Karin Fickert hat sich bereiterklärt, ein Rohmanuskript Ihres Buches "Träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum !" (Protokoll eines geschlechtlichen Identitätsproblems und dessen Lösung) zur Verfügung zu stellen.
Hier findest Du Ihr Tagebuch zu Ihrer geschlechtsangleichenden Operation, die anderen Teile sind an anderen Stellen dieser Seite verarbeitet.

Vielen Dank, Karin !


Thema Kinder

Eine der oft problematischsten Thematiken im Bereich ist die Aufklärung der Kinder eines transsexuelle Elternteils. Speziell auf diesem Gebiet gehen die Meinungen von Experten in dem Fachbereich der Kinderpsychologie, als auch die Meinung der zuständigen Familienrichter stark auseinander.
Im hier in diesem Buch geschilderten Fall von Frau Karin Fickert spielen seitens der Kindesmutter, welche nach der Scheidung alleine Sorgeberechtigt für beide Kinder ist, so wie bei vielen anderen "normalen" Scheidungen auch, starke negative Emotionen mit.
Verschärfend wirkt hier natürlich auch noch die gegebene Situation der Transsexualität. Dieses Verhalten nimmt natürlich im Verarbeitungsprozeß der Kinder eine nicht unwesentliche Rolle ein. Um, nachdem es bereits von Anbeginn des vom - damals noch männlichen - Vaters wahrgenommenen Besuchsrechts auf Grund des Wissens um die Transsexualität zu - zum Teil massiven - Einschränkungen (Sport, Urlaub) kam, wurde eine nochmalige gerichtliche Klärung der Besuchsrechtsmöglichkeiten angestrebt.
Die Kinder haben bis April 1996 nur sehr wenig von der transsexuellen Problematik des Vaters bemerkt, da dieser darauf bedacht war seine Problematik aus Angst vor dem Entzug des Besuchsrechts den Kindern zu verheimlichen. Dies war wegen der zunehmenden Dynamik des Ereignisse ab April 96 absehbar nicht mehr möglich. Deshalb wurde ein Gespräch mit der Kindesmutter angestrebt, um in diesem die möglichen Vorgangsweisen bezüglich Aufklärung der damals 8 jährigen Tochter und des 4 jährigen Sohnes abzuklären. Dieses Gespräch zwischen den beiden Elternpaaren hatte jedoch nur die eine Konsequenz, daß nämlich die sehr bedenkliche Äußerung seitens der Mutter Zitat: "Wenn Du dich operieren läßt wirst Du die Kinder nicht mehr sehen!" fiel. Diese Drohung wurde dann auch wahr gemacht. Die Faktoren, die zu dieser Aussage führten, sind möglicherweise sehr vielschichtig und können nur in einer Gesamtanalyse der Partnerschaftsentwicklung einigermaßen objektiv bewertet werden.
Es gibt generell für den obsorgeberechtigten Elternteil so viele am Rande der Legalität befindlichen Möglichkeiten das Besuchsrecht des ehemaligen Partners/Partnerin zu verhindern, daß es für den um das Besuchsrecht bemühten Elternteil wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint. Obwohl in diesem speziellen Fall sowohl die Kinder und Jugendanwaltschaft, als auch die zuständige Referentin der Kinder und Jugendfürsorge die Vorgangsweise der Mutter nicht goutierten, gab es keine Hoffnung auf Besserung der Situation. Nachdem die nunmehr im vollen Alltagstest befindliche Fr. Fickert keine andere Möglichkeit sah ihre geliebten Kinder in absehbarer Zeit zu treffen, stellte sie beim zuständigen Familienrichter einen Antrag auf neuerliche überprüfung der Besuchsrechtsregelung. Da sich nach einem Gespräch mit beiden Seiten für ihn keine Lösung abzeichnete und er sich noch dazu von der Thematik her leicht überfordert fühlte, stellte er einen gerichtlichen Auftrag an einen derzeit hochrenommierten Kinderpsychologen ein Gutachten zu erstellen.
Nach Vorliegen dieses Gutachtens kam es zu einer Verhandlung. In dieser wurde festgestellt, daß die Kindesmutter in erster Linie ihre bislang negative Einstellung bezüglich des Geschlechtswechsels Ihres ehemaligen Partners ändern müßte, um anschließend die Kinder bei dem noch bevorstehenden thematischen Verarbeitungsprozess unterstützen zu können. Es ist Realität, daß die Kindesmutter daher mit Ihrem Verhalten die volle Verantwortung dafür trägt, ob die Kinder durch die gegebene weibliche Geschlechtsidentität Ihres Vaters, einen psychischen Schaden davontragen oder nicht, da dieser aus dem Informationsprozeß ausgeschlossen wurde.
Daher ist sie in der derzeitigen Situation die einzige maßgeblich beeinflussende Bezugsperson für die Kinder .
Auf Grund der Tatsache, daß die geschiedene Frau verbindlich eine Beratung in Anspruch soll, um für sich einmal das Thema Transsexualität positiv bewältigen zu können, wurde der Antrag auf gerichtliche Besuchsrechtsregelung von Fr. Fickert zurückgenommen.
Weiters erklärte sich Fr. Fickert aus freien Stücken bereit, die noch immer bestehende - anläßlich des Scheidungsverfahrens vereinbarte -Besuchsregelung auf ein Jahr auszusetzen, um hier einen Freiraum für die notwendige positive Bearbeitung seitens der geschiedenen Frau sowie der Kinder zu schaffen. Weiters hat sich Fr. Fickert verbindlich bereit erklärt für eventuelle den Krankenkassenersatz übersteigende Therapiekosten für die Kinder zu übernehmen um - falls erforderlich - eine bestmögliche Arztwahl zu gewährleisten.
Die in diesem Fall vom Richter angewandte Spruchpraxis - welche stark vom Inhalt des Gutachtens geprägt war - ist prinzipiell als Fortschrittlich zu betrachten. Es wurde klar und deutlich ausgesprochen, daß der obsorgeberechtigte Elternteil die Kinder in dem Bewußtsein aufziehen muß, daß der zweite Elternteil nunmehr im selben Geschlecht lebt wie der Obsorgeberechtigte. Weiters sind die Kinder dahingehend bei der Verarbeitung des Problems dahingehend positiv zu unterstützen, daß in absehbarer Zeit das Besuchsrecht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils wieder aufgenommen werden kann.

