Transgender.at Informationsverzeichniss |
EINIGE ASPEKTE ZUR
TRANSSEXUALITÄT
zwei Referate
von
Frau Dr. Hannelore Hoffmann - Born
und
Frau Dr. Inoszka Prehm
VORWORT
zur Veröffentlichung zweier Referate, gehalten
bei der TRANSIDENTITAS Fachtagung 1986.
Seit 1986 veranstaltete der Verein/die Selbsthilfegruppe
TRANSIDENTITAS jährlich eine Fachtagung. Bei der ersten Tagung
1986 referierten Frau Dr. Hoffmann-Born und Frau Dr. Prehm, beide
Frankfurt. Im TRANSIDENTITAS Archiv entdeckte ich nun diese
beiden Referate. Da ich sie für gute, nach wie vor gültige
Arbeiten halte, habe ich sie gerne für den Druck vorbereitet.
Ganz sicher können sie eine wertvolle Hilfe sein, können
Klarheit bringen und beantworten bestimmt viele Fragen. In diesem
Sinne seien sie hiermit den Mitgliedern von TRANSIDENTITAS
zugänglich gemacht.
Herzlichen Dank an Frau Dr. Hoffmann-Born und Frau Dr. Prehm, die
mir freundlichst ihre Einwilligung zur Veröffentlichung gaben.
Anita
Referat
von
Frau Dr. Hannelore Hoffmann - Born
Meine Damen und Herren,
ich möchte mich zunächst bei Ihnen vorstellen:
ich bin Ärztin und habe unter anderem eine vierjährige
Weiterbildung in den Fächern Psychiatrie und Neurologie an der
hiesigen Universität absolviert. Seit kurzem habe ich mich
privat niedergelassen, wobei ich vorwiegend gutachterlich tätig
bin.
Vor etwa zwei Jahren habe ich erstmals einen Gutachtenauftrag vom
Gericht bekommen, wobei es um die Personenstandsänderung bei
einem Transsexuellen ging. Seither beschäftige ich mich mit
diesem Problemkreis und habe neben den Informationen aus der
wissenschaftlichen Literatur vor allem durch die Betroffenen
selbst gelernt.
Ich habe mich entschlossen, vorwiegend über die Diagnostik und
Therapie der Transsexualität zu referieren, u.a. weil eine
genaue und korrekte Diagnosestellung von großer Wichtigkeit im
Hinblick auf eine eventuelle geschlechtskorrigierende Operation
ist.
Der Gedanke an die fatalen Folgen einer falschen Operation nach
einer Fehldiagnose ist im Hinblick auf den weiteren Leidensweg
der Betroffenen sicherlich erschreckend.
Nachdem erst vor ca. 30 Jahren eine Unterscheidung von
Transsexuellen und Transvestiten erfolgte und nachdem Anfang der
50-ziger Jahre die erste weltweit beachtete operative
Geschlechtsumwandlung erfolgte, erzielte BENJAMIN 1966 mit seinem
Buch über Transsexualität erstes spürbares ärztliches
Interesse.
Vor allem in den USA wurden seither für die Behandlung
Transsexueller Spezialkliniken eingerichtet, von denen es zur
Zeit wohl mehr als 60 gibt; in der Hälfte dieser Kliniken werden
auch genitalkorrigierende Operationen vorgenommen. Dieser
amerikanische Arzt Harry Benjamin war der erste Mediziner, der
herausfand, daß ein Transsexueller weder durch Überzeugung noch
durch Drohung, psychotherapeutische Behandlung oder gar durch
Elektroschocks dazu gebracht werden kann, seinen ursprünglichen
Körper zu akzeptieren.
Obwohl das Problem Transsexualität schon von Herodot, dem
Begründer der griechischen Geschichtsschreibung, erstmals
geschildert wurde, weiß man noch immer nichts über die
Ursachen.
Es gibt eine Fülle von Theorien biologischer und psychologischer
Art, aber sie können vieles nicht erklären. Außerdem kann die
akademische Debatte über die Ursachen der Transsexualität den
Betroffenen nicht weiter helfen. Die große Not der Betroffenen
läßt sich in Stichworten so beschreiben: Odysseen, vergebliche
Therapieversuche, lange Wege mit vielen Hemmschwellen,
persönliche Katastrophen, Diffamierungen, Demütigungen, Spott,
Mißverständnisse.
In der Bundesrepublik wird die Zahl der Transsexuellen auf ca.
5.000 geschätzt, und sicherlich ist es sinnvoll, für sie
spezielle Einrichtungen mit der Möglichkeit der Diagnostik und
Therapie einzurichten. In diesem Zusammenhang sind zwei Fragen
von wesentlichem Interesse:
1.Diagnose der Transsexualität.
2.Möglichkeiten der Behandlung.
Volkmar Sigusch aus der Abteilung für Sexualwissenschaft der
hiesigen Universitätsklinik hat 1980 einige Leitsymptome
zusammengestellt, die für die Diagnosestellung eine wertvolle
Hilfe sein können.
Ich gebe die Leitsymptome in gekürzter Form wieder; es ist
anzumerken, daß im Einzelfall nicht immer alle Kriterien
zusammentreffen, dennoch habe ich bei der Erhebung der
Vorgeschichten der Betroffenen häufig das Vorliegen zumindest
eines Teils der Symptome wieder gefunden.
