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PERSONENSTANDSRECHTLICHE STELLUNG TRANSSEXUELLER; "TRANSSEXUELLEN ERLASS"
BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES
Zahl: 36.250/66-IV/4/96 vom 27.11.1996

Das Bundesministerium für Inneres übermittelt in der Anlage den im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Justiz geänderten "Transsexuellenerlaß 1983".

  1. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß Betroffene zum Zeitpunkt der Eintragung eines Randvermerks über die Änderung des Geschlechts nicht verheiratet sein dürfen (s.Pkt. 2.4 des angeschlossenen Erlasses).
  2. Auf Grund der geänderten Rechtslage durch das Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes, BGBl.Nr. 67/1983, mit 1. 1. 1984 wurden die notwendigen Anpassungen vorgenommen.
  3. Die Möglichkeit der Namensänderung wurden modifiziert (s.Pkt. 3 des angeschlossenen Erlasses).

Es wird ersucht, die unterstehenden, insbesonders die mit Personenstandsangelegenheiten befaßten Verwaltungsbehörden davon in Kenntnis zu setzen.

TRANSSEXUELLEN ERLASS:

1. Anträge Transsexueller auf Änderung von Geburtseintragung oder auf Bewilligung von Vornamensänderungen waren Gegenstand der Erörterung des Bundesministeriums für Inneres mit dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und den Bundesministerien für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz) und für Justiz sowie mit medizinischen Sachverständigen. Hiebei hat sich ergeben, daß die Diskussion der medizinischen Seite des Transsexualismus nicht einmal in diagnostischer Hinsicht zu einer auch nur annähernd einheitlichen Auffassung geführt hat.
Dies und die Tatsache, daß die in einzelnen Staaten getroffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zum Teil stark voneinander abweichen, hat zur übereinstimmenden Auffassung aller beteiligten Bundesministerien geführt, eine legistische Initiative sei in Österreich nicht zweckmäßig, zumal es sich offenkundig nur um wenige Fälle handelt. Ebenso besteht Übereinstimmung, daß zumindest die Fälle bereinigt werden, in denen bereits operative und begleitende sonstige medizinische Maßnahmen mit dem Ziel einer wenigstens äußerlichen Angleichung an das Gegengeschlecht durchgeführt wurden.
Diese schon Anfang der 80er-Jahre getroffene Einschätzung hat weiterhin Gültigkeit.

2. Als Möglichkeit einer rechtlichen Sanierung bietet sich nach geltendem Recht § 16 des Personenstandsgesetzes an, der im Fall eines entsprechenden Nachweises die Eintragung eines Randvermerkes über die Änderung des Geschlechts ermöglicht. Hiezu bedarf es eines Antrag der Betroffenen.

2.1 Die zur Entscheidung berufene Behörde darf sich nicht damit begnügen, bloß auf Grund der von den Betroffenen vorgelegten Unterlagen zu entscheiden, sondern hat von sich aus geeignete Sachverständige zu bestellen. Geeignet sind nur Sachverständige, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer Erfahrung mit dem Problemen des Transsexualismus besonders vertraut sind. Um diese Voraussetzungen und eine einheitliche Beurteilung sicherzustellen, ist zur Erstellung der Gutachten ausschließlich das Institut für Gerichtsmedizin der Universität Wien heranzuziehen.

2.2 Das Gutachten muß erweisen, daß

2.2.1 der Antragsteller oder die Antragstellerin längere Zeit unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, was ihn oder sie veranlaßt hat, sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen zu unterziehen;

2.2.2 diese Maßnahmen zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben;

2.2.3 mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, daß sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird.

2.3 Die durch die Einholung der erforderlichen gutachten der Behörde erwachsenden Kosten können dem Antragsteller als Barauslagen (§ 76 Abs. 1 zweiter Satz AVG) verrechnet werden.
Der Antragsteller kann auch zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden (§ 76 Abs. 4 AVG).

2.4 Ein Randvermerk über die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch darf nur dann eingetragen werden, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin nicht verheiratet ist.

3. Eine Änderung des Vornamens in einen geschlechtsspezifischen Vornamen ist an die Änderung der Geschlechtseintragung im Geburtenbuch gebunden.

3.1 Anträge auf eine solche Namensänderung sollten zusammen mit dem Antrag auf Eintragung eines Randvermerks nach Punkt 2 eingebracht werden, um unnötigen Zeitverlust für die Erlangung neuer Dokumente für die Betroffenen zu vermeiden.

3.2 Eine Vornamensänderung in einen geschlechtsneutralen Vornamen oder in Vornamen, von denen zumindest der an erster Stelle stehende ein geschlechtsneutraler Vorname ist, kann derzeit auch ohne geschlechtskorrigierende Maßnahmen bewilligt werden; das Vorliegen von Transsexualität sollte aber, schon um Kosten im Namensänderungsverfahren zu vermeiden, durch ein entsprechendes Gutachten nachgewiesen werden.

4. Wegen der Schwierigkeiten der zu beurteilenden Fragen wird das Bundesministerium für Inneres auch in Zukunft den Behörden Hilfestellung bei den von ihnen zu treffenden Entscheidungen gewähren. Anträge von Transsexuellen auf Eintragung eines Randvermerks über die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch oder auf Änderung des Vornamens in einen geschlechtsspezifischen Vornamen sind daher nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens, d.h. nach Einholung des Gutachtens nach Punkt 2, dem Bundesministerium für Inneres vorzulegen.

Quelle ÖStA 1/97