Transgender.at Informationsverzeichniss

Partnerinnen

Ein Leben mit Transvestitismus
oder
Transsexualität

Dr. Prehm

Vorwort zur 3. Auflage.


Das Sonderheft "PARTNERINNEN" war meine erste größere Arbeit für TRANSIDENTITAS. Es erschien erstmals im Juli 1989. Wer hätte gedacht, daß dieses Heft nach etwa vierzehn Monaten die dritte Auflage erlebt?
Frau Dr. Prehm und ich haben uns nochmals an die Arbeit gemacht und diesen TRANSIDENTITAS - Renner überarbeitet und erweitert.
Partnerschaft war und ist ein wichtiges Thema und Transvestitismus oder Transsexualität muß nicht das Ende einer Partnerschaft oder einer Ehe bedeuten.
Zu dem von mir ins Leben gerufenen und von Februar bis zum Dezember 1989 geleiteten "Samstagtreff" (an einem jeden ersten Samstag eines Monats), kamen von Anfang an auch Paare - also Betroffene mit ihren Ehefrauen/Lebenspartnerinnen.
In Gesprächen mit diesen Partnerinnen zeigten sich Uninformiertheit, Unsicherheit und Ängste.
Wie soll man das spezielle Problem einordnen, wie damit umgehen?
Der Ernst, die Verzweiflung und die Bereitschaft der Frauen - zu verstehen und zum Partner zu halten rührten mich tief. Auch die Partnerinnen sind ja - im wahrsten Sinne des Wortes - "Betroffene". Um diesen Frauen zu helfen, nahm ich diese nun vorliegend e Arbeit in Angriff.
Die Bedenken, Ängste und Fragen der Ehefrauen/Lebenspartnerinnen habe ich zusammengefaßt und Frau Dr. Inoszka Prehm übergeben und sie um ihre Mithilfe gebeten.
Frau Dr. Inoszka Prehm ist inzwischen bestens bekannt, durch ihre interessanten und kompetenten Beiträge im TRANSIDENTITAS-Vereinsheft, durch einige TRANSIDENTITAS-Sonderhefte, durch ihre Referate bei den TRANSIDENTITAS-Fachtagungen, durch ihr Referat auf der Fachtagung der Evangelischen Akademie Tutzing und vieles mehr.
Frau Dr. Prehm betreut in ihrer psychosozialen Praxis in Frankfurt seit vielen Jahren u. a. viele Menschen aus dem Bereich der Transsexuellen/Transvestiten.
Auf Grund ihrer großen Erfahrung mit den speziellen Problemen dieses Personenkreises, ist Frau Dr. Prehm für die Partnerinnen der Betroffenen die richtige Ansprechpartnerin.
Frau Dr. Prehm hat sich liebenswürdigerweise bereit erklärt, auf die immer wieder gestellten Fragen einzugehen. Dafür danke ich ihr an dieser Stelle sehr herzlich.
Danken will ich an dieser Stelle auch den Partnerinnen, die mir vertrauensvoll ihr Herz öffneten.
Ich hoffe sehr daß diese Arbeit Paaren eine Hilfe sein kann, Denkanstöße geben kann, zum besseren Verständnis, zum besseren Miteinander.

Anita

September 1990

Dr. Inoszka Prehm
Mitglied des BPP und der Tsg
PSYCHOSOZIALE PRAXIS
Kiesstraße 40
Postfach 90 07 62
D-6000 Frankfurt/Main 90
Telefon: 069 - 70 10 53

Zu Ihrer Information :

Ich bin keine durch eine Hochschule diplomierte Psychologin und auch keine Ärztin, sondern ich komme aus einem anderen Fach -nämlich der Sprachwissenschaft und Publizistik.
Seit mehr als 10 Jahren praktiziere ich frei in eigener "Psychosozialer Praxis" und arbeite vorwiegend mit Transsexuellen, aber auch mit anderen.
Im Jahre 1983 wurde ich Mitglied des Berufsverbandes Praktischer Psychologen, heute: Berufsverband Psychologischer Berater, nachdem ich verschiedene Seminare besuchte und Praktika machte.