1.Transsexuelle haben innere Gewißheit, dem Geschlecht
anzugehören, das ihnen körperlich nicht gegeben ist. Sie sind
davon überzeugt, im falschen Körper gefangen zu sein, ohne
jedoch die anatomisch-physiologischen Gegebenheiten des eigenen
Körpers zu verleugnen. Trotz erheblicher
Realitätsverfälschungen zeigen Transsexuelle normalerweise
(d.h. außerhalb von Krisensituationen) keine wirklich
psychotischen Symptome.
2.Abweichende körperliche Befunde kommen nicht häufiger und
nicht seltener vor als bei anderen seelischen Krankheiten.
3.Transsexuelle sind von dem Verlangen nach Geschlechtsumwandlung
besessen. Dieser Wunsch kann drang- und suchtartigen Charakter
annehmen und ist möglicherweise nie ganz zu stillen.
4.Auf die geschlechtsspezifischen Merkmale des eigenen Körpers
(z.B. Penis und Bartwuchs bzw. Brüste und Menstruation)
reagieren Transsexuelle mit Haß und Ekel.
5.Bereits in der Kindheit zeigen Transsexuelle Verhaltensweisen
und Empfindungen die gemeinhin dem anderen Geschlecht zugeordnet
werden (z.B. bei Mädchen ein besonders jungenhaftes Verhalten).
6.Das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts kommt oft schon
in der Kindheit vor und entwickelt sich zunehmend. Meist besteht
dabei keine sexuelle Erregung; das sogenannte cross dressing
dient zur Beruhigung. Daneben wird eine perfekte Imitation des
anderen Geschlechts angestrebt.
7.Oft scheint die erlebte Sexualität eine untergeordnete
Bedeutung zu haben (bis hin zur Asexualität).
8.Transsexuelle zeigen in der Regel eine starke Abwehr und
Ablehnung der Homosexualität gegenüber und empfinden sich als
heterosexuell.
9.Transsexuelle wirken im ärztlichen Gespräch oft kühl,
affektlos, starr, dranghaft besessen, eingeengt.
10.Psychotherapie wird abgelehnt- Kastration wird als natürliche
Maßnahme angesehen.
11.Zwischenmenschliche Beziehungen Transsexueller sind oftmals
gestört, möglicherweise weil Einfühlungsvermögen und
Bindungsfähigkeit reduziert sind. Transsexuelle neigen dazu,
andere zu idealisieren oder stark abzuwerten.
12.Wenn Transsexuelle den Eindruck haben, in ihrem Wunsch nach
Geschlechtswandel behindert oder nicht unterstützt zu werden,
reagieren sie oft gereizt, aggressiv bis hin zu schweren
Verstimmungen. Ernstzunehmende Suizidversuche und
Selbstverstümmelungen können vorkommen.
Einschränkend zu dem Gesagten möchte ich nochmals hervorheben,
daß die eben genannten Leitsymtome lediglich ein Hilfsmittel bei
der Diagnosestellung sein können, daß jedoch, wie Sie sicher
alle selbst wissen, der Einzelfall ganz anders aussehen kann.
Wenn man der Unterscheidung primärer und sekundärer
Transsexualität folgt, so scheint meiner Meinung nach, die
Gruppe der primären Transsexuellen kleiner zu sein als die der
sekundären.
Bei den primären Transsexuellen zieht sich der Wunsch nach
Geschlechtswandel und das Gefühl eigentlich dem anderen - dem
biologisch nicht gegebenen Geschlecht anzugehören -wie ein roter
Faden durch das ganze Leben. Bei diesen Betroffenen gibt es
keinen Moment, wo sie sich ernsthaft als Frau bzw. als Mann
fühlen und das gegengeschlechtliche Verhalten zeigt sich oft
schon in früher Kindheit.
Bei den sekundären Transsexuellen scheint sich die
Transsexualität auf einem primär transvestitischen Hintergrund
zu entwickeln, aus welchem heraus auch erotische Erregung durch
das Verkleiden resultieren, vielleicht auch mit homosexuellen
Erfahrungen und dem späteren Einsetzen des Wunsches, eine Frau
zu werden.
Auch ich habe mehrfach Betroffene gesehen, die man dieser Gruppe
einreihen könnte; zumindest war bei ihnen das
gegengeschlechtliche Verhalten später aufgetreten als bei den
sogenannten primären Transsexuellen. Einige berichten auch über
transvestitische Vorgeschichten.
Für das therapeutische Vorgehen ist stets die Frage maßgebend,
ob die Störung der geschlechtlichen Identität von Dauer ist und
damit irreversibel.
Nach Diagnosestellung einer Transsexualität (mit Abgrenzung
gegenüber Homosexualität, Transvestitismus und Psychosen) sind
einige Kriterien zu erfüllen, bevor eine geschlechtsumwandelnde
Operation durchgeführt werden kann. Vorbedingung zur Operation
sind Bestätigung der Diagnose Transsexualität durch ein
Gutachten. In diesem Gutachten sollte ausdrücklich
daraufhingewiesen werden, daß keine Homosexualität, kein
Transvestitismus besteht und daß eine Erkrankung aus dem
schizophrenen Formenkreis ausgeschlossen werden konnte. Neben
einer korrekten Diagnosestellung Transsexualität werden vor der
Operation gefordert: Alter über 18 Jahre; außerdem sollte die
Adoleszenz abgeschlossen sein. Desweiteren sollte eine
längerfristige ärztliche Beobachtung erfolgen, in der
festgestellt werden soll, daß die Anpassung an das erstrebte
Geschlecht wirklich eine emotionale Stabilisierung mit sich
bringt. Hier seien noch einige Beispiele für Kontraindikationen
erwähnt, also Gegebenheiten, bei denen die Operation nicht
durchgeführt werden sollte: Kriminelle Vergangenheit, Psychosen,
keine eindeutigen Diagnosen, bei Verheirateten fehlende
Zustimmung des Partners, mangelnde Intelligenz und Einsicht sowie
fehlende Bereitschaft zur Nachsorge.
