Und es geht doch!

Bericht über eine wunderberare Erfahrung

 

Ich war ja schon öfter abends unterwegs. Aber immer allein und heimlich, wie die meisten von euch das ja kennen. Ich hatte in den letzten Tagen davor immer wieder regen E-Mail Kontakt, und einer der Herren machte in der Tat einen sehr seriösen und angenehmen Eindruck. Ich nahm also allen Mut zusammen und verabredete mich mit ihm. Wir vereinbarten den Treffpunkt im 19. Bezirk, vor einem Bierlokal auf der Heiligenstädterstraße, gleich in der Nähe vom Bahnhof Nussdorf.

Ich war natürlich außerordentlich aufgeregt vor diesem ersten, offiziellen Treffen. Dementsprechend viel Mühe gab ich mir auch mich zurecht zu machen. Ein neuer Rock, neue Strümpfe, ein neuer Jackett, sogar eine neue Handtasche habe ich mir geleistet und auch meinen Make-up – Bestand habe ich gründlich aufgestockt.

Wir waren um 20:00 verabredet und ich habe bereit um halb vier Uhr nachmittags mit den Vorbereitungen begonnen. Baden, Make-up, Fingernägel und was halt alles so dazu gehört. Um Viertel nach sieben stieg in dann schon ins Auto und fuhr los, ich wollte jedenfalls rechtzeitig sein und war mir nicht ganz sicher, ob ich den Treffpunkt auch auf Anhieb finden würde.

Es war leicht zu finden, und so war ich zu früh dran und entschloss mich noch einen kleinen Spaziergang in Nussdorf zu machen. Ich schlenderte also so durch die Gegend, sah mir die wenigen Auslagen an. Fünf vor Acht machte ich Kehrt um zum Treffpunkt zurück zu gehen. Plötzlich spürte ich ein  leichtes Schnalzen am Oberschenkel und meine Hand tastete durch den Rock ein loses Straps-Band. Scheiße – dachte ich, was jetzt!?

Die Not macht nicht nur erfinderisch, sondern auch mutig. Also bog ich in einen beleuchteten Hauseingang ab, der nicht allzu einsichtig war. Hoch den Rock, und dann das durch die Nervosität gesteigerte Gefummel. Der Kampf des Verschlusses mit meinen langen Fingernägeln beanspruchte meine Aufmerksamkeit so, dass ich es nicht bemerkte wie eine Gruppe junger Männer vorbeikam. Ich erschrak zu Tode, als sie zu mir herpfiffen und einige anzüglich Bemerkungen losließen.  Zum Glück gingen sie aber weiter. Ich war zur Salzsäule erstarrt. Aber schnell löste sich der Krampf und ich dachte, dass es doch eigentlich ein Kompliment ist, und offensichtlich meine Erscheinung Stand hält.

Endlich hatte ich den Strumpf wieder befestigt. Ich ging zum Treffpunkt und wartete etwas abseits des Lokaleinganges und rauchte eine Zigarette. Wenn mann als Frau so am Straßenrand steht und wartet, das ist schon ein komisches Gefühl, ganz anders als wenn man sich bewegt, spaziert. Da kommen einem angelernte Assoziationen hoch. Ich muss zugeben, dass ich auch so bin, die meisten Männer drehen sich nach einer Frau um, die am Straßenrand steht – oder? Und sie wollen sich über deren (mögliche) Absichten klar werden. Für eine Frau, so weiß ich jetzt, die in der Tat nur auf jemanden wartet, ist dieses Gefühl nicht gerade angenehm, und so trat ich ein wenig zurück, um dem Licht der Straßenlaterne zu entgehen.

Es war mittlerweile 10 nach Acht und ich fragte mich bereits, ob das nicht alles ein Schwindel war, wollte die Flinte aber noch nicht ins Korn werfen. Und gut hatte ich daran getan. Ein Stück von mir entfernt parkte ein Wagen, aber es stieg niemand aus. Ich kombinierte – vielleicht war er das und sah mich nicht? Also ging den Gehsteig entlang, natürlich unauffällig, und postierte mich so, dass der Fahrer des Wagens mich gut sehen konnte. Bingo!