Inoszka Prehm

Für Edith und Margot sowie allen Partnerinnen, die sich mit dem Thema des Transvestitismus oder der Transsexualität in der Partnerschaft auseinandersetzen müssen/wollen!


Ihre Frage: Wie entsteht Transvestitismus?

Meine Antwort: Wie Sie wissen, ist ein Transvestit in der Regel (Ausnahmen bestätigen die Regel - es gibt auch weibliche Transvestiten = Transvestitinnen) ein männlicher Mensch, der weibliche Kleidung zur Befriedigung seines Sexualtriebes trägt, oder der sporadisch in der weiblichen Rolle lebt. Dafür sind folgende Gründe ursächlich:

1.) Die Umwelt fordert von dem sensibleren Mann das als hart und männlich definierte Verhalten. Aus dieser Art zwanghaften Situation sieht der Betroffene die einzige Möglichkeit, - wenigstens zeitweilig - in die weibliche Rolle zu schlüpfen und zu entkommen , um zu entspannen.
2.) Homosexuelle Männer sehen in der weiblichen Rolle die Möglichkeit, sich einem eventuell heterosexuellen Mann attraktiver zu machen. Psychologisch gesehen sind sie mehr den effeminierten Homosexuellen, d. h. weiblichen und passiven Homosexuellen zuzuordnen, aber sozusagen aus juristischer Sicht gesehen sind sie Transvestiten.
3.) Masochisten benutzen die weibliche Rolle als Ritual der Unterwerfung. Sie sind innerlich stark an die Geschlechtsrollenbilder gebunden: Frau = Untergebene, Mann = Herrscher.
4.) Der stark narzißtisch auf sich fixierte und gleichzeitig heterosexuell empfindende Mann verkörpert sich selbst in der weiblichen Rolle die gesuchte Frau. Er findet daher keinen oder nur begrenzten Kontakt zum anderen Geschlecht. Den Unterschied zwischen Mann und Frau empfindet er gleichzeitig als sehr reizvoll.
5.9 Das männlich geborene Wesen hat so stark den Wunsch seiner Eltern nach einem Mädchen verinnerlicht, daß es selbst den Wunsch spürt, sich zeitweilig weiblich zu geben. Dieser Grund spielt oft eine Rolle, was aber nicht bedeutet, daß dieser als Frau auftretende Mensch ein Transsexueller ist. Die weibliche Kleidung hat Fetischfunktion. Wie eingangs erwähnt, wird der Sexualtrieb durch das Tragen weiblicher Kleidung befriedigt. Auch der sogenannte Damenwäscheträger fällt oft in diese Kategorie.

Ihre Frage: Wie entsteht Transsexualität?

Meine Antwort: Hier gibt es noch keine schlüssige Antwort, sondern nur ein paar Vermutungen:

1.) Ein Hormonschock während der Schwangerschaft, der das Gehirn anders beeinflußt als der Körper ausgerichtet ist.
2.) Der spezielle Kinderwunsch der Eltern oder eines Elternteils: Es soll ein Junge/ Mädchen werden, kann durch die Bindung an die Eltern das Kind unbewußt beeinflussen, daß es die Identität des Gegengeschlechts annimmt. Die Botschaft der Eltern kann durchaus unausgesprochen sein und ist es wohl meistens auch.
3.) Eine lebensverneinende Einstellung der Eltern allgemein oder dem Kind gegenüber eine Ablehnung kann ihm das Gefühl geben, es muß sich ändern. Es wird ihm dann bei den Eltern besser gehen. 4. Die Familienstuktur kann für die Identität bestimmend sein: Starke Mutter und schwacher Vater - "Es lohnt sich nicht, männlich zu sein" , oder: "Nur als Frau kann ich überleben".
4.) Durch die Nichtablösung von der Mutter während der vorödipalen Phase, bestimmt sie sozusagen "sein" Geschlecht.
5.) Kinder leben die Impulse der Eltern aus. Wenn die Mutter sich mit ihrem Dasein als Frau nicht richtig identifizieren kann, erlebt es „die Tochter" als eine Botschaft, die "sie" weitertragen muß und identifiziert sich daher männlich und lebt entsprechend .

Ihre Frage: Soll man seine Kinder über die Situation ihres als männlich definierten Elternteils aufklären und wie?

