Erlebtes und Gedanken zu meiner

geschlechtskorrigierenden Operation

Zustand 8 Monate nach der Operation oder was hat sich im letzten halben Jahr verändert? 

Vorgeschichte: Seit November 1984 nehme ich Hormontabletten ein. Im Spätsommer 1985 begann ich mit dem Alltagstest, wobei ich nach wenigen Wochen die ersten Ausweisprobleme bekam. In der Folge organisierten meine Ärzte eine Vornamensänderung auf den geschlechtsneutralen Namen "Chris". Diese Namensänderung hat mir vieles erleichtert, jedoch angesichts der Situation der Transgenders in Österreich ist dies nur eine halbe Lösung. Als Folge häuften sich mit den Jahren die Fehler in- u. ausländischer Organisationen in bezug auf mein "juristisches Geschlecht".

Spitalsaufnahme: Am 6. Juni 1999 meldete ich mich wie vereinbart am späteren Vormittag in der Rudolfsstiftung. Mein seelischer Zustand ist nicht der beste, die letzten 2 Wochen habe ich nichts vernünftiges mehr zusammengebracht. Die letzten Stunden begleitete mich Ch. M. (ein guter Freund aus der Szene) - herzlichen Dank, die Seelenmassage brauchte ich. Abends begannen die Vorbereitungen.

Operationstag: Beim Wecken hieß es, ich soll gleich Körperpflege machen, denn ich werde als erstes operiert. Ist mir ausgesprochen recht - habe ich keine Zeit mehr zum Nachdenken. Kaum bin ich fertig, ging es auch schon los. Gleich nachdem ich in den Operationssaal gebracht wurde, bekomme ich die Narkose und schlafe weg. Damit bekomme ich die Vorbereitungen nicht mehr mit, was mir auch ausgesprochen recht ist.

Abends wachte ich auf. Wesentliche Schmerzen hatte ich nicht, ich versuchte mich auf die Seite zu legen, was mir auch gelang, allerdings brauchte ich einen zusammengefalteten Polster zwischen den Beinen.

Erste postoperative Woche: Anfangs war ich mit dem Kreislauf ziemlich schwach, aber 2 Konserven aus meiner Eigenblutvorsorge bringen mich aus dem Bett. Dann gab es noch Probleme mit dem Stuhlgang - selber schuld, ich hatte die Schleimsuppe mehrmals verweigert. Dies führte auch zu einem zusätzlichen Tag Spitalsaufenthalt, denn durch die Durchfälle hatte ich zuwenig Harn fürs spontane Urinieren. Während der ganzen Woche hatte ich zwar Schmerzen, die ich jedoch problemlos wegstecken kann. Es ist eben im Operationsgebiet alles angeschwollen, das spürt der Körper. Vielen Dank an Alle aus unserer Szene, die mich besuchten und mir halfen, die Zeit zu vertreiben.

Entlassungstag: Am 13. Juni 1999 wurde ich zu Mittag entlassen. Mit dem Taxi geht es nach Hause. Nach einer kurzen Erholung ging ich noch zur EU-Wahl. Für diesen Weg brauchte ich mindestens dreimal so lange und anschließend lege ich mich gerne ins Bett. Abends hatte ich dann ein sehr böses Erlebnis - Inkontinenz!!! Die Blase hat sich von selbst entleert. Ich spüre nicht mehr den Füllungszustand dieses wichtigen Organs. Dies tritt in den folgenden Wochen trotz äußerster Vorsicht weitere zwei Mal auf. Die Stimmung ist total am Boden. Die Schmerzen sind auch ohne Medikamente aushaltbar. Sitzen geht nur auf weichen Pölstern und das auch nur kurz. Bei Bewegungen werde ich durch die Schwellungen mechanisch behindert.

Weiterer Heilungsverlauf: Von Woche zu Woche bessert sich mein Zustand und ich beginne nach drei Wochen wieder stundenweise zu arbeiten. Zwischendurch gibt es immer wieder Rückschläge. Die Miktion (=Urinieren) funktioniert nicht zufriedenstellend - anfangs ist kein Harnstrahl vorhanden, der Harn rinnt vollständig über Anus und Hintern ab.

Zustand 8 Wochen nach der Operation: Nicht zufriedenstellend. Es sind noch leichte Schwellungen vorhanden, die ich als unangenehmes Gefühl spüre. Richtige Schmerzen habe ich noch zeitweise beim Sitzen und Stiegensteigen. Die Miktion ist fallweise akzeptabel, öfters jedoch nicht. Nach Aussage meines Operateurs berühren sich die "Labien". Er bietet mir eine Nachoperation an, auf die ich wirklich nicht scharf bin. Die letzten Nähte bereiten mir noch Probleme, sie werden unter Vereiterung abgestoßen. Sensibel sind nur die äußeren Anteile des Kunstgenitales.