Er stieg aus und kam zu mir, und sprach mich mit einem fragenden Unterton an - ob ich denn Tina sei. Er machte auch in Real einen sehr netten und sympathischen Eindruck. Er musterte mich von oben bis unten, nickte anerkennend, was mich sehr freute. Dann fragte er, ob wir nicht in das Lokal gehen wollten, um was zu trinken. Ich entgegnete, dass ich mir nicht sicher sei, noch nie als Frau in einem Lokal war und nicht wisse, ob ich denn dort in aller Helligkeit auffallen würde. Er beruhigte mich und gestand, dass auch er mich für eine Frau halten würde, wenn er es nicht besser wüsste. Das war nun wirklich sehr schön für mich und die Gedanken schossen durch meinen Kopf. Warum nicht, worauf willst du noch warten? Also willigte ich ein.

Als wir zum Eingang des Lokals kamen, ging mir alles durch den Kopf, was ich mir im Laufe der Jahre angelernt hatte, wie Frauen gehen, wie sie sprechen, wie sie sitzen, trinken, rauchen, lachen. Er ging vor und suchte einen Tisch am hintersten Ende des Gastraumes aus. Also, – quer durch das Lokal! Stress. Ich konzentrierte mich auf meinen Gang und darauf nicht zu stolpern. Das Lokal war zwar noch nicht voll, aber durchaus gut besucht. Niemand nahm außergewöhnlich Notiz von mir, nur die Blicke einiger Männer musterten meine Beine. Endlich saßen wir!

Dann entwickelte sich ein überaus unterhaltsamer und netter Abend. Für ihn war es das erste Mal, und für mich auch. Ich glaube uns war die gegenseitige Anwesenheit ganz einfach sehr angenehm. Wir redeten zuerst über mich und meine Leidenschaft, dann über ihn, seinen Beruf, was ihm an Frauen wie uns gefällt. Was ich besonders schätzte, war, dass er in keinem Moment anzüglich wurde, und sich von Minute zu Minute die Gewissheit steigerte, dass ich einem Mann gegenübersaß, der nicht bloß auf ein etwas anderes Sex-Abenteuer aus ist, nein ganz im Gegenteil, ich hatte das Gefühl es sogar mit einem waschechten und ausschließlichen Hetero zu tun hatte, der schlichtweg Neugier und Bewunderung Damen wie uns gegenüber hatte. Dem war auch so. Wir saßen lange, plauderten viel und selbst meine Bestellung ging beim Kellner glatt als die einer Frau durch. Ein riesiger Stein fiel mir vom während dieser Zeit vom Herzen. Ich konnte mich als Frau frei bewegen! Es war kein Problem, nein sogar selbstverständlich, dass ich die Damentoilette aufsuchte!

Ich glaube es war halb elf – elf, als wir das Lokal verließen. Glücklich verabschiedete ich mich mit einem Bussi, das er lächelnd und gern erwiderte. Wir haben immer noch engen E-Mail Kontakt und werden uns hoffentlich bald mal wieder sehen.

Ich ging dann zurück zu meinem Wagen und fuhr vergnügt heimwärts. Ich war richtig beschwingt, aufgeregt und fröhlich, befreit – wunderbar. Und ich konnte von dem Gefühl nicht genug kriegen. Obwohl der Tank noch halb voll war, fuhr ich zu einer SB – Tankstelle und tankte. Auch kein Problem!

Ich beschloss über den Gürtel heimzufahren. Als ich zum Magaretengürtel kam wollte ich es abermals wissen. Ich parkte meinen Wagen in der Nähe der hell erleuchteten U-Bahnstation. Ich ging dorthin, kaufte einen Fahrschein, und ging hinunter. Ich fuhr mit der U-Bahn bis nach Hütteldorf, ohne dass irgendetwas gewesen wäre. Dort machte ich dann noch einen kleinen Spaziergang. Es war recht windig geworden an dem Abend und als ich zurück zum Bahnhof Hütteldorf kam, suchte ich nochmals die Damentoilette auf, um mein Make-up und meine Frisur aufzufrischen. Ich war gerade dabei mir die Lippen nachzuziehen, als eine andere Frau reinkam, sich freundlich an mir vorbeidrängte, aber überhaupt kein Anzeichen von Verwunderung oder sonst irgend einer ablehnenden Reaktion zeigte.

Auch der Kontrollor, der meinen Fahrschein auf der Rückfahrt kontrollierte, war ganz normal....

Geht ja, dachte ich glücklich, als ich dann endlich heimfuhr.

Und trotzdem wird es immer wieder etwas Aufregendes und Besonderes sein!

 

Eure Tina!

 

P.S.: Danke, lieber Peter, für diesen schönen Abend!