Transgender.at Informationsverzeichniss

 Zur Rechtsstellung
 Transsexueller nach der
 Vornamensänderung aber ohne
 Feststellung
 der neuen
 Geschlechtszugehörigkeit

Das grundsätzliche Problem besteht hier darin, daß einerseits die Vornamensänderung keine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit bewirkt, und andererseits die Rechtsstellung im neuen Geschlecht erst durch einen rechtskräftigen Beschluß nach §8 TSG erworben wird. Ich zeige im folgenden auf, inwieweit trotzdem ein Leben in der neuen Geschlechtsidentität rechtlich möglich ist.

 Ausweispapiere und Dokumente
 Anrede
 Arbeitsrecht
 Verheiratete Transsexuelle
 Grenzen der kleinen Lösung

 Ausweispapiere und Dokumente

 Personalausweis
      Der Personalausweis enthält keinen Geschlechtsvermerk.
 Europa- Paß
      Der Europa- Paß enthält einen Geschlechtsvermerk (M für
      männlich und F für weiblich). Es besteht jedoch die
      Möglichkeit, einen vorläufigen deutschen Reisepaß ohne
      Geschlechtsvermerk zu bekommen. Der sieht aus wie die
      alten grünen Reisepässe und hat eine Gültigkeitsdauer von
      einem Jahr.
 Führerschein
      Der Führerschein ist kein Problem, da er generell die Anrede
      Herr/ Frau enthält, ohne daß eines von beiden unterstrichen
      oder ausgestrichen wird.
 Lohnsteuerkarte
      Auch bei der Lohnsteuerkarte wird dies in der Regel ebenso
      gehandhabt (nicht geschlechtsspezifische Anrede Herr/ Frau).
      Wenn nicht, besteht Anspruch auf die neue
      geschlechtsspezifische Anrede (z.B. Frau Erna Müller).
 Personenstandsurkunde
      Manchmal braucht frau/man eine Personenstandsurkunde. Ein
      Mandant (Student) wollte in den Semesterferien bei der Post
      jobben. Man verlangte von ihm die Vorlage einer
      Geburtsurkunde. Die Geburtsurkunde enthält einen
      Geschlechtsvermerk (z.B. Fritz Huber, weiblich). Ich habe
      empfohlen, sich einen Geburtsschein zu besorgen, diese
      Urkunde enthält keinen Geschlechtsvermerk, und diesen der
      Post ohne Kommentar vorzulegen. Es klappte, mein Mandant
      bekam den Job, ohne seine Situation offenlegen zu müssen.
 Rentenversicherungsnummmer
      Auch die Rentenversicherungsnummer (und
      dementsprechend auch der Sozialversicherungsausweis) sind
      geschlechtsspezifisch. Nach dem Buchstaben
      (Anfangsbuchstabe des Familiennamens) kommt eine
      dreistellige Zahl, deren erste Ziffer geschlechtsspezifisch ist (0

      =männlich, 5 = weiblich). Die Rentenversicherungsträger
      haben sich in einem Brief an Arbeitsminister Blüm
      verpflichtet, auch Transsexuellen mit der kleinen Lösung auf
      Antrag eine neue Seriennummer zu erteilen. Es sollte ein
      schriftlicher Antrag an die zuständige Rentenversicherung
      gestellt werden (in der Regel LVA oder BfA), unter Angabe
      der bisherigen Versicherungsnummer, Beifügung einer Kopie
      des Gerichtsbeschlusses, und um Zuteilung einer neuen
      Versicherungsnummer gebeten werden.
 Zeugnisse
      Bei der Neuausstellung von Zeugnissen besteht kein
      Unterschied zur großen Lösung. In beiden Fällen sind
      Arbeitgeber, Schulen und sonstige Institutionen verpflichtet
      die Zeugnisse auf die neuen Vornamen und die neue
      Geschlechtszugehörigkeit neu auszustellen.

Anrede
Bezüglich der Anrede gibt es eine Grundsatzentscheidung des OLG Hamm, nach der mit der Zuerkennung der Vornamensänderung auch das Recht auf die der neuen Geschlechtsidentität entsprechende Anrede und sonstigen Sprachgebrauch einhergeht. Dies gilt für alle Bereiche, für private Institutionen und Behörden. Briefe an "Herrn Ingrid Meier" sind rechtswidrig!