Beschluß betreffend zu erstellendes Gutachten (Besuchsrecht):
......zum Sachverständigen bestellt und wird ihm aufgetragen, dem Gericht binnen 10 Wochen Befund und Gutachten über nachstehende Fragen betreffend die obengenannten Mj. zu erstatten:
1.) gefährdet ein Besuchsrecht des Kindesvaters im Hinblick auf dessen bevorstehende Geschlechtsumwandlung die Entwicklung der Kinder;
bejahendenfalls:
2.) ist eine solche Gefährdung allenfalls auch auf Grund der auch für die Kinder merkbaren Transsexualität des Kindesvaters gegeben?

Auszug aus dem Gutachten:
Dem gegenständlichen Gutachten ist die Frage nach einer Gefährdung der Kinder durch ein Besuchsrecht des Kindesvaters gestellt.
Dieses muß bestätigt werden, es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Besuchsrecht auszusetzen, wobei der Kindesmutter ausdrücklich aufgetragen worden ist, auch weiterhin über den Kindesvater auch in veränderter Form, nämlich einer Geschlechtsumwandlung zu sprechen. Weder darf dieser Umstand verheimlicht noch verleugnet werden, vielmehr müssen die Kinder im Bewußtsein erzogen werden, daß ihr leiblicher Vater eine geschlechtsumwandelnde Operation durchgemacht hat. Bezüglich allfälliger späterer Besuchskontakte ist eine regelmäßige einmal im Jahr stattfindende Begutachtung der Kinder vonnöten.
Nachdem eine Gefährdung durch das Besuchsrecht des Vaters in Richtung der Identitätsfindung der Kinder angegeben ist, muß auch klar ausgedrückt werden, daß die Kinder die merkbaren Anzeichen der Transsexualität erkannt haben, sich damit bereits verarbeitend auseinandersetzen und dabei von Seiten der Mutter Unterstützung erhalten müssen.
Gegen ein sich den Kindern bewußt machen durch Briefe und kleine Geschenke ist nichts einzuwenden, vielmehr ist der Mutter aufzutragen, daß sie den Vater nicht ächtlich macht, auch nicht verleumdet und selbstverständlich den Kindern Lebenszeichen des Kindesvaters zur Verfügung stellt.
Spätfolgen und Langzeitschäden der Kinder sind nur dann zu vermeiden, wenn mit aller Klarheit, Deutlichkeit und Ehrlichkeit mit den Phänomenen, denen die Kinder ausgesetzt sind umgegangen wird. Eine psychotherapeutische Betreuung erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nötig.

