Die Geschlechter-Regeln
Originaltitel: The Gender Rules
Originalautorin: Marla Louise
Übersetzt von Frances
In der Gender-Community gibt es eine subtile Rangfolge.
An der Spitze stehen die Transsexuellen, die sowohl ihre
Geschlechtsrolle als auch ihre äußeren Geschlechtsmerkmale
ändern wollen (oder sie schon geändert haben), und damit im
Prinzip ihr Geschlecht ändern.
Unter ihnen stehen die Transgender, die wahrscheinlich ihren
Körper etwas verändert haben und, was viel wichtiger ist, die
ihre "Geschlechtsrolle" geändert haben, welche ihnen
die Gesellschaft mit der Geburt zugeordnet hatte.
Unter diesen beiden steht der Transvestit. Innerhalb der
Kategorie der Transvestiten würde ich zwei wesentliche
Untergruppen sehen. Die eine ist der "Bigendered
Transvestit", dessen "Person" beide Geschlechter
umfaßt, d.h. er wechselt zwischen den Geschlechtsrollen hin und
her und ist je nach Bedarf ein Mitglied des einen oder des
anderen Geschlechts. Die zweite Untergruppe der Transvestiten
würde ich den "erforschenden" Transvestiten nennen.
Das ist jemand, der seine "Geschlechtsrolle", die er
mit der Geburt zugeordnet wurde, nicht verläßt; aber er ist
bereit, gesellschaftliche Regeln wahrzunehmen und zu brechen, um
das andere Geschlecht zu probieren. Das kann er aus vielerlei
Gründen machen. Einer der offensichtlichsten ist sexuell, aber
das ist bestimmt nicht der einzige Grund.
Und schließlich, unter all diesen sind die
"Straights", d.h ganz "Normale", die in ihrer
seit der Geburt festgelegten Geschlechtsrolle leben und sie auch
niemals verlassen, nicht einmal probehalber.
Warum diese Hierarchie in genau dieser Ordnung? Die Hierarchie
scheint die Bereitschft jedes einzelnen, seinen Körper zu
ändern, zu betonen. Nun unterstütze ich keinerlei
Rangordnungen, aber ich möchte eine Sicht auf eine andere
Hierarchie derart präsentieren, daß das Ergenis ein wenig
durcheinanderkommt. Einen Aspekt, der die Prioritäten etwas
umordnen könnte. Hier liegt die Betonung darauf, diese
Kategorien im Hinblick auf die gesellschaftlichen
"Geschlechter-Regeln" zu betrachten.
Die Gesellschaft hat einige sehr strenge Regeln über die
Geschlechter aufgestellt, die wir alle gut kennen. Normaler
bleiben sie ungeschrieben, aber ich möchte sie alle drei laut
aussprechen...
Regel 1: Das Geschlecht (die Geschlechtsrolle) jedes einzelnen
wird bei der Geburt festgelegt, und wenn sie einmal festgelegt
ist, kann sie nicht mehr geändert werden.
Regel 2: Das Geschlecht jedes einzelnen definiert sich durch die
Form der äußeren Geschlechtsmerkmale, die jemand aufweist.
Regel 3: Es gibt nur zwei Geschlechter und jedes Mitglied der
Gesellschaft muß Mitglied eines und _nur_ eines Geschlechts
sein.
Eine Bemerkung zu diesen Regeln. Viele Mitglieder unserer
Gesellschaft glauben an diese Regeln. Für sie ist das kein
Lippenbekenntnis, sondern ein so fester Glaube, daß sie keinen
Unterschied zwischen ihrem Glauben und der "Realität"
wahrnehmen. Für diese Individuen sind diese Regeln genauso wenig
zu brechen wie das Gesetz der Schwerkraft.
Was haben diese drei Regeln mit den Transgender-Kategorien zu
tun? Laß uns zuerst die größte Kategorie anschauen, die
"Straights". Sie folgen allen drei Regeln. Das machen
sie wahrscheinlich aus zwei Gründen. Entweder glauben sie an die
Geschlechter-Regeln und können sich es einfach nicht vorstellen,
daß sie jemand brechen kann. Oder, wenn das nicht der Fall ist,
finden sie, daß ihre "Person" gut mit diesen Regeln
klarkommt, und sie finden keinen Grund, die Regeln zu brechen.