Sicher würde es zu weit führen, wenn ich Ihnen im Einzelnen die
Techniken der geschlechtsanpassenden Operation nenne. Bei Mann zu
Frau Transsexualität wird zumeist eine
Mamma-Augmentationsplastik durchgeführt, sofern das
Brustwachstum nach Östrogengabe gering sein sollte. Am Genitale
wird nach Entfernung der Hoden und des Penis eine Scheide
geformt, desweiteren wird eine Vulva mit kleinen und großen
Schamlippen, eine Harnröhrenöffnung an typischer Stelle und
eine Klitoris geformt. Ganz kurz zu den Risiken und
Komplikationen: Bei der Brustprothese besteht die Gefahr einer
Verhärtung; es können Blutergüsse auftreten, selten kann es zu
Infektionen mit Abstoßungstendenz kommen. Bei den
Genitaloperationen gelten als mögliche Komplikationen: Blutarmut
durch Blutverlust, Gewebsuntergang, Entzündungen, Embolien,
Fistelbildung, kosmetisch unbefriedigende Ergebnisse, Verengungen
der Harnröhrenöffnung, (psychische Dekompensationen).
Bei der Frau-zu-Mann-Transsexualität ist sicherlich die
Schwierigkeit die Schaffung eines äußeren Genitale. Entfernung
von Eierstöcken, Gebärmutter und Scheide sowie die
Transformation der Brust stellen sicherlich kein operatives
Problem dar. Wahrscheinlich ist Ihnen allen bekannt, daß die
Bildung eines voll funktionstüchtigen Penis mit der Möglichkeit
der Versteifung, der notwendigen Sensibilität und einer
Harnröhrenmündung an der Spitze zur Zeit medizinisch nicht
möglich ist. Eine gewisse Ersatzlösung stellt die Bildung eines
Klitorispenoids dar, wobei die Möglichkeit des Urinierens im
Stehen geschaffen wird. Bei dieser Operation sind Komplikationen
möglich wie Fistelbildung und Stenosierungen, d.h. blockierende
Verengungen der Harnröhre.
Neben den Operationen gibt es für die Transsexuellen noch andere
Maßnahmen des Rollenwechsels die teilweise reversibel sind.
Damit meine ich auf der einen Seite den Rollenwechsel durch das
Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung, durch Änderung der Frisur
usw. EICHER sieht gerade in solchen Transsexuellen, die schon
länger in der anderen Rolle gelebt haben, gelernt haben damit
umzugehen, gute Kandidaten für die Operation, obwohl er
einräumt, daß ein sogenannter Alltagstest nicht immer möglich
ist.
Entscheidende und gewünschte Veränderungen des äußeren
Erscheinungsbildes werden durch die Hormongaben erzielt. Bei der
Mann-zu-Frau-Transsexualität werden in der Regel anfangs
zweiwöchentlich, später vierwöchentlich Hormoninjektionen
(Progynon-Depot) empfohlen. Der Effekt dieser Hormongaben steht
in einer Reduktion von Libido und Potenz. Neben einer zarten Haut
kommt es zu einer Auflockerung des Fettgewebes und einer
weiblichen Fettverteilung. Desweiteren kommt es zu einem
Brustwachstum sowie einer Vergrößerung und gesteigerten
Sensibilität der Brustwarzen. Außerdem werden die Hoden kleiner
und die Stimme verändert sich. Meist wird auch der Bartwuchs
weicher, es ist jedoch in fast allen Fällen eine Epilisierung
notwendig. Um bei den Frau-zu-Mann-Transsexuellen eine
Virilisierung zu erreichen, sind männliche Keimdrüsenhormone
(250 mg Testoviron alle 14 Tage) notwendig. Neben dem Ausbleiben
der Periodenblutung (Amenorrhoe) kommt es zu einer Funktionsruhe
der Gebärmutterschleimhaut, der Scheidenschleimhaut und der
Eierstöcke. Desweiteren zeigt sich bald eine vermehrte Behaarung
im Sinne eines Hirsutismus. Veränderungen der Stimme wie
Heiserkeit und Stimmbruch treten meist einige Zeit danach auf.
Später kommt es zu Bartwuchs, der sehr unterschiedlich
ausgeprägt sein kann. Neben einer Zunahme der Muskulatur bewirkt
die Androgentherapie eine Vergrößerung der Klitoris. Ich
möchte noch kurz darauf hinweisen, daß auch die Hormongabe erst
nach erfolgter Diagnose einer Transsexualität eingeleitet werden
sollte, da dadurch bewirkte Veränderungen teilweise nicht mehr
rückgängig zu machen sind.
Nach Östrogenbehandlung kommt es z.B. zu einer Verkleinerung und
Veränderung der Hoden, die Zeugungsunfähigkeit nach sich zieht.
