich heute als den Grössten meines Lebens bezeichne, denn ich muss heute immer noch lernen – und meinen Irrtum versuchen zu begreifen – dass es den meisten Männern absolut wohl ist in ihrem Körper und in ihrer Rolle. Oft denke ich darüber nach warum mir das passieren konnte und werde ernsthaft traurig dabei zu sehen wie viele Jahre ich dadurch vergeudet habe meinem wahren Problem auf den Grund zu gehen. Irgendwie führte ich aber immer eine Art Doppelleben – zumindest in meiner Fantasie. Ich wusste, dass ich gerne Kleidung des anderen Geschlechts tragen würde, verbot mir dies aber immer strickte. Überhaupt war mein Leben dauernd mit unzähligen Verbotsschildern versehen welche ich mir selbst aufstellte 'um nicht auf die schiefe Bahn zu geraten', wie ich dachte. Vermutlich war es auch nur Angst entdeckt zu werden. Gerne hätte ich mir per Post ein paar Sachen kommen lassen die ich heimlich tragen konnte, aber nur schon die Angst davor jemandem würde diese Lieferung in die Hände kommen hat diesen Traum zunichte gemacht. Auch wagte ich mich kaum an Kleidung der weiblichen Familienmitglieder heran, wie ich das von vielen anderen mitlerweilen erfahren habe, da die Gefahr Spuren zu hinterlassen einfach zu gross und die Vorstellung entdeckt zu werden viel zu demütigend war. So blieb es beim schlüpfen in paar Schuhe und den Vorstellungen in meinen Träumen. Einerseits habe ich viele Ziele in meinem Leben erreicht, welche ich mir in den Kopf gesetzt habe (wobei ich leider nicht weiss was von alldem ich einfach nur gemacht habe um mir und der Umwelt etwas zu beweisen). Ausserdem habe ich mir durch viel Arbeit oft das Nachdenken über meine innere Zerrissenheit ersparen können. Andererseits aber habe ich mich in der restlichen Zeit die mir neben meinen vielen Tätigkeiten blieb fast ausschliesslich damit befasst mich in irgendwelche Fantasiewelten zu flüchten. Unter der festgenagelten Annahme ein Mann zu sein habe ich versucht herauszufinden was mein Problem sein könnte. Ich habe immer nach irgendwas gesucht und es dabei nie gefunden, wobei ich auf dieser Reise viele Stationen abgeklappert habe – von erotischen Darstellungen des weiblichen Körpers über Interesse an Fetischkleidung (immer bezogen auf das Weibliche) bis hin zum Einblick in die Sado-Maso-Szene. Alles hat mich eine Zeit lang fasziniert aber überall habe ich gemerkt, dass es nicht das war wonach ich suchte, auch wenn ich das eine oder andere immer noch interessant finde. Bei dieser Suche habe ich oft in Internet-Chats stundenlang mit Frauen diskutiert. Nicht weil ich etwas von ihnen wollte, mehr weil mich ihre Art faszinierte und weil ich herausfinden wollte wie sie fühlen. Dabei habe ich gemerkt, wie sehr ich diese Gefühlswelt verstehen konnte und begriff doch immer noch nicht was mit mir los war. Und doch wusste ich es eigentlich, konnte es mir aber nicht eingestehen und habe es weiterhin sogar in meinem Unterbewussten erfolgreich verdrängt. Beispiele dafür sind meine sexuellen Erfahrungen. Beim Selbstbefriedigen wollte ich mir manchmal gerne vorstellen weiblich zu sein, doch sofort kam unterbewusst eine Stimme die sagte 'Vergiss es, das darfst du niemals denken, sonst wird etwas Schlimmes mit dir passieren: Du könntest eine Transsexuelle werden.'. Ich habe also irgendwie gewusst, wenn ich es zulasse, wird die Büchse der Pandora geöffnet und ich würde mich niemals mehr dagegen wehren können. Ich kämpfte also gegen etwas an was offensichtlich in mir schlummerte. Um meiner weiblichen, nach aussen dringen wollenden Identität einen Riegel vorzuschieben habe ich mir eines Tricks beholfen in dem ich mir einfach eine in meinen Augen ideale Frau vorstellte und mir ausmalte wie sie wohl den Orgasmus erleben würde. Etwa der gleiche Trick funktionierte auch beim Geschlechtsverkehr mit Partnerin. Vermutlich war ich ein sehr guter Partner dafür, denn ich habe mir immer vorgestellt wie es für sie wohl sein müsse und wollte es für sie möglichst schön machen. In dieser Zeit seit der Pubertät lernte ich immer wieder wie sehr einem Neid innerlich auffressen kann. Dieser Neid gegenüber Frauen wurde immer unerträglicher und ich dachte immer mehr, dass nur