Meine Antwort: Bei einer manifesten Transsexualität sollten die Kinder schon wissen, wer in Wirklichkeit ihr "Vater" oder ihre "Mutter" ist. Es sollte ihnen bewußt sein, im Grunde zwei weibliche oder zwei männliche Elternteile zu haben.
Kleinen Kindern empfehle ich z.B. zu sagen, daß dem lieben Gott ein Irrtum unterlaufen sei und daher der "Vati" weiblich fühlt, weiblich ist, eigentlich eine Frau ist und als solche auch in Zukunft leben wird. Man sollte ihnen versichern, daß "Vati" sie deswegen genauso lieb haben wird wie sonst auch. Kinder reagieren in der Regel darauf überraschend natürlich, wenn die häusliche Atmosphäre "stimmt", werden Kinder keinen Schaden erleiden. Schaden entsteht eher, wenn ständig Unausgesprochenes und Undefinierbares in der Luft liegt.
Größeren Kindern sollte man erklären, daß die Natur auch Abweichungen produziert, die gottgewollt und keineswegs vererbbar sind, um sie vor der eventuellen Angst zu schützen, daß ihnen das gleiche Schicksal widerfahren könnte.
Für Eltern, die das Glaubensprinzip an etwas göttliches ganz ablehnen, kann die Erklärung angewandt werden, daß der Natur ein Fehler unterlaufen sei; sie habe eine Männerseele in einen weiblichen Körper gesteckt oder umgekehrt, und nun muß mit Hilfe der Medizin dieser Fehler korrigiert werden. Es ließe sich auch sagen, daß in der Natur am meisten Heterosexuelle existieren, sehr viel weniger Homosexuelle und am allerwenigsten Transsexuelle. Es wäre normal, daß es in einem Land wie Deutschland (West) ca. 5 000 Transsexuelle gibt, eine verschwindend geringe Zahl, wenn man an die Gesamtzahl der Einwohner denkt. Daher wüßten auch viele Menschen nichts oder nicht genug über dieses Phänomen. Aus Nichtwissen entstehen Vorurteile im Sinne von Unnormal, obwohl es - wie die Forschung belegt - seit der Menschheit Beginn Homosexuelle, Transsexuelle gibt und sich Transvestitismus weit in der Geschichte zurückverfolgen läßt. Früher waren diese Phänomene nur weniger oder gar nicht erforscht, und hier liegt die Wurzel des Vorurteils: Unwissen - Unkenntnis.
Rückblickend läßt sich sagen, daß schon immer der größte Teil der Menschheit heterosexuell empfindet, der kleinere Teil homosexuell und ein ganz kleiner Teil transsexuell.
Mit dieser Übersicht rücken alle Phänomene in den Normbereich.
Auch philosophische Erklärungen lassen sich geben und können hilfreich sein, weil auf die Sinnfrage eingehen, wenn es vielleicht auch keine schlüssigen Antworten sind. Z.B. sei die Existenz von Transvestitismus und Transsexualität für die Menschheit sinnvoll, weil die Auseinandersetzung damit verhärtete Normen und Geschlechtsrollenklischees aufweicht. Transsexualität kann ein Weg von mehreren sein, der zur Unfruchtbarkeit führt, da jedes Geschlecht einmal aussterben muß, um zu starke Degenerationserscheinungen und Überbevölkerung zu verhindern.
Im Fall des Transvestitismus sollte man darauf zu sprechen kommen, daß Kleidung gesellschaftlichen Normen unterworfen ist, daß aber nicht jeder Mensch so gesellschaftskonform fühlt und es daher unbedingt notwendig ist, dem inneren Empfinden und nicht der Gesellschaftsnorm zu entsprechen, weil das Wohlbefinden des Betroffenen davon sehr abhängig ist, um psychischen Einbrüchen vorzubeugen. Es sollte auch gesagt werden, daß jeder Mensch eigentlich zweigeschlechtlich ist - in jeder Seele ein Mann und eine Frau wohnt, aber bei dem anderen weniger ausgeprägt ist.

Ihre Frage: Muß damit gerechnet werden, daß das jetzt noch nur "Frauenkleidertragen" später in Richtung Transsexualität geht?

