Hormone und Ehe - Phantasie und Wirklichkeit

von Tere Frederickson, Tri-Ess

Heart of Texas Chapter


Die Feminisierung ihres Körpers scheint ein allgemeines Thema und fast dauernder Traum vieler Transgender-Männer zu sein. Wir fragen uns oft, wie denn die Frau im Spiegel aussehen würde, wenn sie einen weichen anschmiegsamen Körper und echte Brüste hätte - ihr wißt schon, das Faltposter aus dem Playboy. Geschäftsleute, die an unserer Gemeinschaft Geld verdienen, sind sich dieser Träume von Weiblichkeit nur zu gut bewußt und spielen das in ihren Werbeanzeigen aus. Ihr kennt die großbrüstigen Frauen mit männlicher Ausstattung aus der Werbung. Das Thema Verweiblichung ist zudem in den Fantasy-Geschichten, die in unserer Gemeinschaft vermarktet werden, recht häufig zu finden (ich spreche hier nicht von Schundliteratur). Das alles zeigt nur, wie allgemein beliebt die Phantasie von der Feminisierung ist. Manchmal verleitet der Gedanke zu Experimenten mit rezeptfreien östrogenartigen Substanzen, oder vielleicht ein oder zwei heimlich abgezweigten Antibaby-Pillen. Das ist ziemlich wirkungslos, aber die Tatsache, daß die Verkäufer große Mengen dieser östrogenartigen Mittel absetzen (zu Mondpreisen - es wäre tatsächlich billiger und genauso wirkungsvoll, eine Packung Smarties zu kaufen), reicht aus, die weite Verbreitung dieser Weiblichkeitsträume zu beweisen. Für die meisten von uns bleibt das aber nur eine mehr oder weniger starke Phantasie. Aber was ist mit jenen von uns, die sich dafür entscheiden, diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen? Und was ist, wenn Du verheiratet bist?

Laßt uns mal das Szenario durchspielen, in dem die Partnerin eure Transgender-Natur und sogar euren rasierten Körper akzeptiert. Wird sie die Erscheinung von Brüsten bei euch hinnehmen? Die Antwort ist ziemlich einfach - es ist nicht sehr wahrscheinlich. Denkt daran: Wenn sie Dich geheiratet hat, einen Mann, ist sie sehr wahrscheinlich eine hauptsächlich heterosexuelle Frau. Sie hat sich nicht für ein Leben mit einer anderen Frau "verpflichtet" - keine Frau dieser Welt verwandelt sich in der Mitte ihres Lebens in eine "Lesbierin". (Anm.d.Ü.: Feministinnen widersprechen dieser Ansicht.) Brüste, besonders in unserer Gesellschaft, gelten als Erkennungsmerkmal von Frauen. Wenn Dein Erscheinungsbild sich ändert, so wird dies auch Deine Partnerschaft tun. Die Verweiblichung verändert nicht nur Dein Leben, sondern hat auch auf ihres einen starken Einfluß. Gibt es eine Lösung für dieses Dilemma jener zwei entgegengesetzten Bedürfnisse, Dein Wunsch nach Verweiblichung und Ihr Wunsch, den Mann zu behalten, den sie geheiratet hat?

Nehmen wir an, Du triffst eine fundierte Entscheidung, Deinen Körper Deinen Vorstellungen anzupassen. Wenn Du es im Voraus mit ihr besprichst (und das solltest Du), wird sie wahrscheinlich sagen: Nicht um alles in der Welt. Hast Du wirklich etwas anderes erwartet? Ich glaube, viele von uns erwarten von unseren Frauen (in der Phantasie), daß sie diese Idee freudig willkommen heißen. Aber es gibt in dieser Angelegenheit keinen wirklichen Kompromiß - wenn Du Deine Partnerschaft weiterführen willst, wird einer von euch beiden durch die endgültige Entscheidung unglücklich werden. Und da ich uns gut genug kenne, halte ich es für wahrscheinlich, daß sie es ist, die unglücklich wird. Zu unserem Glück sind Frauen meist wunderbar anpassungsfähig (anpassungsfähig heißt hier nicht unqualifizierte Duldung), solange andere Seiten der Beziehung diese als erhaltenswert erscheinen lassen.

Der Kernpunkt für Diskussion und Kompromiß mit Deiner Frau ist euer gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit und euer Sexualleben. Und das ist ein problematischer Bereich, einige Dinge wirst Du nicht mehr als ein Mann tun können,. wenn ihr z.B begeisterte Wassersportler seid. Ihr müßt euch beide neue Hobbies suchen - außer sie ist bereit Dich im Badeanzug zu ertragen, wenn ihr mit euren alten Sportkumpels unterwegs seid. Ferner ist da die Frage, welche Kleidung Du in Gegenwart von Freunden und Familie trägst, wenn von Dir eine männliche Erscheinung erwartet wird. Die engen Polohemden kannst Du wegwerfen, die zeigen alles ein klein wenig zu deutlich. Und wenn ein Sport-BH nicht genug kaschiert, lege Dir ein reichliches Lager an Verbandsmaterial zu (längeres Tragen von Bandagen ist der Bequemlichkeit nicht gerade förderlich). Du hast wahrscheinlich schon herausgefunden, daß Du von Zeit zu Zeit noch als Mann erscheinen mußt (das ist nicht die leichteste Sache der Welt), damit sie gelegentlich noch etwas von dem Mann sieht, den sie geheiratet hat. Sie braucht diese Bestätigung, daß Du noch ein Mann bist. Apropos Bestätigung der Männlichkeit: Werfen wir jetzt mal einen Blick ins Schlafzimmer. Sicherlich, die meisten von uns gehören nicht zu der dominierenden Sorte Männer im Bett - zumindest nicht, wenn wir älter werden und es nicht mehr so auf Anhieb bringen wie in jüngeren Jahren. Könnt ihr beide offen miteinander über eure sexuellen Bedürfnisse sprechen? Bedauerlicherweise scheinen die meisten Paare selbst nach Jahren der Ehe noch Hemmungen zu haben über das Tabuthema der Schlafzimmerdiplomatie zu reden. (Zugegeben, es ist wesentlich einfacher, die Frau im Spiegel zu hofieren). Aber wenn die Sache klappen soll, solltet ihr miteinander arbeiten (eine Menge). Weil Du von Zeit zu Zeit mit ihr in die Öffentlichkeit mußt, mußt Du vermutlich ab und zu die traditionelle Männerrolle übernehmen, um ihr die Gewißheit eines richtigen Mannes an ihrer Seite zu geben.