Was ist, wenn wir nur die erste Regel ablehnen aber immer noch an
die Regeln zwei und drei glauben bzw. ihnen folgen? Wir haben die
Gruppe der Leute, die man Transsexuelle nennt. Sie lehnen die
erste Regel ab, indem sie ihr Geburtsgeschlecht zurückweisen,
aber sie folgen immer noch den Regeln zwei und drei. Sie ändern
ihre Genitalien, um diese ihrer geschlechtlichen Identität
anzupassen, indem sie eine und nur eine Geschlechtsrolle
annehmen. Ihr Lebensweg lehnt nur die erste Regel ab, indem sie
ihre ursprüngliche Geschlechtsrolle zurückweisen. Wie die
"Straights" stimmen sie den Regeln 2 und 3 zu, da sie
an diese ungeschriebenen Gesetze "glauben" oder weil
sie finden, daß ihre "Person" ganz gut innerhalb der
Regeln zwei und drei funktioniert.
Die nächsten sind die Transgender-Menschen. Sie brechen die
Regeln eins und zwei, aber folgen immer noch der dritten Regel
bzw. glauben an sie. Denn sie sie nehmen immer noch eine und nur
eine Gechlechterrolle an und identifizieren sich mit ihr.
Schließlich haben wir die Bigendered-Transvestiten. Um zu
existieren, müssen sie in ihrer Seele alle drei Regeln
ablehenen. Denn wenn sie an nur eine von ihnen glaubten, würde
es sie daran hindern, ihr Selbst zu leben. Sogar der
experimentierende Transvestit muß bereit sein, diese Regeln von
seiner Überzeugung weit genug zu abzugrenzen, damit er diese
Regeln zum Zweck des Erforschens brechen kann.
Was heißt das nun alles? Ich würde vorschlagen, daß die
angenommene Reihenfolge von den "Straights" über die
Transvestiten und die Transgendered hin zu den Transsexuellen
nicht die einzige Hierarchie ist. Es gibt eine andere Hierarchie
basierend auf der Ablehnung der gesellschaftlichen
Geschlechter-Regeln und dem Glauben daran. Abhängig davon, ob
das Ablehnen der geselschaftlichen Geschlechter-Regeln
"gut" oder "schlecht" ist, können wir nun
verschiedene "Reihenfolgen" in der Transgender-Welt
konstruieren. Denn es gibt sowohl eine gerechtfertigte
Reihenfolge von den "Straights" über die
Transsexuellen, die Transgendered hin zu den Transvestiten als
auch umgekehrt.
Eine andere Bemerkung. Intoleranz ist eines der Hilfsmittel,
derer sich die Gesellschaft bedient, um ihren "Regeln"
Nachdruck zu verleihen. Eine intolerante Person ist jemand, der
an eine "gesellschaftliche Regel" in einem solchen Grad
glaubt, daß er bereit ist, Mitglieder der Gesellschaft, die
nicht dieser gesellschaftlichen Regel folgen, abzulehnen, zu
demütigen und/oder ihnen Leid zuzufügen. Demzufolge versuchen
die Intoleranten der "Straights" in unserer
Gesellschaft, uns alle zu demütigen. Das bedeutet nicht, daß
alle "Straights" intolerant sind, aber es heißt, daß
Intolerante in mindestens eine der drei Geschlechter-Regeln so
sehr glauben müssen, daß sie bereit sind zu versuchen, diese
Regeln anderen aufzuzwingen.
In ähnlicher Weise habe ich zufällig ein paar intolerante TS
getroffen. Sie glauben an die Regeln zwei und drei und sind
bereit, jeden zu demütigen, der diesen Regeln nicht folgt!
Erneut bedeutet das nicht, daß alle TS intolerant sind (sie sind
weit davon entfernt!), aber es bedeutet, daß ein TS gegenüber
TG's und TV's intolerant sein kann, und das erklärt auch die
Intoleranz die wir sehen.
Aber bevor ihr TV's euch für etwas besseres haltet, möchte ich
auf einige TV's zeigen, die ebenfalls Geschlechter-Intoleranz
zeigen. Das kann die schlimmere Form der Intoleranz sein, wenn
sie für sich selbst willens sind, die Regeln zu brechen aber
dann auf andere herabsehen, die die Regeln vollständig ablehnen.
Oder sie versuchen eine andere gesellschaftliche Regel zu
erzwingen: "Das Fortpflanzungssystem jedes einzelnen ist
tabu."
An welche "Gesellschaftlichen Geschlechter-Regeln"
glaubst Du denn nun?
Danke Frances
Sabine