Falls ein bedeutsames Brustwachstum durch Hormone aufgetreten
ist, ließe sich dies nur operativ wieder entfernen. Der durch
männliche Hormone ausgelöste Stimmbruch läßt sich ebenso wie
die vermehrte Behaarung nur schwer rückgängig machen.
Obwohl ich desöfteren von Betroffenen gehört habe, daß sie die
hormonelle Behandlung auf eigene Faust begonnen haben und die
Hormone auf dem schwarzen Markt erhalten haben, halte ich dies
für schlecht und risikoreich für die Betroffenen.
Abgesehen von der Kenntnis und dem Umgehen mit den Nebenwirkungen
- besonders bei evtl. Vorerkrankungen sollte die Hormonbehandlung
erst nach sicherer Diagnosestellung erfolgen. Andernfalls ist es
durch aus denkbar, daß Personen mit gestörter geschlechtlicher
Identität, die keine Transsexuellen sind, zu falschen
Transsexuellen gemacht werden, bei denen dann eine evtl. spätere
Operation schwerwiegende negative Folgen hätte.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch einige Bemerkungen zur
juristischen Situation und zur Frage der Begutachtung
Transsexueller machen. Am 10. September 1980 hat der Deutsche
Bundestag ein Gesetz über die Änderung der Vornamen und der
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(TSG) beschlossen. Es trat am 1.1.1981 in Kraft.
Dieses Gesetz sieht eine sogenannte "kleine Lösung"
mit Änderung des Vornamens und die sogenannte "große
Lösung" - damit ist die Personenstandsänderung gemeint -
vor. Es gibt mehrere Voraussetzungen für die Änderung der
Vornamen. Die Person muß sich aufgrund der transsexuellen
Prägung dem entgegengesetzten Geschlecht als zugehörig
empfinden. Sie muß mindestens drei Jahre unter dem Zwang stehen
ihren Vorstellungen entsprechend zu leben. (Dabei wird auf eine
innere Tatsache Bezug genommen. Es ist nicht zulässig zu
verlangen, daß die Person drei Jahre lang entsprechend ihren
Vorstellungen gelebt hat).
Es muß mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, daß sich
das Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Geschlecht nicht mehr
ändern wird. Schließlich muß der Betroffene mindestens 25
Jahre alt sein. Das Gericht kann einem Antrag nur stattgeben,
wenn ein Gutachten von zwei Sachverständigen, die ausreichend
vertraut sind mit der Problematik der Transsexualität, eingeholt
worden sind. Bei der sogenannten großen Lösung ist neben dem
Gesagten noch gefordert, daß die Person nicht oder nicht mehr
verheiratet ist und sich eine ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale
verändernden Operation unterzogen hatte. Die Altersgrenze gilt
hier nicht.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe Ihre Geduld nun
ausreichend strapaziert.
In der Vorstellung, daß ich von Ihnen sicher viel lernen kann,
freue ich mich auf die anschließende Diskussion.
Danke.
Dr. med. H . Hoffmann-Born
Referat
von
Frau Dr. Inoszka Prehm
Meine Damen und Herren,
vor Ihnen sitzt ein Mensch, der trotz eines Publizistikstudiums
keinerlei Übung hat, vor einer Zuhörerschaft zu referieren.
Lieber spitze ich meine Feder an, um das, was ich unter die Leute
bringen will, nieder zu schreiben. Obwohl dann manchmal lange
mein Lämpchen glüht, glühe ich dann vor Lampenfieber wie
jetzt.
Sie verzeihen, wenn ich mit meinen Augen am Blatt klebe, um Ihnen
mündlich hoffentlich für Sie Brauchbares mitzuteilen.
In Psychologie habe ich kein Diplom, ich bin auch keine Ärztin,
aber ich betrieb und betreibe Sexualforschung und bekam am 4.5.83
die Anerkennung des BPP, eines Berufsverbandes für Psychologen.
Seit ca. 10 Jahren praktiziere ich frei. In meine Praxis kommen
immer wieder Transsexuelle, Transvestiten , aber auch andere,
doch heute geht es um Transvestiten, Transsexuelle und
Hermaphroditen.
Wie Sie wissen, ist in den meisten Fällen der Transvestit ein
männlicher Mensch, der weibliche Kleidung trägt, um seinen
männlichen Sexualtrieb zu befriedigen, oder er lebt temporär in
der weiblichen Rolle.
Dafür gibt es viele Gründe, z.B.:
1.ein Mann lebt in einer sozial zu stark männlich orientierten
Rolle, die zuviel Härte von ihm verlangt. Ihm ist es nur
möglich, in der weiblichen Rolle zu entspannen und seine
femininen Seiten zuzulassen. So eine Art Verschnaufpause im
harten Leben.
2.er ist homosexuell geprägt, und um sich einen Mann seiner Wahl
(eventuell einem heterosexuellen) attraktiver zu machen,
schlüpft er in die Frauenrolle. Meist sind diese Männer zart
besaitet. Es handelt sich keinesfalls bei ihnen um den
sprichwörtlichen Wolf im Schafsfell.
3.er ist Masochist und begibt sich in die weibliche Rolle, weil
diese eher Unterwerfung symbolisiert.