Persönliche Meinung von Karin Fickert zu dieser Thematik:

In verschiedenen Gesprächsrunden mit Müttern annähernd gleichaltriger Kinder im Bekanntenkreis ergaben sich für die Kinder auf Grund meiner nunmehr vollzogenen geschlechtsanpaßenden Operation und dem damit einhergehenden Leben als Frau keine großen Probleme.
Die Erfahrung hat mir mehrfach gezeigt, daß Kinder sehr wohl mit diesem Phänomen umgehen können. Eines ist jedoch dabei sehr wichtig, nämlich offene und ehrliche Antworten auf ihre Fragen und ein offenes Erklären, warum es zu dieser Situation kam. Sicherlich muß für die leiblichen Kinder dieses Gespräch sehr diffizil und sensibel geführt werden. Eine schrittweise Annäherung an das Thema - durchaus auch in Begleitung eines Kinder oder Familienpsychotherapeuten ist - bestimmt sinnvoll. Dieses war ja auch von meiner Seite aus so vorgesehen gewesen, da ich einen Alleingang von meiner Seite aus nie in Betracht bezogen habe. Es war mir immer klar, daß eine positive Lösung dieses Problems sehr stark von der Zusammenarbeit mit meiner geschiedenen Frau abhängig ist. Durch das totale Abblocken seitens der erziehungsberechtigten Mutter scheiterte aber diese Variante.
Im Gutachten wird ja leider nur auf die mögliche Gefährdung durch meine gegebene Transsexualität eingegangen. Nicht eingegangen wird jedoch auf das, möglicherweise ebenfalls die Entwicklung der Kinder gefährdende Verhaltens (z.B. Totschweigen des biologischen Vaters, intolerantes Verhalten gegenüber des - von den Kindern bis zum Zeitpunkt des verunglückten Gespräches im April - geliebten Vaters ect.) der Mutter eingegangen. Die zukünftige Gefährdung in der Kindesentwicklung ist somit in hohem Maße hypothetisch. Dies macht auch die Entscheidung der dafür zuständigen Stellen so schwierig. Niemand möchte sich im Nachhinein (wo man ohnedies immer alles schon besser gewußt und kommen gesehen hat) dem Vorwurf aussetzten falsch entschieden zu haben. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß sich Kinder viel besser auf die - sicherlich nicht alltägliche - Situation einstellen können, wenn sie sehen "hoppala der Papa verändert sein Verhalten und auch sein Aussehen, aber die Mama spricht noch immer mit ihm (ihr)", als wenn sie bemerken müssen, wie ablehnend die Mutter auf die neue Situation reagiert.

Nachdem die Problematik leider durch den Wortgebrauch "Transsexualität" zu sehr in den Bereich der Sexualität gelegt wird , besteht hier die Schwierigkeit diese Krankheit vernünftig abzuhandeln. Viel geeigneter sehe ich in diesem Zusammenhang die Definition eines geschlechtsspezifischen Identitätsproblems.
Nach nunmehr 10 Monaten, in denen es mir in äußerst fragwürdiger Weise vereitelt wurde, Kontakt zu meinen Kindern zu haben, gibt es noch immer keine ausreichende rechtliche Grundlage (schriftlicher gerichtlicher Bescheid) für das Verhalten meiner geschiedenen Frau.
Nach wirklich eingehendem studieren und analysieren der Rechtslage muß ich mir eingestehen, daß es in Österreich derzeit ein - nicht obsorgeberechtigter - ehemals transsexueller Elternteil, oftmals sehr wenig Chancen hat mit seinen Kindern in Kontakt zu bleiben, da alle positiven gerichtlichen Verfügungen (z.B. Recht auf Briefkontakt mit den Kindern, Möglichkeit den Kindern zu verschiedenen Anlässen kleine Geschenke zu übermitteln, ect.) trotz allem vom Wollen der obsorgeberechtigten Mutter abhängig ist. Sämtliche mögliche Sanktionierungen der Kindesmutter bei Nichteinhaltung der gerichtlichen Verfügungen münden letztendlich in einer noch extremer verhärteten Front.
Daher sind diese Verfügungen - auch wenn sie für den betroffenen nicht obsorgeberechtigten Elternteil als günstig betrachtet werden können - oftmals nicht das Papier wert auf dem sie stehen. Dies ist leider Realität und vermittelt ein ohnmächtiges Gefühl der Hilflosigkeit bei den Betroffenen.

