Die Feminisierung ihres Körpers scheint ein allgemeines Thema
und fast dauernder Traum vieler Transgender-Männer zu sein. Wir
fragen uns oft, wie denn die Frau im Spiegel aussehen würde,
wenn sie einen weichen anschmiegsamen Körper und echte Brüste
hätte - ihr wißt schon, das Faltposter aus dem Playboy.
Geschäftsleute, die an unserer Gemeinschaft Geld verdienen, sind
sich dieser Träume von Weiblichkeit nur zu gut bewußt und
spielen das in ihren Werbeanzeigen aus. Ihr kennt die
großbrüstigen Frauen mit männlicher Ausstattung aus der
Werbung. Das Thema Verweiblichung ist zudem in den
Fantasy-Geschichten, die in unserer Gemeinschaft vermarktet
werden, recht häufig zu finden (ich spreche hier nicht von
Schundliteratur). Das alles zeigt nur, wie allgemein beliebt die
Phantasie von der Feminisierung ist. Manchmal verleitet der
Gedanke zu Experimenten mit rezeptfreien östrogenartigen
Substanzen, oder vielleicht ein oder zwei heimlich abgezweigten
Antibaby-Pillen. Das ist ziemlich wirkungslos, aber die Tatsache,
daß die Verkäufer große Mengen dieser östrogenartigen Mittel
absetzen (zu Mondpreisen - es wäre tatsächlich billiger und
genauso wirkungsvoll, eine Packung Smarties zu kaufen), reicht
aus, die weite Verbreitung dieser Weiblichkeitsträume zu
beweisen. Für die meisten von uns bleibt das aber nur eine mehr
oder weniger starke Phantasie. Aber was ist mit jenen von uns,
die sich dafür entscheiden, diese Träume Wirklichkeit werden zu
lassen? Und was ist, wenn Du verheiratet bist?
Laßt uns mal das Szenario durchspielen, in dem die Partnerin
eure Transgender-Natur und sogar euren rasierten Körper
akzeptiert. Wird sie die Erscheinung von Brüsten bei euch
hinnehmen? Die Antwort ist ziemlich einfach - es ist nicht sehr
wahrscheinlich. Denkt daran: Wenn sie Dich geheiratet hat, einen
Mann, ist sie sehr wahrscheinlich eine hauptsächlich
heterosexuelle Frau. Sie hat sich nicht für ein Leben mit einer
anderen Frau "verpflichtet" - keine Frau dieser Welt
verwandelt sich in der Mitte ihres Lebens in eine
"Lesbierin". (Anm.d.Ü.: Feministinnen widersprechen
dieser Ansicht.) Brüste, besonders in unserer Gesellschaft,
gelten als Erkennungsmerkmal von Frauen. Wenn Dein
Erscheinungsbild sich ändert, so wird dies auch Deine
Partnerschaft tun. Die Verweiblichung verändert nicht nur Dein
Leben, sondern hat auch auf ihres einen starken Einfluß. Gibt es
eine Lösung für dieses Dilemma jener zwei entgegengesetzten
Bedürfnisse, Dein Wunsch nach Verweiblichung und Ihr Wunsch, den
Mann zu behalten, den sie geheiratet hat?
Nehmen wir an, Du triffst eine fundierte Entscheidung, Deinen
Körper Deinen Vorstellungen anzupassen. Wenn Du es im Voraus mit
ihr besprichst (und das solltest Du), wird sie wahrscheinlich
sagen: Nicht um alles in der Welt. Hast Du wirklich etwas anderes
erwartet? Ich glaube, viele von uns erwarten von unseren Frauen
(in der Phantasie), daß sie diese Idee freudig willkommen
heißen. Aber es gibt in dieser Angelegenheit keinen wirklichen
Kompromiß - wenn Du Deine Partnerschaft weiterführen willst,
wird einer von euch beiden durch die endgültige Entscheidung
unglücklich werden. Und da ich uns gut genug kenne, halte ich es
für wahrscheinlich, daß sie es ist, die unglücklich wird. Zu
unserem Glück sind Frauen meist wunderbar anpassungsfähig
(anpassungsfähig heißt hier nicht unqualifizierte Duldung),
solange andere Seiten der Beziehung diese als erhaltenswert
erscheinen lassen.
Der Kernpunkt für Diskussion und Kompromiß mit Deiner Frau ist
euer gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit und euer
Sexualleben. Und das ist ein problematischer Bereich, einige
Dinge wirst Du nicht mehr als ein Mann tun können,. wenn ihr z.B
begeisterte Wassersportler seid. Ihr müßt euch beide neue
Hobbies suchen - außer sie ist bereit Dich im Badeanzug zu
ertragen, wenn ihr mit euren alten Sportkumpels unterwegs seid.
Ferner ist da die Frage, welche Kleidung Du in Gegenwart von
Freunden und Familie trägst, wenn von Dir eine männliche
Erscheinung erwartet wird. Die engen Polohemden kannst Du
wegwerfen, die zeigen alles ein klein wenig zu deutlich. Und wenn
ein Sport-BH nicht genug kaschiert, lege Dir ein reichliches
Lager an Verbandsmaterial zu (längeres Tragen von Bandagen ist
der Bequemlichkeit nicht gerade förderlich). Du hast
wahrscheinlich schon herausgefunden, daß Du von Zeit zu Zeit
noch als Mann erscheinen mußt (das ist nicht die leichteste
Sache der Welt), damit sie gelegentlich noch etwas von dem Mann
sieht, den sie geheiratet hat. Sie braucht diese Bestätigung,
daß Du noch ein Mann bist. Apropos Bestätigung der
Männlichkeit: Werfen wir jetzt mal einen Blick ins Schlafzimmer.