4.er ist sexuell auf sich fixiert und gleichzeitig stark
heterosexuell orientiert ,was ihn veranlaßt, sich selbst in der
weiblichen Kleidung und Habitus zu freien. Der Unterschied von
Mann und Frau ist für ihn sehr reizvoll, und auf diese Weise
lebt er seinen Narzißmus aus. Er verkörpert in sich die
gesuchte Frau.
5.der starke Wunsch der Eltern, ein Mädchen zu gebären,
beeinflußt ihn soweit, daß er teilweise die weibliche Rolle
lebt (dieser Grund ist auch häufig bei Transsexuellen gegeben,
doch dazu später).
6.Fetischismus, wobei den Fetisch die weibliche Kleidung
ausmacht. Es wird meist vergessen, daß es auch Transvestitinnen
gibt, weil sie gesellschaftlich weniger stigmatisiert
(verurteilt) sind. Während ein Mann in weiblicher Kleidung als
lächerlich gilt, wird einer Frau das männliche Prinzip, das
soviel höher bewertet ist, das sich in der Kleidung der
Transvestiten ausdrückt, eher zugestanden. Sie verkörpert ja
damit Stärke. Ein weiterer Grund ist, daß die Sexualität einer
Frau weniger ernst genommen wird, und die scheinbare Toleranz ist
im Grunde nur Ignoranz.
Bei Frauen ist der Transvestitismus öfter als bei Männern an
Homosexualität gekoppelt. Sie verkörpert oft (aber nicht immer)
den dominanten Part. Manche sind aber in ihrer lesbischen
Beziehung passiv und weich. Sehr häufig verbirgt sich hinter der
männlichen Fassade ein sehr verletzlicher, schutzsuchender
weiblicher Mensch, den dieser in der Kleidung findet.
Auch in der sadomasochistischen Szene ist die Transvestitin
anzutreffen, die mit ihrer Rolle Herrschaft und Dominanz
symbolisiert, aber wie bei den weiblichen Homosexuellen ist
manche Transvestitin in der Partnerschaft die Masochistin, die
sich Hingebende.
Die Zusammenkünfte von Gleichbetroffenen halte ich für einen
Lebensquell, denn nichts gedeiht gut, was im Verborgenen blüht,
und schon in der Bibel ist zu lesen: Es ist nicht gut, daß der
Mensch allein sei.
Auf diese Maxime hat jeder/jede ein Recht, ob betroffen oder
nicht.
Mir sind schon sehr vereinsamte Autoerotiker
(Sich-selbst-Befriedigende) und Fetischisten begegnet.
Der Mensch lebt nicht von Brot allein, und Sexualität allein
führt meist zu keinem glücklichen und erfüllten Leben.
Auch partnerbezogene Transvestiten, die beruflich ausgefüllt
sind, sollten m.E. soziale Kontakte zu Gleichbetroffenen ab und
an pflegen, weil für sie im Grunde das gleiche gilt wie bei den
Vorhergenannten.
Transvestiten und Transsexuelle haben etwas gemeinsam: die wollen
so perfekt wie möglich die Rolle verkörpern, die ihnen aus
biologischen Gründen nicht zugestanden wird.
Es gibt Transvestiten, die sich dann sehr wohl fühlen, wenn sie
so echt in der Rolle des Gegengeschlechts sind, daß sie als
weiblich identifiziert werden. Bei manchen von ihnen handelt es
sich um Transsexuelle, die sich als solche noch nicht erkannt
haben.
Andere hingegen verspüren große Freude daran, sich in
verblüffender Echtheit der Menschheit als Frau zu präsentieren,
um dann, wenn es keiner vermutet, charmant den Rock zu heben, um
so die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Wie auch immer, die Kleidung ist ein sehr wesentlicher Punkt,
weil sie eben das symbolisiert, was im Wesen des Betroffenen
liegt, genau wie bei den Transsexuellen, aber dazu kommen wir
gleich.
Schon Gottfried Keller wußte: Kleider machen Leute; wie aber
macht frau/man es, wenn sie/er die Kleidung des Gegengeschlechts
bzw. des biologischen Gegengeschlechts begehrt?
Eine bewährte und diskrete "Quelle" sind
Versandhäuser, obwohl es nicht immer "Quelle" sein
muß. (Ich will mich nicht der Schleichwerbung verdächtig
machen.) Selbstsichere Personen, deren häusliche und berufliche
Verhältnisse es zulassen, gehen selbst in Warenhäuser und
Boutiquen. Entweder erzählen sie das Märchen von der
gleichgroßen Schwester, Freundin oder Frau, oder in der
begehrten Rolle probieren sie teils unerkannt neue
Kleidungsstücke.
Ein übergroßes Problem können die Übergrößen sein.
Vereinzelt gibt es auch Geschäfte oder Versandhäuser mit
derartigen Textilien, auch Schuhwerk - in Frankfurt das Schuhhaus
Sauer. Noch nie kam mir zu Ohren, daß das Personal sauer war,
wenn Transvestiten oder Transsexuelle einen Teil der Kundschaft
ausmachten. Nomen est (nicht immer) omen (Name ist nicht immer
Omen!). Also bin ich doch der Versuchung der Schleichwerbung
erlegen. Ein Transsexueller ist ein biologisch männlicher oder
weiblicher Mensch, der sich total mit dem Gegengeschlecht
identifiziert. Oft, aber nicht immer, hat er/sie das Verhalten
des Identitätsgeschlechts als wäre es in die Wiege gelegt,
während sich einige trotz der Verhaltensmuster des biologischen
Geschlechts mit dem Gegengeschlecht voll identifizieren. Auch bei
Nichtbetroffenen trifft man ja solche Menschen. Transvestiten und
Transsexuelle, auch Hermaphroditen unterscheiden sich nicht von
den sogenannten Normalen, außer daß sie die Eigenschaft des
Transvestitismus, der Transsexualität oder des Hermaphroditismus
aufweisen.