Meine Antwort: In manchen Fällen ist damit zu rechnen, daß das Tragen weiblicher Kleidung in Richtung Transsexualität geht. Das ist aber nur dann möglich, wenn die Person sich irrtümlich als Transvestit einordnete und in Wirklichkeit transsexuell ist. Im Laufe der Jahre habe ich diese Situation mehrmals erlebt. Mangels Aufklärung oder Selbstreflektion ordneten sich die Betroffenen zunächst verkehrt zu und korrigierten diesen Irrtum später.
In einem Fall des Frau-zu-Mann-Transsexualismus wurde die Diagnose: Transsexualität erst ärztlicherseits gestellt und der Betroffene fiel zunächst aus allen Wolken. Meistens ist es umgekehrt, daß sich auch Nichttranssexuelle auf der Flucht vor persönlichen Problemen um die medizinische Behandlung für Transsexuelle bemühen - in der Hoffnung ihren Problemen auf diese Weise erfolgreich zu entkommen.
Daß das der Irrtum des Lebens wird, wird oft zu spät erkannt und der Selbstmord liegt nicht fern.
Um so einer Fehlentscheidung vorzubeugen, sind die unangenehmen gutachterlichen Maßnahmen unbedingt erforderlich.

Ihre Frage: Kann unsere Beziehung trotz der Leidenschaft meines Partners von Dauer sein?

Meine Antwort: Grundsätzlich kann die Beziehung zu ihrem Partner dauerhaft sein, wenn er dazu bereit bleibt, Ihnen sich innerlich zu öffnen, und wenn Sie seinen Hang zur weiblichen Rolle akzeptieren und/oder sich arrangieren.
Bei einem transsexuellen Partner stellt sich die Frage, ob Sie Ihre Liebe unabhängig vom Geschlecht entwickeln, empfinden und leben können.
In einem Fall der Mann-zu-Frau-Transsexualität entdeckte die Ehefrau erst nach Jahren ihre bis dahin latente lesbische Neigung. Ihr Kampf darum, den "Mann" zu erhalten war die Folge der Ablehnung ihrer eigenen (nicht gesellschaftskonformen) Gefühle.
Alle die Ehepaare, die ich durch meine Praxis kenne, leben meistens noch in häuslicher harmonischer Gemeinschaft. Bei den wenigen, die inzwischen nicht mehr zusammen sind, hat sich die nicht transsexuelle Ehepartnerin gleich zu Beginn der sich manifestierenden Transsexualität ihres Partners getrennt. Grund dafür war, daß sie zu homoerotischen Gefühlen unfähig ist.  Manche Ehepartner leben in dieser Situation wie Bruder und Schwester und jeder hat seinen/ihren Partner. Bisher erlebte ich es selten, daß nach der Trennung einer solchen Ehe jeder Kontakt gemieden wurde.
Eine Trennung im guten Einvernehmen war in solchen Fällen die Regel, woraus sich später meistens ein herzlicher Kontakt entwickelte.

Ihre Frage: Wie können wir beide das Beste aus der Situation machen?

Meine Antwort: Das Beste aus der Situation können Sie machen, indem Sie viel und offen miteinander sprechen, mit Gleichbetroffenen (Paaren) Kontakt aufnehmen und eventuell eine dritte Person ins Gespräch einbeziehen. Diese kann ein Freund, ein Sozialarbeit er oder ein Psychologe sein.
Wie schon zu einer der vorigen Fragen angemerkt, ist es besonders bei Transsexualität zu klären, wie es um die sexuelle Ausrichtung bei der Partnerschaft steht. Daraus wird sich zeigen, in welche Richtung sich die Beziehung entwickeln wird - ob gleichgeschlechtlich, geschwisterlich oder freundschaftlich.
Bei einem transvestitischen Mann ist es oft hilfreich, wenn die Frau dazu in der Lage ist, ihren Mann im intimen Kontakt anzunehmen, wenn er weibliche Kleidung trägt, damit er diesen Teil von sich nicht aussparen muß und eventuell innerhalb der Ehe in Isolation gerät.
Andererseits halte ich es aber auch für unbedingt notwendig, daß diese Akzeptanz nur dann stattfinden sollte, wenn sie auch von Herzen kommt und nicht auf seelischen Verrenkungen beruht wie: Mein Mann ist zwar eine Frau oder er zeigt sich als Frau, aber ich mache die Augen zu und stelle ihn mir männlich vor.
Solche Seelenakrobatik führt eines Tages in die Sackgasse der Depression, der psychosomatischen Erkrankungen oder des Ausbruchs aus der Verbindung. In dieser Situation halte ich ein klares Nein zur weiblichen Entwicklung des Mannes unter der Voraussetzung, daß er nicht zur Männlichkeit gezwungen wird, für das Richtige.
Für wichtig halte ich es auch, Zeit vergehen zu lassen, nicht in Panik zu reagieren und sich einander nicht verschließen, ist vielleicht der nächste Schritt - alles sich entwickeln lassen, zusehen, was daraus wird. Manchmal hilft auch eine vorübergehende Trennung z.B. durch längeren Urlaub, Arbeitsplätze an anderen Ortschaften oder getrennte Wohnungen, auf dem richtigen Weg zur Weiterführung der Beziehung.