Psyche: Unmittelbar prä- und postoperativ sehr mies. War zuerst die Angst vor Komplikationen und die nur teilweise Freiwilligkeit des Entschlusses zur Operation, so drücken postoperativ vor allem die Probleme mit der Miktion sehr die Stimmung. Mit Arbeitsbeginn versuchte ich wieder ins "normale" Leben zurückzukehren, was mir jedoch bis heute nicht gelungen ist. Trotzdem war es für mich wichtig, dass ich wenigstens zeitweise aus der Wohnung rauskomme und einige Stunden am Arbeitsplatz verbringen und einige Aufgaben erledigen konnte (Danke an meinen Vorgesetzten für die geübte Nachsicht).

Zufriedenheit: Nicht gegeben! Hier muss ich jedoch eine Lanze, nein besser ein großes Schwert, für meinen Operateur brechen: Er hat sicherlich beste Arbeit geleistet, hier gibt es von mir nicht die kleinste Kritik. Da ich selbst während meiner Universitätsausbildung bei Operationen assistiert habe, weiß ich, wie schwierig es ist, eine Naht auf einen halben Millimeter genau zu setzen. Darin liegt jedoch die Ursache obiger Schwierigkeiten.

An dieser Stelle möchte ich jedoch auch großes Lob und Dank aussprechen: Herzlichen Dank an meinen Operateur und seinen Kollegen in der Rudolfsstiftung für die wirklich gute und fachkundige Betreuung. Vielen, vielen Dank auch an das Schwesternteam, die mich supernett betreuten und pflegten und mir auch seelisch beistanden. Ich habe mich richtig wohl gefühlt in dieser Woche und habe mich eigentlich mit Wehmut von meinen Betreuerinnen verabschiedet.

Die Frage, ob ich mich nochmals unters Messer legen würde, kann ich nicht klar beantworten. Version 1: Wäre die juristische Lage in Österreich menschenwürdiger und hätte ich die Chance, in meinem Wunschgeschlecht ganz offiziell leben zu dürfen, wäre es sicherlich nicht zur Operation gekommen.

Version 2: Angesichts der miesen Lage in Österreich - ich kann die Frage nicht beantworten. Prinzipiell bin ich froh, dass es die grässliche Fleischwurst zwischen den Beinen nicht mehr gibt. Aber die Probleme, die ich mir durch die Operation eingehandelt habe, sind sehr schwerwiegend. Zweifelsohne habe ich an Lebensqualität eingebüßt. Schwammerlsuche und andere Outdoorevents in freier Natur wird es angesichts der Miktionsprobleme wohl nicht mehr geben.

 

Der negative Höhepunkt: Meine Krankenzusatzversicherung Merkur. Diese Herrschaften sind nach wie vor der Meinung, dass Transsexualismus eine Marotte oder so etwas ähnliches ist. Ihnen scheint unbekannt zu sein, dass es einen internationalen Code dafür sogar gibt. Sie verweigerten die Zahlung. Dazu muss ich anmerken, dass ich bereits als kleines Kind Versicherungsnehmer war und in ca. 40 Jahren nur zwei kurze Spitalsaufenthalte zu zahlen waren. Nach Prüfung der Rechtslage wird es im Herbst wahrscheinlich zu einem Duell auf Gerichtsebene kommen.

Resümee: Prinzipiell sehe ich meine Operation als "Flucht vor dem Feind". Der Feind sind hier die Behörden, die christlichen Religionsgemeinschaften (eines der zehn Gebote befiehlt Nächstenliebe - das vergessen die Würdenträger sehr gerne) und die (konservativen) politischen Parteien am rechten Rand, die uns nach wie vor ein menschenwürdiges Leben verweigern. Für mich ist jetzt noch weniger einsehbar, warum ich mich einem verstümmelnden Eingriff (siehe oben beschriebene Probleme) unterziehen musste, um in meinem Wunschgeschlecht legal leben zu dürfen. Hier muss schleunigst ein Umdenken mancher für Österreich Verantwortlichen einsetzen.

Nach wie vor fühle ich mich als eine Mischung beider Geschlechter mit einem deutlichen Überhang der weiblichen Komponente. Ich wäre gerne eine richtige Frau, weiß aber, dass ich es nie erreichen werde können. Diesbezüglich hat mich die Operation nicht weitergebracht. Ich werde auch in der Zukunft versuchen, so gut es mir gelingt, als Frau zu leben. Leichter ist es nicht geworden.

Ebenso finde ich als ausgesprochen bedrückend, dass ich nicht mehr eine Frau ehelichen darf, obwohl das chromosomale Geschlecht nach wie vor männlich ist. Die Homophobie treibt hier in diesem Lande wohl indiskutable Auswüchse. Die Homophobie der österreichischen Gesellschaft kann nur als eine Perversion gewertet werden.