Alle Formen der Weiblichkeit, so Dr. med. Norbert Boller vom
Institut für Sexualforschung an der Universität Frankfurt,
trifft man auch bei Transsexuellen an. Transsexuelle
unterscheiden sich von Homosexuellen, Transvestiten (obwohl
manche zu Beginn der Feststellung, daß ,,etwas nicht
stimmt", wie schon erwähnt, eine transvestitische Phase
durchmachen) und Psychotikern und sind auch von diesen aus
fachlicher Sicht auszugrenzen. Meist gipfelt Transsexualität
nach dem Geschlechtsrollenwechsel und der Behandlung mit Hormonen
des biologischen Gegengeschlechts in der geschlechtsverändernden
Operation, obwohl es bei Gott nicht der Gipfel ist, wie manche
Menschen empört feststellen. Es wäre eher der Gipfel, wenn auf
diese Weise geholfen werden kann (eine andere Methode gibt es bis
jetzt nicht), und die Hilfe wird versagt. Manche der Betroffenen
hätten gern schon vor dem Geschlechtsrollenwechsel die
Operation, aber dazu ist aus meiner Sicht nicht zu raten, denn
a.) haben Transsexuelle nach dem Alltagstest (dem
Versuch in der neuen Rolle zu leben) den Rückmarsch in die alte
Rolle angetreten, warum auch immer (es würde zu weit führen,
hierfür die Gründe auf zuzählen).
b.) hat es schon zu schweren seelischen Verstimmungen geführt,
wenn nach der Operation die Patienten geschwächt sind und sich
jetzt mit den vielfältigen Fragen beschäftigen müssen, die
sonst schon während des Alltagstests hätten beantwortet werden
können.
Es gibt auch vereinzelte Fälle der nicht chirurgischen
Transsexualität. Sie leben als "Frau mit männlichen
Merkmalen", wie eine berühmte Betroffene in einem Interview
äußerte.
Man schätzt, daß in der BRD 3000 - 6000 Transsexuelle leben.
Die Menge der Transvestiten läßt sich wegen der hohen
Dunkelziffer schwer schätzen, aber meiner Ansicht nach liegt sie
wesentlich höher als die der Transsexuellen.
Zur Geschichte: Schon in der Antike gab es Hinweise auf
Transsexualität. In altrömischen und anderen historischen
Berichten tauchen Transsexuelle auf. "Diese...ethnologischen
Beobachtungen zeigen uns, daß das Phänomen zu allen Zeiten der
Menschheit und in den unterschiedlichsten Kulturgruppen
existierte und es sich nicht etwa um eine heutige Modeerscheinung
handelt", so schrieb Herr Prof. Dr. med. Wolf Eicher in
seinem ausgezeichneten und umfassenden Buch
"Transsexualismus", das mir immer wieder eine Stütze
bei meiner Arbeit mit Betroffenen ist.
Schon 1930 hatte ein Dresdener Gynäkologe den dänischen Maler
namens Andreas Sparre mit Künstlerpseudonym Einar Wegener durch
die damals überaus kühne Operation zur Frau gemacht. Bei einer
zweiten Nachoperation starb die Patientin.
1931 ist es dem Nobelpreisträger Prof. Dr. med. Butenand
gelungen, Östrogene künstlich herzustellen. Erstmalig
gelang die Operation bei Kristina Jorgensen (1926-1989) , die
durch zahlreiche Presseberichte bei den Betroffenen in aller
Munde ist.
Früher ordnete man Transsexualität der Homosexualität oder dem
Transvestitismus zu, weil man es nicht besser wußte. Der Arzt
und Sexualforscher Dr. Magnus Hirschfeld prägte den Begriff der
Transsexualität. Es scheint so als gäbe es jetzt mehr
Transsexuelle als früher, aber vermutlich tauchten sie früher
nur unter, während sie heute von ihrem Recht Gebrauch machen,
welches am 10.9.1981 in Kraft trat, und zwar das
Transsexuellengesetz, dessen "kleine Lösung" die
Änderung des Vornamens gestattet (jedoch keinen
Antragstellern/-innen unter 25 Jahren), obwohl juristisch das
biologische Geschlecht relevant bleibt. Die Arbeitspapiere und
Ausweise werden auf den neuen Vornamen ausgestellt.
Diese Regelung soll den "Alltagstest" ohne
Diskriminierung ermöglichen, obwohl dieser dennoch manche daran
erinnert, wie es war, als einer auszog, das Gruseln zu lernen.
Diese Änderung läßt sich rückgängig machen für den Fall,
daß sich für die alte Rolle entschieden wird, nämlich dann,
wenn nach der kleinen Lösung das große Erwachen kommt.
Die "große Lösung" ermöglicht neben der Änderung
des Vornamens auch die Umschreibung des Geschlechts im
Geburtsregister. Diese Lösung ist nach der
geschlechtsverändernden chirurgischen Maßnahme möglich. In
diesem Fall sind alle Behörden und Arbeitgeber dazu
verpflichtet, nachträglich alle Zeugnisse und Papiere
umzuschreiben.