Ihre Frage: Wie kann ich sicher sein, daß sich mein Partner nicht eines Tages einem Mann zuwendet?

Meine Antwort: Transvestiten sind in der Regel heterosexuelle Männer. Deswegen ist die Gefahr, daß er sich einem Mann zuwenden wird, genauso gering wie bei anderen heterosexuellen Männern auch.
Anders ist es aber, wenn es sich bei dem Ehepartner um eine transsexuelle Person handelt. Etwa 50% der Mann-zu-Frau-Transsexuellen suchen später Kontakt zu Männern und etwa 50% haben den Wunsch mit einer beziehungsweise ihrer Frau glücklich zu sein.
Die Übergänge sind natürlich zwischen diesen beiden Prozentzahlen fließend. Es hängt auch von der Stabilität der Beziehung der Ehepartner ab, wem sich die transsexuelle Person später zuwendet.
Manchmal möchte die transsexuelle Frau nur die Erfahrung mit einem Mann machen, um dann zur Ehepartnerin zurückzukehren.

Ihre Frage: Wird die Frauenkleidung zur Stimulanz gebraucht - bin ich für meinen Mann nicht reizvoll?

Meine Antwort: Es ist zwar möglich, daß Ihr Mann die Frauenkleidung zur sexuellen Stimulanz braucht, aber das liegt in seiner Seele und nicht darin begründet, daß Sie nicht reizvoll genug für ihn sind. Schließlich wählte er Sie und keine andere.
Für seine Neigung wurde der Boden schon in der - oft frühen Kindheit - bereitet. Meistens kommt das Bedürfnis, weibliche Kleidung zu tragen, in der Pubertät zum Ausbruch - manchmal erst in späteren Jahren. Die Entstehung seiner Neigung liegt also auf keinen Fall in Ihrer Ehe begründet, auch wenn Ihr Mann behaupten sollte, er lege Frauenkleidung an, weil Sie ihn nicht genug lieben würden oder ihm nicht genug Geborgenheit geben. Entweder ist er unfähig aufgrund seines inneren Abgekapseltseins Ihre Liebe wahrzunehmen, zu realisieren, oder wegen seiner inneren Abkapselung suchte er Sie aus, die vielleicht ihre Gefühle der Liebe weniger offenbaren kann, um in seiner - oft selbstbezogenen - Abkapselung nicht gestört zu werden.

Ihre Frage: Sollen wir Eltern, Schwiegereltern, Verwandte und Freunde einweihen?

Meine Antwort: Bei Transsexualität sollte man Eltern, Schwiegereltern, Verwandte und Freunde einweihen. Es handelt sich schließlich um einen Personenkreis, der wissen sollte, wen er - in diesem Fall eine Frau - vor sich hat.
Anders ist es beim Transvestitismus. Hier meine ich, sollte man je nach Bedürfnis handeln, wobei Freundschaft aus meiner Sicht eher den Anspruch erhebt, daß Ihre Neigung offenbart wird. Schließlich sind Freunde von Ihnen ausgesuchte Menschen, während Verwandte ohne Ihre Wahl in Ihr Leben traten. Wohnen allerdings Eltern oder Schwiegereltern mit im Haus, wäre eine Aufklärung, worum es geht, wohl besser, anstatt mit einem ständigen Geheimnis zu leben. Es würde die häusliche Atmosphäre vergiften. Die Wahrheit ist für Familienmitglieder oft schonender, als aus falscher Rücksicht die Unwahrheit und ein Geheimnis, das in der Luft liegt.