das Leben als Frau ein wirklich erfülltes Leben sein könne. Dass dies lediglich auf mich (und ein paar andere Betroffene) zutraf, war mir noch nicht einmal bewusst. Das Einzige was ich mit Sicherheit wusste (und heute noch unterschreiben kann) war: Wäre ich in einem weiblichen Körper geboren worden, dann hätte ich all die Probleme nicht und könnte einfach das Leben geniessen, wie ich das bei unzähligen anderen Frauen beobachte. Die Geschlechterfrage ist für mich seit meiner Pubertät krankhaft allgegenwärtig und hat mich bisher ununterbrochen bei jeder erdenklichen Möglichkeit beschäftigt. Nur die Flucht in Studium, Arbeit und andere Beschäftigungen konnte bisher eine Linderung verschaffen. Zunehmend wurde ich auch dort dadurch abgelenkt. Irgendwann nach meinem dreissigsten Geburtstag bin ich an einem Punkt angelangt an dem es nicht mehr so weitergehen konnte. Ich wollte ernsthaft meine Probleme lösen und dachte schon ernsthaft darüber nach mich psychologisch abklären zu lassen, obwohl mir noch nicht wirklich bewusst war worum es ging. Irgendwie hatte ich den Verdacht, dass es vielleicht doch nicht so war, dass es allen Männern so erging, sonst müsste es doch viel mehr von ihnen geben die irgendwann im Leben psychisch zusammenbrechen oder sich für einen Suizid entscheiden. Und so kam es, dass ich allmählich die Kraft verlor, welche nötig war, um mich gegen meine inneren Gefühle erfolgreich zu wehren. Ich begann einige der Verbotsschilder abzubauen und 'liess mich einfach gehen'. Ich begann via Internet, nicht mehr nur mit anderen Frauen zu reden sondern mit Betroffenen, mit Leuten die dasselbe Problem haben wie ich, welche ebenfalls an einer Geschlechtsidentität leiden. Schnell fand ich heraus, dass ich nicht die einzige Person war und, dass es ebenso das Umgekehrte gab: Männer in einem Frauenkörper. Diese haben mir am meisten die Augen geöffnet und einen Beweiss dazu geliefert, dass ich mit meiner falschen Annahme, dass alle Männer die Frauen um Ihr Wesen beneideten, einem jahrelangen katastrophalen Irrtum unterlegen bin. Denn für sie sieht die Sache eben genau andersrum aus. So kam es allmählich, dass ich die Tatsache akzeptieren musste eben so zu sein wie ich bin. Es hat mein Weltbild und mein Idealbild von mir selbst ziemlich über den Haufen geworfen. Hatte ich mir bisher eingeredet ‚normal’ zu sein und genau so, wie man es von mir erwartet, war es nun ein harter Kampf mir einzugestehen, dass ich ganz anders bin, und ich musste lernen mich so zu akzeptieren. Jeder kann davonrennen wenn er jemanden wie mich nicht akzeptieren kann oder will. Vor mir selber kann ich nicht davonrennen, sondern muss der Tatsache ins Auge schauen, will ich denn weiterleben. Und ja, das will ich, aber nur wenn sich was ändern lässt. Genau an meinem 31. Geburtstag kam es wie aus heiterem Himmel, dass ich es einfach meiner Freundin erzählen musste. Ich habe damit gerechnet, dass dies das Ende unserer Beziehung bedeuten könnte, doch es kam ganz anders. Sie ist eine sehr gute Zuhörerin und fällt nicht voreilig ein Urteil über jemanden. Sie brauchte zwar eine Zeit über all diese Dinge nachzudenken, aber heute ist sie die wichtigste Stütze in dieser Hinsicht und wird zu mir halten, egal wie es nun weitergeht, denn sie hat eine wunderbare Eigenschaft: Mich als Mensch zu lieben, wegen meinen inneren Werten und meines Charakters. Ich habe extrem Glück eine solche Partnerin zu haben, denn bei den allermeisten bedeutet dies erfahrungsgemäss tatsächlich das Ende der Beziehung zueinander. Sie hat es nicht nur akzeptiert, sondern mir auch ermöglicht, meine Bedürfnisse auszuleben ohne allzu grosse Versteckspiele und komplizierte organisatorische Winkelzüge vollführen zu müssen, wie ich das von vielen anderen gehört habe. So haben wir unsere Ferien und Ausflüge von da an so genutzt, dass ich dort einfach so sein konnte wie ich mich eben fühle. Auch haben wir Transgender-Veranstaltungen besucht wo ich mich mit anderen Betroffenen direkt austauschen konnte und habe so wieder neue Freunde gefunden welche mir eine Stütze sind. Ausserdem habe ich gelernt, dass es für mich persönlich um mehr als nur Transvestitismus geht