Trotz des Gesetzes gibt es immer wieder Schwierigkeiten mit
Krankenkassen wegen der Kostenübernahme der Hormonbehandlung und
der Operation, die oft vor dem Sozialgericht eingeklagt werden
muß.
Für die Patienten ist die Wahl des Operateurs von großer
Bedeutung:
a.) wegen des persönlichen Vertrauens und
b.) wegen der Technik, weil ein Arzt mehr Wert auf die
Modellierung einer Klitoris legt, während manche in die Tiefe
gehen, um eine längere Vagina zu modellieren.
Bei den Frau-zu-Mann-Transsexuellen steht die Frage offen, ob ein
Penis modelliert werden soll, obwohl die Technik noch
unvollkommen ist, oder ob die Klitorisvergrößerung begehrt wird
oder/und die Entfernung des weiblichen Brustmuskels. Während die
Operation von Mann zu Frau schon fast zur Routine geworden ist,
ist sie von Frau zu Mann noch Stückwerk. Auch das biologisch
weibliche Geschlecht ist mal wieder im Nachteil, denn ein Penis
läßt sich nicht aus den Rippen schneiden! (Es wurde erfolglos
probiert.)
Meine Erfahrung zeigt mir, daß jeder Weg einer/s Betroffenen
individuell ist, auch in medizinischen und Behördendingen. Es
gibt weder ein Patentrezept, noch eine Gebrauchsanweisung,
sondern nur Richtlinien. Jeder Weg ist ein Puzzle für sich.
Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen, Sexualforscher und
Endokrinologen (Hormonspezialisten) haben bisher keine andere
Methode gefunden, Transsexuellen zu helfen als durch Integration
in die biologisch entgegengesetzte Rolle und dazu entsprechende
medizinische Maßnahmen. Der bekannte Sexualforscher Prof. Dr.
med. Volkmar Sigusch von der Universität Frankfurt äußerte
schon vor Jahren: "Transsexuelle sind Frauen, auch ohne
Operation". Wie entsteht Transsexualität? Nichts
Genaues weiß man nicht! Es gibt verschiedene Vermutungen:
1.) durch einen Hormonschock während der Schwangerschaft,
2.) durch den speziellen Kinderwunsch (es muß ein Junge/
Mädchen sein) der Eltern oder eines Elternteils,
3.) durch eine lebensverneinende Einstellung allgemein oder dem
Kind gegenüber,
4.) durch die Familienstruktur (schwacher Vater: es lohnt sich
nicht, ein Mann zu sein, oder starke Mutter: nur als Frau kann
ich überleben) und/oder
5.) durch Nichtablösung des Sohnes von der Mutter in der
vorödipalen Phase (ich bin mit meiner Mutter so verschmolzen,
daß ich ihres Geschlechts bin).
Sofern nicht der Wunsch dazu besteht oder ein Patient dazu nicht
motiviert werden kann, und das ist meistens so, sollte nicht in
einer jahrzehntelangen und schmerzhaften Psychotherapie mit
psychologischen Finessen versucht werden, sein Begehren zu
untergraben, wofür der/die Betroffene ein halbes Leben opfert,
nicht nur materiell. Wer hätte das Recht, so etwas zu verlangen?
Als Psychopolizei möchte ich mich nicht verstanden wissen! Aber
ich spreche mich ganz klar für eine psychologische Vorbereitung
aus, die ich ebenso notwendig finde wie die medizinischen und
gesetzlichen Maßnahmen. Nicht umsonst sind es trotz der
günstigeren Gesetzgebung immer noch genug, die ins Nachtleben,
in die Prostitution oder/und die Sucht abgleiten. In solch einer
Vorbereitung soll der Mensch nicht geändert werden, sondern
er/sie soll die Hintergründe seiner/ihrer Wünsche, Träume und
Handlungen erkennen, denn nur wenn Licht ins Dunkel gebracht
wird, ist eine freie Entscheidung für den Menschen möglich.
Er/sie ist nicht mehr getrieben von Ängsten, Zwängen,
Depressionen usw., die ihn/sie in andere Entscheidungen und
Handlungen treiben. Außerdem ist das Päckchen, das ein
Betroffener zu tragen hat, schwer genug, dazu sollte die Last von
Verdrängungen nicht auch noch getragen werden.
Ich habe in meiner Arbeit erfahren, daß diejenigen, die ihre
Seele genau durchleuchtet haben, ob durch Psychotherapie,
Meditation oder/und Selbsterfahrung, obwohl sie dadurch nicht
erleuchtet wurden, ein zufriedeneres "neues Leben"
führen als jene, die ihr Leben auf eine Karte setzen, und zwar
auf die Operation.
Ich will daraus kein Dogma machen, sonst werde ich noch der
Schleichwerbung für Psychotherapie beschuldigt, aber die Tendenz
zeigt es an. Die körperlichen Veränderungen auf Grund der
hormonellen und chirurgischen Maßnahmen wirken sich u.U.
psychisch aus.