Ihre Frage: Ist meine Ablehnung der weiblichen Seite meines Partners gerechtfertigt?

Meine Antwort: Natürlich ist Ihre Ablehnung der weiblichen Seite Ihres Partners gerechtfertigt! Sie sollten aber eingehend prüfen, woher diese Ablehnung kommt.
Ist der Grund der Ablehnung nur ein vorgeschobener? Stört Sie in Wirklichkeit etwas anderes an Ihrem Partner, das Sie sich nicht eingestehen mögen, z.B. Krankheit, zu starke oder zu wenig starke Fixierung auf Ihre Person, zu niedriger Verdienst? Wenn Sie festgestellt haben, daß Ihre Ablehnung kein vorgeschobener Grund ist, sollten Sie sich eingehend prüfen, woher die Ablehnung rührt. Spielen gesellschaftliche oder religiöse Tabus eine Rolle? Oder ist Ihr Gefühl ausschließlich auf Männlichkeit gerichtet?
In diesem Fall gilt es, eine neue Basis für die Beziehung zu finden und zwar eine geschwisterliche, so daß jeder Partner frei ist und seinen Empfindungen entsprechend leben kann. Andernfalls, wenn das nicht gelingt, sollte man sich überlegen, ob eine gütliche Trennung sinnvoll wäre. Sollten gesellschaftliche oder religiöse Gründe eine Rolle bei der Ablehnung spielen, dann hieße es, diese - eventuell mit fachlicher Hilfe - aufzuarbeiten und zwar zu Gunsten einer guten Partnerschaft. Vergessen sollten Sie nicht, daß ein Partner mit weiblichen Eigenschaften Ihr Inneres besser erfassen und nachvollziehen kann als ein Mann, der solche Eigenschaften nicht aufweist. Bei religiösen Bedenken gebe ich zu überlegen, ob sich Gott nicht vielleicht etwas dabei dachte, Ihn en eine Chance zu geben, etwas Neues in diesem Leben zu erfahren.

Ihre Frage: Was kann ich tun - was muß ich vermeiden?

Meine Antwort: Was Sie tun können: mit Ihrem Partner in Kontakt bleiben und sich nicht aus Verbitterung über das Schicksal heraus in die Schmollecke zurückzuziehen oder dies tun, um zu strafen. Vergessen Sie nicht, daß es sich bei Ihrem Partner um eine erwachsene Person handelt und in diesem Zusammenhang sei gleich erwähnt, was Sie vermeiden sollten: Verbote und Erpressungen aller Art. Sie können zwar Ihre Grenzen signalisieren, unter welchen Umständen Sie leben können und unter welchen nicht, aber daran darf keine Erwartung hinsichtlich seiner Änderung geknüpft sein.
Wenn er sich ändert, muß die Motivation ganz alleine aus ihm kommen. Alles andere wäre nur auf Sand gebaut und entbehrt den ernsthaften Hintergrund.

Ihre Frage: Könnte eine versteckte Homosexualität hinter seinem Verhalten stecken?

Meine Antwort: Eine versteckte Transsexualität kann, wie schon erwähnt, bei Transvestitismus vorkommen. In Bezug auf Homosexualität ist mir ein solcher Fall nicht bekannt, aber Bisexualität ist dagegen bei Transvestitismus schon eher der Fall.

Ihre Frage: Ich wünsche mir Kinder, doch ich habe Angst vor der Zukunft. Was raten Sie mir?