 

Dr. Chris Rosenkranz


Zustand 8 Monate nach der Operation od. was hat sich im letzten halben Jahr verändert?

Kurze Antwort: sehr viel zum Positiven.

Ich bin jetzt wesentlich zufriedener und glücklicher, dass ich den Schritt der Operation gewagt habe. Die Wunde ist jetzt verheilt, das hat bei mir aufgrund persönlicher medizinischer Gründe eben länger gedauert. Der überwiegende Teil der von mir im letzten Sommer beschriebenen Probleme ist verschwunden. Die Sensibilität des neuen Genitales ist sehr gut. Sexuelle Möglichkeiten, die ich bis jetzt gehasst habe, erfreuen mich jetzt. Das Gefühl, dass nichts Lästiges zwischen den Beinen baumelt, ist unbeschreiblich toll. Dies bringt einfach neue Freiheiten.

Die Frage, ob ich mich nochmals dieser Operation unterziehen würde, will ich heute völlig anders beantworten wie im letzten Sommer. Sie lautet ein klares JA zur Operation!!! Manchmal bedauere ich es, dass ich es nicht schon etwas früher gewagt habe. Andererseits habe ich gerade in den letzten fünf Jahren vor der Operation, in denen ich doch schon weitestgehend als Frau anerkannt in der Gesellschaft gelebt habe, auch sehr wesentliche Erfahrungen gelernt, die mir halfen, die schwere Krise vor und unmittelbar nach der Operation einigermaßen gut zu überstehen.

Resümierend kann ich sagen, dass sich mein Leben jetzt (unerwartet) geändert hat. Ich bin wesentlich ausgeglichener und auch nicht mehr so leicht verletzbar. Wenn ich auch schon vor der Operation das Leben einer integrierten transsexuellen Frau gelebt habe, sind jetzt doch neue Möglichkeiten und vor allem auch Erleichterungen hinzugekommen. Alleine die juristische Anerkennung in meinem Identitätsgeschlecht bringt schon ein wesentlich selbstsicheres Auftreten mit sich.

Neue Ufer sind als schmaler Streifen am Horizont in Sicht. Ich steuere mit großem Elan und mit viel freudiger Erwartung in voller Fahrt voraus darauf zu. Liebe Freundinnen und Freunde, es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Ich war gerne hier in der Transgender-Community und möchte zum Abschied auch mal „Danke“ für die gemeinsamen schönen Stunden sagen.

Zum Abschluss möchte ich noch zwei Ratschläge hier geben:

1.) Die Operation ist nicht der richtige Weg für alle Transgenders. Darum überlegt es Euch äußerst gründlich, bevor Ihr den Chirurgen an Euch heranlässt. Meine Op ist trotz Komplikationen sehr gut gelaufen. Das muss nicht so toll ausgehen. Bedenkt, dass sich die Sexualität durch die Operation verändert. Jede(r), der/die in seinen/ihren durch das biologische Geschlecht vorgefundenen sexuellen Empfindungen und Gefühlen etwas Positives findet (und wenn es auch wirklich nur sehr wenig ist), dem rate ich dringendst an, den Operationsweg nicht zu gehen, ja nicht einmal in Erwägung zu ziehen. Steckt Eure Kraft und Elan in die Verbesserung der derzeitigen miesen Gesetzessituation in Österreich. Ich weiß, ist bei unserer neuen Rechtsregierung sehr schwierig, aber gebt nicht auf. Auch diese politische Wirr-Periode wird mittelfristig zu Ende gehen!

2.) Für diejenigen, die den Weg der geschlechtsanpassenden Op. gehen wollen: Das Wichtigste ist, lasst Euch Zeit. Hudelt nicht hin zur Operation. Nicht nur sie selbst, sondern auch die erste Zeit danach ist eine schwierige und harte Periode. Geht erst zur Operation, wenn Ihr als transsexuelle Frau einen hohen Grad an Integration in der Gesellschaft erzielt habt. Die Op kann dabei Euch fast nicht helfen, sie löst nur körperliche Probleme, aber nicht mehr. Das Leben danach birgt auch Schwierigkeiten, die gemeistert werden wollen, und Ihr werdet auch an Euer altes Leben laufend erinnert. Da helfen auch keine Sekundäroperationen. Abschließend noch ein Satz zu Hormone: weniger ist oft mehr! Wenn Euch die Endokrinologen zu niedrigen Dosen raten, dann bitte hält Euch daran. Die wissen schon warum, es gibt eben Risken. Oder wollt Ihr nicht Euer Leben im Wunschgeschlecht möglichst lang ausleben?

 

                                                                              Tschüss und Adieu

                                                                            Eure Chris Rosenkranz