Karin Fickert hat sich bereiterklärt, ein Rohmanuskript Ihres Buches "Träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum !" (Protokoll eines geschlechtlichen Identitätsproblems und dessen Lösung) zur Verfügung zu stellen.
Hier findest Du Ihr Tagebuch zu Ihrer geschlechtsangleichenden Operation, die anderen Teile sind an anderen Stellen dieser Seite verarbeitet.

Vielen Dank, Karin !


Auszüge aus den - für die Operationfreigabe notwendigen - psychologischen Gutachten

13.11.96 Gutachten Dr. K.:

Am 30.10.1996 suchte der Betroffene meine Ordination auf. Es wurde eine Mehrzahl an Befunden, ein schriftlicher Lebenslauf und diverse Korrespondenzen mit Mitarbeitern und der geschiedenen Ehefrau sowie den Kindern vorgelegt. Ergänzt durch eine etwa
1-stündige Exploration ergibt sich folgendes Bild:

Bei Harald (Karin) B. bestand schon frühzeitig ein Zwiespalt zwischen dem angeborenen männlichen Geschlecht und der Fühlsphäre. Seit sich der Betroffene erinnern kann (dies geht etwa bis zum 5. Lebensjahr zurück) fühlte er sich als Mädchen und zu diesen hingezogen. Er trug heimlich Kleider seiner älteren Schwester und begann Interesse am Schminken zu haben. Das Tragen von Frauenkleidern war nicht von sexueller Erregung begleitet. Auch kann sich der Betroffene nie erinnern, eine positive Beziehung zum eigenen Geschlecht oder den Geschlechtsorganen gehabt zu haben. Es bestand eine musische Begabung und das Interesse an "weiblichen"Tätigkeiten wie z.B. Kochen und Mädchenhandarbeiten etc.
Das Tragen von weiblicher Unterwäsche verschaffte Harald (Karin) B. zunehmend Sicherheit insbesondere während der Schulzeit.
Der berufliche Werdegang war wechselvoll. Nach dem Hauptschulabschluß wurde die Hotelfachschule begonnen, aber nach 2 Jahren abgebrochen. In der Folge erlernte er den Beruf des Kellners und war an verschiedenen Arbeitsplätzen tätig.
Die Militärzeit wurde absolviert und der Rang eines Reserveunteroffiziers erreicht. In der Folge legte der Betroffene dann eine Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe mit Auszeichnung ab und verbrachte 3 Jahre zur See auf einem Kreuzfahrtschiff.
Anschließend verheiratete sich Harald (Karin) B. und hat jetzt zwei Kinder. Im Settlement und in der Ehe entwickelten sich zunehmend Schwierigkeiten, die letztlich in der Scheidung endeten. Der Betroffene schildert das stärker werdende Gefühl eine Frau zu sein und nicht mit der Rolle als Mann zurecht zu kommen. Das Unterdrücken der weiblichen Gefühle, Sehnsüchte und die Diskrepanz zum Alltag führten insbesondere mit Ende 1995/96 zu einer schweren Depression mit suicidalen Phantasien.
Es wurde daher eine Psychotheraphie begonnen. Die Sicherheit eine Frau zu sein wurde größer und das Leben in den letzten Monaten schrittweise radikal umgestellt.
Neben der Information des beruflichen Umfeldes (Mitarbeiter, Vorgesetzte) wurde auch die Familie vom Sexualkonflikt informiert. Es zeigte sich eine hohe Akzeptanz für die Wandlung seiner Geschlechterrolle, mit Ausnahme seiner geschiedenen Frau und den Kindern.
In der Sexualanamnese ist erhebbar, daß Harald (Karin) B. nie ein befriedigendes Sexualleben hatte. Seine Geschlechterrolle und auch seine Sexualorgane wurden als negativ erlebt. Bis zur Verheiratung mit 26 Jahren bestanden nur sehr wenige sexuelle Beziehungen, die in der Regel nur kurzfristig waren. Die Ehe dauerte 8 Jahre. Der Betroffene suchte insbesondere bei seiner Frau Zuneigung und Verständnis. An der sexuellen Seite bestand nur geringes Interesse. Zunehmend erlebte er sich auch als impotent. Das Tragen weiblicher Kleidung und das Schminken wurden von jeher als Sicherheitgebend empfunden. Homosexuelle Bedürfnisse oder Erfahrungen bestanden nie.