Sicherlich, die meisten von uns gehören nicht zu der
dominierenden Sorte Männer im Bett - zumindest nicht, wenn wir
älter werden und es nicht mehr so auf Anhieb bringen wie in
jüngeren Jahren. Könnt ihr beide offen miteinander über eure
sexuellen Bedürfnisse sprechen? Bedauerlicherweise scheinen die
meisten Paare selbst nach Jahren der Ehe noch Hemmungen zu haben
über das Tabuthema der Schlafzimmerdiplomatie zu reden.
(Zugegeben, es ist wesentlich einfacher, die Frau im Spiegel zu
hofieren). Aber wenn die Sache klappen soll, solltet ihr
miteinander arbeiten (eine Menge). Weil Du von Zeit zu Zeit mit
ihr in die Öffentlichkeit mußt, mußt Du vermutlich ab und zu
die traditionelle Männerrolle übernehmen, um ihr die Gewißheit
eines richtigen Mannes an ihrer Seite zu geben.
Ihr beide solltet voneinander wissen, was euch gefällt. Erwarte
nicht von ihr, daß sie allzu begierig darauf ist Deine
sprießenden Brüste zu streicheln (selbst wenn sie das getan
hat, als Du noch männlicher warst. Das Gefühl ist doch ein
wenig anders und wird sie wahrscheinlich eher abkühlen.). Ihr
könnt ja mal eine persönliche Übersicht über das aufstellen,
was euch anmacht bzw. abkühlt und sie miteinander vergleichen,
um so Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wenn ihr keine
Gemeinsamkeiten habt, wird es schwierig. Ihr könntet euch darauf
einigen, wechselseitig aufeinander einzugehen statt auf
gleichzeitige Lust abzuzielen. Eure Fähigkeit, als Partner einen
lebbaren Kompromiß im Schlafzimmer zu finden, zeigt eine
wirklich liebe- und verständnisvolle Beziehung, die sich
zweifellos auch auf andere Aspekte eurer Beziehung auswirkt. Sex
ist nicht alles, aber für die meisten von uns ist es doch ein
wichtiger Teil der Beziehung.
An diesem kritischen Augenblick in der Diskussion wollen wir
nicht die Tatsachen und Mythen über Sex und Hormone
verschweigen. Behält ein Mann seine Potenz nach längerer hoher
Dosierung (ausreichend für Feminisierung)? Bei gewöhnlichen
Männern wird Feminisierung wahrscheinlich einen psychologischen
Block hervorrufen, aber beim Transgender-Mann scheinen die
Hormone keine völlige Impotenz hervorzurufen. Ja, die
Testosteron-beeinflusste Libido wird vermindert (verminderter
männlich-typischer Sexualtrieb), aber die körperliche und
geistige Potenz bleibt erhalten, vorausgesetzt, eine
entsprechende Anregung ist vorhanden (Dies trifft wohl auf fast
alle Männer im mittleren Alter zu).
Welche physiologischen Veränderungen gibt es? Nun, die
Penisgröße im nicht-erregten Zustand wird sich vermindern,
ebenso die der Hoden. Plane nicht, Kinder zu zeugen, denn
während Deiner Hormoneinnahme wirst Du aller Wahrscheinlichkeit
nach praktisch unfruchtbar sein (extrem niedrige Spermamenge).
Das Ejakulat schließlich wird fast klar und die Menge minimal
(nur noch Samenflüssigkeit). Du wirst auch feststellen, daß es
weniger Gleitflüssigkeit gibt - die Haut ist empfindlicher auf
Reibung. Ungeachtet dieser physischen Änderungen bleibt die
männliche Potenz erhalten. Zusammenfassend ist zu sagen, die
Entscheidung des verheirateten Transgender-Mannes, Hormone zu
nehmen, bleibt die Entscheidung des Mannes; dies ist kein Bereich
für Kompromisse.
Was in der Beziehung passiert wenn der Mann beginnt, Hormone zu
nehmen, ist das Resultat des Kompromisses, wenn die Beziehung
funktionsfähig ist und es sich lohnt, sie fortzusetzen. Ebenso
wie der Umgang mit der Transgender-Natur selbst ist der
Hormongebrauch ein Bereich, in dem beide Ehepartner Verständnis
für die Bedürfnisse des Anderen zeigen und, soweit möglich,
brauchbare Lösungen ausarbeiten müssen. Hier gibt es keine
richtigen und falschen Antworten. Jede Lösung basiert auf den
persönlichen Umständen innerhalb der Partnerschaft. Keiner von
beiden wird allezeit glücklich sein, aber beide können die
meiste Zeit glücklich sein, wenn die Partnerschaft tragfähig
ist (was natürlich für jede Beziehung zutrifft).
In diesem Pokerspiel (gewiß mit keinem schlechten Blatt)
versuchen beide Partner, ihre recht ungewöhnlichen Karten
bestmöglich auszuspielen. Vielleicht es ist möglich, gegen alle
Wahrscheinlichkeiten einen Sieg für beide herauszuschlagen.
Spiele besser die Buben aus. Asse sind zu riskant ...
© 1992 by Society for the Second Self Femme Mirror Fall 1992
Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Katharina
Surhoff und Eva Kröcher
© 95 Veröffentlichung nur mit Zustimmung der Autorinnen/ Unauthorized Publishing prohibited