Im Zuge der Verhandlung über das Besuchsrecht am 18.3.97 habe ich von meiner Seite aus freiwillig für vorerst 1 Jahr auf das Besuchsrecht verzichtet. Dies deshalb, um sowohl meiner geschiedenen Frau, als auch den Kindern Zeit zu geben die Problematik meines Geschlechtsrollenwechsels - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme eines Therapeuten - aufzuarbeiten.
Da ich aber trotzdem Informationen bekommen möchte, wie es meinen Kindern geht, - nicht obsorgeberechtigt bedeutet für mich keinesfalls, daß ich mir keine Sorgen mache - habe ich nunmehr im Einvernehmen mit dem Jugendamt einen sehr positiven Kontakt zur Schule meiner Tochter herstellen können.


Wie mit der Problematik Aufklärung der Kinder umgegangen werden kann zeigt folgender freundlicherweise zur Verfügung gestellter Auszug aus dem Sonderheft "PartnerInnen" (Fr. Dr. Inoszka Prehm) erschienen bei Transidentitas in dem auf Anfragen
Betroffener eingegangen wird.

Im Falle einer Transsexualität des Partners sollte man sich ernsthaft fragen, ob man sich vorstellen kann, ein oder mehrere Kinder in letztendlich gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft aufzuziehen. Bekannt ist, daß eine gute Frauenbeziehung Kinder besser gedeihen läßt, als eine schlechte Mann/Frau-Beziehung. Kinder gehen mit so einer Situation eher unbefangener und weiser um als Erwachsene, es sei denn, sie sind von der Denkweise und von den Vorurteilen Erwachsener stark geprägt. Wenn die Kinder in Geborgenheit aufgefangen werden, sind derartige Einflüsse nicht schädlich.
Wird der/die Transsexuelle in Streitsituationen mit Vorwürfen konfrontiert oder die Transsexualität dazu mißbraucht dem/der Partner/in gegenüber "Spitzen" loszulassen, oder die Andersartigkeit wird nonverbal, d.h. unausgesprochen vorgeworfen, dann wirkt es sich auf die Entwicklung der Kinder schädlich aus. Man soll nicht unterschätzen, wie sensibel Kinder auf unausgesprochene Vorwürfe und Spannungen reagieren! Eine Fehlentwicklung ist in einem solchen Fall nicht auszuschließen.
Wenn es Kindern im Elternhaus schlecht geht, glaubt man oft, daß die Transsexualität daran schuld ist, aber es sind nicht z.B. Vaters Kleider oder "seine" Entwicklung, sondern die Uneinigkeit und Spannung in der Familie.
Es gibt auch Kinder, welche die Transsexualität eines Elternteils als Waffe gegen die Eltern benutzen, weil sie sich für die mangelnde Liebe oder Zuwendung rächen wollen. Das ist aber keine von Kindern erfundene Verhaltensweise, sondern von den Eltern imitierte. Deshalb sollten sich die Eltern fragen, in welcher Hinsicht sie ein solches Verhalten praktizieren, um es dann abstellen zu können. Mit der Zeit wird sich dieses Verhalten auch bei den Kindern verlieren.
Das Wichtigste ist bei Kindern, daß man als Elternteil in Bezug auf das Verhalten des transsexuellen Partners keine Fragen unbeantwortet läßt. Benutzen sie keine falschen oder halbrichtigen Erklärungen - bleiben sie bei der Wahrheit (diese Aussage findet sich sinngemäß auch im Gutachten Prof. F.! - Anm. KF). Entwickeln sie Sensibilität dafür, welche Fragen das Kind nicht zu stellen wagt, und sprechen sie es darauf an. Beruhigen sie das Kind, daß Transsexualität nicht vererbbar ist.

Bei kleineren und noch unaufgeklärten Kindern verfahren sie so wie man es bei der Aufklärung tun sollte: Wenn das Kind fragt, antworten sie exakt auf die Frage, aber gehen sie nicht weiter in ihren Ausführungen, denn die Frage zeigt an, daß es zwar die Antwort, aber nicht mehr verkraftet.

Wenn Paare trotz intensiver Auseinandersetzung mit ihren Problemen nicht allein damit fertig werden, dann sollten sie unbedingt fachliche Hilfe in Anspruch nehmen!