Auch Computer sind da keine Ausnahme. Probleme gibt es hier insbesondere bei verheirateten Transsexuellen mit dem Finanzamt. Für den Fall der Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer werden Steuerbescheide an beide Eheleute geschickt. Und da hat eben der Computer nur die Anrede "Herrn und Frau" in seinem Programm. Der Sachbearbeiter beim Finanzamt muß hier durch eine allgemeine Verfügung sicherstellen, daß bei dem Ehepaar ihm die Akte stets vorzulegen ist. Er muß dann die vom Computer erstellte Anrede mittels Aufkleber verbessern. Mir liegt ein Beispielfall vor, in dem das Finanzamt die Anrede "Frauen Erna und Ingrid Müller" gewählt hat.

Arbeitsrecht
Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht für Transsexuelle mit der kleinen Lösung keine Verpflichtung, bei Bewerbungen dem zukünftigen Arbeitgeber zu offenbaren, daß die rechtliche (und körperliche) Geschlechtszugehörigkeit anders ist als das äußere Erscheinungsbild. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag nicht wegen arglistiger Täuschung über das Geschlecht anfechten. Dies gilt auch dann, wenn das Geschlecht für die angestrebte Tätigkeit wesentlich ist. (Entschieden zum Fall einer Arzthelferin in der Praxis für türkische Patientinnen.)

Verheiratete Transsexuelle
Verheiratete Transsexuelle können die kleine Lösung in Anspruch nehmen. In neuerer Zeit hat es hier mit dem Regierungspräsidium Köln Probleme gegeben, das sich wegen des Verheiratetseins gegen die Vornamensänderung aussprach und gegen den Beschluß des Amtsgerichtes (AG) Köln Beschwerde einlegte. Das Landgericht (LG) Köln hat die Beschwerde zurückgewiesen, womit hoffentlich das Problem für die Zukunft erledigt ist. In Frankfurt/M hatten wir vor 7-8 Jahren das gleiche Problem, daß sich das Regierungspräsidium Darmstadt gegen die Vornamensänderung bei verheirateten Transsexuellen wandte. Ich konnte jedoch erreichen, daß das Regierungspräsidium diese ablehnende Haltung aufgab, und daß das AG Frankfurt/M zugunsten der Vornamensänderung entschied.

Schwierigkeiten kann es nachwievor dann geben, wenn die Eheschließung noch keine 3 Jahre her ist. In einem Fall hat das AG Frankfurt/M abgewartet bis 3 Jahre seit der Eheschließung abgelaufen waren, und erst dann die Vornamensänderung beschlossen.

Ein ungelöstes Problem besteht darin, daß im Fall einer Eheschließung nach Durchführung der Vornamensänderung die Vornamensänderung automatisch unwirksam wird. Das führt im Ergebnis dazu, daß Transsexuelle mit der kleinen Lösung (wenn sie nicht schon verheiratet sind) überhaupt keine Ehe eingehen können. Z.B. kann eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle keinen Mann heiraten. Die Eheschließung mit einer Frau wäre rechtlich möglich, würde aber dazu führen, daß die Vornamensänderung unwirksam wird, so daß die Betreffende gezwungen ist, auch davon Abstand zu nehmen. Dieser komplette Ausschluß der Eheschließungsmöglichkeit stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit dar.

(Anmerkung der Redaktion: Die Vornamensänderung wird auch dann von amtswegen aufgehoben, wenn nach Ablauf von 302 Tagen nach der Rechtskraft der Entscheidung ein Kind geboren wird, dessen Abstammung vom Antragsteller anerkannt oder gerichtlich festgestellt wird. Bei schwerwiegenden Gründen kann das Gericht einem erneuten Antrag auf Vornamensänderung stattgeben. Das ganze Verfahren ist aber erneut zu durchlaufen. In der Konsequenz führt dies dazu, daß betroffene Transsexuelle zur Hormonbehandlung, und/oder Sterilisation indirekt von amtswegen "gezwungen" sind.)

Grenzen der kleinen Lösung
Die Grenzen der kleinen Lösung bestehen darin, daß geschlechtsspezifische Rechte nicht in Anspruch genommen werden können.
Eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle kann nicht wie eine Frau einen Mann heiraten oder mit 60 Jahren Altersrente für Frauen beziehen. Bei Institutionen mit getrennten Abteilungen für beide Geschlechter (Strafanstalten, Krankenhäusern) gibt die bloße Vornamensänderung keinen Anspruch darauf, in die der eigenen Identität entsprechende Frauen- bzw. Männerabteilung untergebracht zu werden. Da es hier in erster Linie auf den körperlichen Zustand ankommt, besteht ein solcher Anspruch erst mit Durchführung der geschlechtsumwandelnden Operation (dann allerdings unabhängig davon, ob das Verfahren nach §8 TSG bereits durchgeführt ist). Ähnliche Schwierigkeiten hat es mit der Toilettenbenutzung im Betrieb und der Benutzung der Duschen in der Badeanstalt gegeben.