Ihr beide solltet voneinander wissen, was euch gefällt. Erwarte nicht von ihr, daß sie allzu begierig darauf ist Deine sprießenden Brüste zu streicheln (selbst wenn sie das getan hat, als Du noch männlicher warst. Das Gefühl ist doch ein wenig anders und wird sie wahrscheinlich eher abkühlen.). Ihr könnt ja mal eine persönliche Übersicht über das aufstellen, was euch anmacht bzw. abkühlt und sie miteinander vergleichen, um so Gemeinsamkeiten zu entdecken. Wenn ihr keine Gemeinsamkeiten habt, wird es schwierig. Ihr könntet euch darauf einigen, wechselseitig aufeinander einzugehen statt auf gleichzeitige Lust abzuzielen. Eure Fähigkeit, als Partner einen lebbaren Kompromiß im Schlafzimmer zu finden, zeigt eine wirklich liebe- und verständnisvolle Beziehung, die sich zweifellos auch auf andere Aspekte eurer Beziehung auswirkt. Sex ist nicht alles, aber für die meisten von uns ist es doch ein wichtiger Teil der Beziehung.

An diesem kritischen Augenblick in der Diskussion wollen wir nicht die Tatsachen und Mythen über Sex und Hormone verschweigen. Behält ein Mann seine Potenz nach längerer hoher Dosierung (ausreichend für Feminisierung)? Bei gewöhnlichen Männern wird Feminisierung wahrscheinlich einen psychologischen Block hervorrufen, aber beim Transgender-Mann scheinen die Hormone keine völlige Impotenz hervorzurufen. Ja, die Testosteron-beeinflusste Libido wird vermindert (verminderter männlich-typischer Sexualtrieb), aber die körperliche und geistige Potenz bleibt erhalten, vorausgesetzt, eine entsprechende Anregung ist vorhanden (Dies trifft wohl auf fast alle Männer im mittleren Alter zu).
Welche physiologischen Veränderungen gibt es? Nun, die Penisgröße im nicht-erregten Zustand wird sich vermindern, ebenso die der Hoden. Plane nicht, Kinder zu zeugen, denn während Deiner Hormoneinnahme wirst Du aller Wahrscheinlichkeit nach praktisch unfruchtbar sein (extrem niedrige Spermamenge). Das Ejakulat schließlich wird fast klar und die Menge minimal (nur noch Samenflüssigkeit). Du wirst auch feststellen, daß es weniger Gleitflüssigkeit gibt - die Haut ist empfindlicher auf Reibung. Ungeachtet dieser physischen Änderungen bleibt die männliche Potenz erhalten. Zusammenfassend ist zu sagen, die Entscheidung des verheirateten Transgender-Mannes, Hormone zu nehmen, bleibt die Entscheidung des Mannes; dies ist kein Bereich für Kompromisse.

Was in der Beziehung passiert wenn der Mann beginnt, Hormone zu nehmen, ist das Resultat des Kompromisses, wenn die Beziehung funktionsfähig ist und es sich lohnt, sie fortzusetzen. Ebenso wie der Umgang mit der Transgender-Natur selbst ist der Hormongebrauch ein Bereich, in dem beide Ehepartner Verständnis für die Bedürfnisse des Anderen zeigen und, soweit möglich, brauchbare Lösungen ausarbeiten müssen. Hier gibt es keine richtigen und falschen Antworten. Jede Lösung basiert auf den persönlichen Umständen innerhalb der Partnerschaft. Keiner von beiden wird allezeit glücklich sein, aber beide können die meiste Zeit glücklich sein, wenn die Partnerschaft tragfähig ist (was natürlich für jede Beziehung zutrifft).
In diesem Pokerspiel (gewiß mit keinem schlechten Blatt) versuchen beide Partner, ihre recht ungewöhnlichen Karten bestmöglich auszuspielen. Vielleicht es ist möglich, gegen alle Wahrscheinlichkeiten einen Sieg für beide herauszuschlagen. Spiele besser die Buben aus. Asse sind zu riskant ...

© 1992 by Society for the Second Self Femme Mirror Fall 1992

Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übertragen von Katharina Surhoff und Eva Kröcher


© 95 Veröffentlichung nur mit Zustimmung der Autorinnen/ Unauthorized Publishing prohibited

Vielen Dank Claudia