sondern um eine weit reichende Störung der Geschlechtsidentität. Nachdem ich seit Herbst 2006 in psychotherapeutischer Abklärung bin und mir eine starke Geschlechtsidentitätsstörung (Verdacht auf Transsexualität) attestiert wurde und ich nach und nach mein Äusserliches nicht mehr der Gesellschaft, sondern meinen Gefühlen anpasse, wurde mir beim Jahreswechsel auf 2007 bewusst, dass dies ein sehr besonderes Jahr in meinem Leben werden würde. So bin ich nun mitten drin, mein Leben neu zu arrangieren. Dass ich etwas ändern muss ist mir klar, denn wenn ich so weitermache wie bisher würde es – insbesondere da ich mir nun des Problems absolut bewusst bin – noch schwerer als bisher und ich würde Gesundheitlich und vor allem seelisch daran zugrunde gehen. Das Wichtigste was ich daran gelernt habe ist, dass ich endlich mich selbst sein muss und nicht Rücksicht nehmen darf darauf, so zu sein wie man es von mir erwartet. Würde ich weiterhin so leben, würde ich niemandem und schon gar nicht mir selbst einen Gefallen tun. Transsexualität ist eine von der Wissenschaft anerkannte Krankheit deren Ursache aber immer noch nicht erforscht ist, wie das auch bei der Homosexualität der Fall ist, aber mit dieser in keinem Zusammenhang steht (!). Worüber sich heute alle Fachleute einig sind ist aber, dass eine Heilung nicht über die Psyche erfolgen kann, da die Seele eines psychisch ansonsten gesunden Menschen (als welchen ich mich fühle und was mir meine Psychotherapeutin auch attestiert) in ihren innersten Empfindungen nicht geändert werden kann (solche Versuche endeten in der Vergangenheit meist im Suizid des betroffenen Menschen). Neuere Bestrebungen zielen darauf, die Transsexualität nicht mehr im Katalog der psychischen Erkrankungen, sondern in jenem körperlicher Geburtsgebrechen zu führen. Denn eine Linderung kann lediglich durch die Anpassung des Körpers an das gefühlte Geschlecht erfolgen, in welcher Hinsicht die Medizin in den letzten Jahren glücklicherweise bemerkenswerte Fortschritte erzielt hat. Absolut wichtig dabei ist aber die gesicherte Diagnose, dass es sich wirklich um Transsexualität handelt und die Person sich in einem ansonsten psychisch stabilen Zustand befindet. Inwiefern sich solche Schritte in meinem Fall als nötig erweisen ist im Moment Gegenstand der psychologischen Abklärung. Wichtig ist dabei, dass ich am Schluss einen für meine Seele akzeptablen Weg einschlagen kann. Immer mehr erlebe ich aber das starke Bewusstsein als weibliche Person im falschen Körper gefangen zu sein. Auf keinen Fall sehe ich mich als Mann, allenfalls als ein Wesen zwischen den Geschlechtern. Jedoch ist in mir, wie schon das ganze Leben lang erfahren, das Weibliche so viel stärker, dass ich mich heute am ehesten als transsexuelle Frau sehe. Leider ist in unserer westlichen Kultur, die wir allgemein für so fortgeschritten und aufgeschlossen halten, im Gegensatz zu manch anderer Kultur dieses Thema immer noch absolut tabuisiert und die Geschlechterrollen scheinen gnadenlos festgeschrieben zu sein, was Menschen wie mir das Leben nicht gerade einfach macht. Sogar Homosexualität wird in manchen Gegenden noch als anormal betrachtet, wobei dieses sogar bereits bei den alten Griechen fast gleichberechtigt zur Heterosexualität existierte. Angesichts der Tatsache, dass ich selbst, die sich zwangsläufig so intensiv damit auseinander gesetzt hat, Mühe hatte mir einzugestehen, dass es nun einmal so ist, verstehe ich es irgendwie, wenn meine Mitmenschen – welche weniger Zeit dazu haben sich damit auseinander zu setzen und sich damit abzufinden – sich schwer tun werden all dies einfach so zu verstehen. Ich hoffe aber sehnlichst, dass sie es zumindest versuchen werden. Glücklicherweise waren meine bisherigen Outings durchwegs sehr positiv und ich hoffe, dass ich weiterhin auf soviel Verständnis stosse, denn es macht den ansonsten schon sehr schwierigen Weg ein grosses Stück einfacher. Und das allerwichtigste: Ich bin immer noch die gleiche Person, nur jetzt mit der Aussicht endlich mit meinen Gefühlen ins Reine zu kommen und glücklich zu werden! Verfasst am 22.04.2007 |
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