Meine Antwort: Im Falle einer Transsexualität Ihres Partners sollten Sie sich ernsthaft fragen, ob Sie sich vorstellen können, ein oder mehrere Kinder in letztendlich gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft aufzuziehen. Bekannt ist, daß eine gute Frauenbeziehung Kinder besser gedeihen läßt, als eine schlechte Mann-Frau-Beziehung.
Kinder gehen mit so einer Situation eher unbefangener und weiser um als Erwachsene, es sei denn, sie sind von der Denkweise und von den Vorurteilen Erwachsener stark geprägt. Bei einem transvestitischen Partner ist es ebenfalls von großer Wichtigkeit, daß die häusliche Atmosphäre stimmt. Wenn Kinder in Geborgenheit aufgefangen werden, sind derartige Einflüsse nicht schädlich!
Wird die Transsexuelle oder der Transvestit in Streitsituationen mit Vorwürfen konfrontiert oder die Transsexualität oder der Transvestitismus dazu mißbraucht, dem Partner gegenüber Spitzen loszulassen, oder seine Andersartigkeit wird ihm nonverbal, d.h. unausgesprochen vorgeworfen, dann wirkt es sich auf die Entwicklung von Kindern schädlich aus. Unterschätzen Sie nicht, wie sensibel Kinder auf unausgesprochene Vorwürfe und Spannungen reagieren!
Eine Fehlentwicklung ist in solchem Fall nicht ausgeschlossen.
Wenn es Kindern im Elternhaus schlecht geht, glauben sie oft, daß die Transsexualität oder der Transvestitismus daran schuld ist, aber es sind nicht Vaters Kleider oder "seine" Entwicklung, sondern die Uneinigkeit und Spannung in der Familie.   Es gibt auch Kinder, die den Transvestitismus oder die Transsexualität eines Elternteils als Waffe gegen die Eltern benutzen, weil sie sich für die mangelnde Liebe oder Zuwendung rächen wollen.
Das ist aber keine von Kindern erfundene Verhaltensweise, sondern von den Eltern imitierte. Deshalb sollten sich die Eltern fragen, in welcher Hinsicht sie ein solches Verhalten praktizieren, um es dann abstellen zu können. Mit der Zeit wird sich so ein Verhalten auch bei den Kindern verlieren.
Das Wichtigste ist bei Kindern, daß man als Eltern in Bezug auf das Verhalten des "Vaters" keine Fragen unbeantwortet läßt. Benutzen Sie keine falschen oder halbrichtigen Erklärungen - bleiben Sie bei der Wahrheit!
Entwickeln Sie Sensibilität dafür, welche Fragen das Kind nicht zu stellen wagt, und sprechen Sie es darauf an. Beruhigen Sie Ihre Kinder, daß weder Transvestitismus noch Transsexualität vererbbar sind.
Bei kleineren noch unaufgeklärten Kindern verfahren Sie, wie man es bei der Aufklärung tun sollte: Wenn das Kind fragt, antworten Sie exakt auf die Frage, aber gehen Sie nicht weiter in Ihren Ausführungen, denn die Frage zeigt an, daß es zwar die Antwort, aber nicht mehr verkraftet.
Grundsätzlich sollte ein Kind - egal welchen Alters - erfahren, wer "sein Vater" ist -spätestens dann wenn "er" seinen Alltagstest beginnt.
Auf keinen Fall sollten sich Paare in der Hoffnung, ihre Probleme dadurch lösen zu können, durch die Zeugung von Kindern übernehmen, denn so entstehen Aggressionen auf der Seite der Eltern, wenn sie feststellen, daß die Kinder keine Lösung ihres Problems sind und sie ihre Erwartungen nicht erfüllen können. Dadurch entstehen nur noch mehr Probleme, und ganz sicher sind solche Kinder vor Fehlentwicklungen nicht geschützt.

Wenn Paare mit ihren Problemen nicht allein fertig werden trotz intensiver Auseinandersetzung damit, dann sollten sie unbedingt fachliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Zum Schluß: Wenn auch alle diese Fragen in der 3. Auflage dieser Schrift auf rosa Papier erörtert werden, wobei sich die Herausgeberin etwas dabei gedacht hat, so verspreche ich Ihnen durch die Reflektion der Punkte und der Beschäftigung damit keinen Rosengarten, aber vielleicht gibt es in Ihrer Zukunft doch ein paar Momente, in denen Sie das Leben rosarot sehen, und diese Momente sind es, für die es sich lohnt zu leben.

zur Verfügung gestellt von
TRANSIDENTITAS e.V.