Die Hormonbehandlung kann zu Depressionen und Aggressionen, aber
auch zu Leberstörungen und Venenerkrankungen führen, sowie zu
anderen, auch sexuellen Körperreaktionen und -empfindungen, auch
Frigidität. Der chirurgische Eingriff erfordert eine
körperliche Umstellung hinsichtlich der Körperhygiene, des
Urinierens und der Sexualität. Oft werden auch Zweit- und
Drittoperationen notwendig, z.B. bei zu kurzer oder zu enger
Vagina, zu dicken Schamlippen, Fisteln im Darm, Brustkorrekturen
usw.
In diesen Fällen ist ein Austausch von Erfahrungen der
Betroffenen optimal.
Das veranlaßte mich dazu, einmal monatlich eine Gruppensitzung
mit Transsexuellen durchzuführen.
Man könnte sagen, daß Transsexuelle Hermaphroditen sind,
solange sie noch nicht operiert wurden, denn ihre Seele ist ganz
weiblich oder männlich, und der Körper ist bis auf Ausnahmen
ganz männlich oder weiblich.
Und damit sind wir beim Thema Hermaphroditismus. Als Hermaphrodit
bezeichnen wir im biologischen Sinn ein zweigeschlechtliches
Wesen, d.h. mit männlichen und weiblichen Keimdrüsen
ausgestattet. Hier ist vom echten Hermaphroditismus die Rede.
Eine alte griechische Sage erzählt vom Sohn der Aphrodite und
des Hermes, der dem Zauber einer Quellnymphe erlag und sich mit
ihr zu einem zweigeschlechtlichen Wesen vereinigte.
Von Hermaphroditos wurde "Hermaphrodit" abgeleitet. Man
spricht auch vom "Zwitter"; zwi = zwei im
Althochdeutschen, obwohl es sich wirklich nicht um zwielichtige
Gestalten handelt.
Der sogenannte echte Zwitter kommt selten vor. Den Scheinzwitter
oder Pseudo-Hermaphroditen gibt es öfter. Er ist mit den
Keimdrüsen nur eines Geschlechts ausgestattet, weist aber auch
andere Merkmale des anderen auf. Medizinisch wird dieser auch als
"Intersex" bezeichnet. Bei Hermaphroditismus oder
Intersexualität gibt es seit langem die gesetzliche Regelung zur
Kostenübernahme von Hormonbehandlungen und
geschlechtsangleichenden Operationen sowie Änderung des
Vornamens und des Eintrags ins Geburtenregister, aber nicht alle
derart Betoffenen beanspruchen diese Maßnahmen.
Auch hier gibt es in gewisser Weise Transsexualität, wenn das
Identitätsgeschlecht dem körperlich dominierenden
entgegensteht. Diese Form der Transsexualität ist
gesellschaftlich eher akzeptiert.
Der Wunsch nach einer geschlechtsanpassenden Operation wird durch
unklare oder ambivalente Haltung der Eltern (du bist ja kein
richtiger/s Junge/Mädchen) hervorgerufen, weil das Kind dadurch
emotional an einen Irrtum der Geschlechtszuweisung glaubt. Ein
weiterer Anlaß ist, daß Haß, Hänseleien, Erstaunen und
Zweifel bei Altersgenossen von Kindern durch uneindeutige
Geschlechtsmerkmale provoziert werden, was dann ebenso den Drang
nach einer chirurgischen Korrektur auslösen kann. Nur
selten ist es sinnvoll, wenn sich noch keine
Geschlechtsidentität entwickelt hat, dem Individium zur
Identität mit der Rolle des Geschlechts zu verhelfen, das ihm
die Fähigkeit zum Geschlechtsverkehr und zur Fruchtbarkeit
erhält.
Die beste Regelung ist, keinem Kind nach dem Laufenlernen einen
Geschlechtswechsel a priori aufzuzwingen. Jeder Fall sollte
individuell untersucht und die Entscheidung so getroffen werden,
wie es für das Kind am besten ist.
Auch im späteren Stadium sollte niemand außer dem/der
Betroffenen selbst auf einer Geschlechtsrolle bestehen. Die
Ursache für Hermaphroditismus oder Intersexualität liegt im
hormonellen Bereich, z.B. durch nicht richtig arbeitende
Nebennieren, Resistenz des Körpers gegen Androgene (männliche
Hormone) oder starke Androgenproduktion der Mutter während der
Schwangerschaft.
Hermaphroditismus und Intersexualität sind so alt wie die
Menschheit selbst. Es gab und gibt Kulturen, in denen die
Menschen als göttliche Wesen geehrt werden, dagegen wird der
Transvestitismus in der Bibel als verabscheuungswürdig
dargestellt, weil er einst dazu diente, religiöskultische
Verfremdungen des monotheistischen Jahweglaubens abzuwehren. Mit
Abwehr hat es aber nichts zu tun, wenn ich ab und zu spitzzüngig
werde. Die Spitzen richten sich nie gegen die Betroffenen,
sondern der Grund dafür ist, daß es mir sehr nah geht, welchen
Mißverständnissen und Vorurteilen Betroffene auch heute noch
ausgesetzt sind.
Logischerweise muß es mir dann fernliegen, diesen Menschen zu
nah treten zu wollen.
Zum Schluß noch eine kleine Überraschung:
Man mutmaßt, daß hinter dem mysteriösen Lächeln der Mona Lisa
ein Geheimnis steckt, nämlich, daß sie gar keine Frau war...
Ich danke Ihnen für's Zuhören !
Inoszka Prehm
Quelle: Transidentitas |