Wie Dessous den Blutdruck steigen lassen.
Ich machte mit meiner Freundin einen Bummel durch die Innenstadt. Einfach so. Auslagen anschauen, einen Kaffee trinken, ein bisserl was einkaufen. Also nichts besonders aufregendes was den Blutdruck in irgendeiner Weise gefährden könnte.
Aber dann passierte es. Wir waren in ein Gespräch vertieft, möglicherweise ging es um das Wetter oder einen sonstigen hochgeistigen Inhalt, so glaube ich jedenfalls, als meine Freundin plötzlich stehen blieb. Sie senkte nachdenklich den Kopf, ging ein paar Schritte zurück und blieb vor der Auslage eines renomierten Geschäftes der Moderbranche stehen.
"Was ist los?" fragte ich. "Ach ist das eine entzückende Wäschegarnitur," teilte sie mir mit und deutete auf ein paar Stücke aus rosa Nichts bestehend aus BH und Superminimicroslip mit ein paar Spitzen herum. "Genau das, was ich schon die ganze Zeit gesucht habe. Und dazu nicht einmal teuer. Und schau, weil Ausverkauf ist sogar noch verbilligt! Das muß ich mir näher anschauen."
O weh, der Virus Kaufrausch begann seine ersten zaghaften Vorzeichen zu entwickeln. Aber noch während ich darüber nachdachte, war sie auch schon in dem Geschäft verschwunden. Auch gut.
Die Sachen sind aber wirklich süß, hm, und daneben lag auch noch ein Mieder aus dem selben Material, aber in blau. Hm.
Rasch und nahezu unauffällig folgte ich meiner Freundin in das Geschäft. Jede Menge Verkaufsständer mit den entzückendsten Kreationen, die die Wäschebranche hervorzuzaubern imstande ist, in allen nur erdenkbaren Farben und Formen. Aber keine Spur von meiner Freundin.
Verzweifelt lief ich noch einmal durch sämtlichen frei zugänglichen Räumlichkeiten, Parterre, 1. Stock und 2. Stock. Keine Spur.
'Na ja,' dachte ich mir, 'wird sie halt was probieren.' Also machte ich mich nun in meiner Langeweile daran, selbst die Ständer zu durchforsten bis ich schließlich bei jenem Mieder anlangte, welches mir schon in der Auslage aufgefallen war. Das Stück das ich in der Hand hielt hatte zufällig genau meine Größe.
Und der Preis war auch nicht so exorbitant hoch, daß ich es mir nicht leisten könnte. Was soll's, ich beschloß es mir zu kaufen.
Im gleichen Augenblick kam ein Verkäuferin an mir vorbei. Ich fragte sie, ob sie nicht zufällig meine Freundin gesehen habe, wobei ich ihr eine möglichst genau Beschreibung von ihr lieferte.
"Ja, ich entsinne mich die Dame gesehen zu haben." erwiderte die in den schmucklosen Einheitsdress des Geschäftes gekleidete Verkäuferin. "Sie hat sich mit ein paar Sachen in eine der Probierkabinen zurückgezogen um eine Auswahl zu treffen."
Überascht ob der in der heutigen Zeit schon auffälligen Höflicht und Wortgewandtheit, die noch von einer gediegenen Schulung im Verkauf zeugten, fragte ich, ob ich wohl das Mieder, das ich ausgewählt hatte, ebenfalls probieren könne um, im Falle das es nicht passe, es nicht umtauschen kommen zu müssen.
Mit einem undefinierbaren Lächeln bat sie mich, kurz zu warten, dem ich in der Annahme, daß alle Kabinen besetzt seien, gerne entsprach.
Da kam dann auch schon meine Freundin aus einer der Kabinen strahlend auf mich zu, in jeder Hand ein paar Kleiderhaken. "Ach die vielen schönen Sachen, ich mußte einfach alles probieren. Schade daß ich mir nicht alles leisten kann." Mit einem leicht betrübten Blick übergab sie der sie begleitenden Verkäuferin etwa die Hälfte der probierten Sachen.
"Aber die nehme ich!" teilte sie mir mich einer fast als verschwörerisch zu bezeichnenden Miene mit. "Die muß ich unbedingt haben."
Wie aus dem Boden geschossen stand plötzlich ein Mann, der sich als der Geschäftsführer vorstellte, neben mir, nahm mir das von mir ausgewählte Mieder aus der Hand und ersuchte mich mit wohl freundlichen aber sehr bestimmten Worten sfort das Lokal zu verlassen, denn man könne hier auf Kundschaft wie mich gerne verzichten.
Ich glaubte vorerst an eine Verwechslung, und versuchte ein klärendes Gespräch zu führen, aber damit kam ich nicht weiter, denn der Geschäftsführer ergriff nun meinem Arm und geleitete mich auf dem schnellsten Weg vor das Geschäft auf die Straße.
Von dort beobachtete ich, wie meine Freundin mit dem Geschäftsführer noch ein paar sehr erregte Worte wechselte, bis sie ihm die Sachen, die sie kaufen wollte und auf die sie unter keinen Umständen verzichten konnte, mitten ins Gesicht schleuderte und mir erzürntem Gesicht folgte.
"Und das nur weil ich eine Frau bin und Du ein Mann!"
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