Befunde:

EEG: ohne Befund, insbesondere keine Hinweise auf organische Veränderungen.

Psycholog. Befund: zeigte ein neurotisches Bild mit starker Besetzung des Körperschemas und Hinweise auf sexuelle Konfliktbereitschaft. Organische und psychotische Radikale fehlten. Die Intelligenz wurde mit einem IQ von 143 quantifiziert.
Vom 23.7.96 stammt eine Befürwortung von Herrn Univ. Prof. Dr. St. für eine Hormonbehandlung als ersten Schritt zur Geschlechtsadaption bei Transsexualität für Harald (Karin) B.
Am 11.9.96 bestätigt Frau DDr. Pf., daß eine Transsexualität, sowie eine Depression vorliegt: Sie befürwortet ebenfalls eine Hormontherapie.

Beurteilung:
Bei Harald (Karin) B. besteht entsprechen der Exploration, der klinischen Untersuchung, der schriftlichen Selbstdarstellung des Betroffenen und den Zusatzbefunden eine Mann zu Frau Transsexualität.
Ein organisches Psychosyndrom, eine Psychose sowie Transvestitismus oder eine Homosexualität konnte nicht verifiziert werden.
Der Alltagstest ist in vollem Gang. Eine engmaschige Psychotheraphie über knapp 1 Jahr ist aufrecht. Das private und berufliche Umfeld wurde Informiert. Die soziale und private Integration ist auch nach dem coming out weiter gegeben.
Harald (Karin) B. ist psychisch kompensiert, konstruktiv, sicher und konsequent in der Verfolgung der gesteckten Ziele.
Aus fachärztlicher Sicht ist eine geschlechtsadaptierende Operation eine weiterführende Maßnahme des eingeleiteten Identifikationsprozesses. Es ist eine Änderung des Wunsches zur Operation nicht absehbar. Die Identifikation als Frau erscheint Endgültig. Die Operation kann befürwortet werden. Der Betroffene ist aufgeklärt und kennt die Risiken der gewünschten chirurgischen und anderen therapeutischen Maßnahmen (Hormone)


19.11.96 Gutachten DDr. Pf.:

Die Patientin ist seit Jänner 1996 in medizinisch-psychiatrischer und engmaschiger psychotherapeutischer Behandlung. Eine gegengeschlechtliche Hormontherapie besteht seit April 1996. Diagnostisch handelt es sich um einen Mann zu Frau Transsexualismus (302.50/B nach DSM-III-R).
Seit Jahren besteht der permanente Wunsch, die primären und die sekundären Geschlechtsmerkmale an weibliche anzugleichen.
Die Patientin lebt im Alltag als Frau, daher kann sie in unserem Gutachten - obwohl noch nicht rechtlich relevant Vornamensänderung - als Frau bezeichnet werden.

Die Transsexuelle Entwicklung läßt sich bis weit in die Kindheit zurückverfolgen. Schon im Kindergarten fühlte sich die Patientin zu Mädchen hingezogen, interessierte sich eher für Kochen, Sticken ect. als für sogenannte Bubenspiele...... während der Schulzeit suchte sie auch mehr den Kontakt zu den Mädchen als zu den Buben ihrer Klasse und empfand es als Benachteiligung nicht - wie die Mädchen - stricken und häkeln lernen zu dürfen.
Die Mutter und die Schwester unterstützten sie, indem sie zu Hause sticken und kochen durfte sooft es ihr Spaß machte.
Die Hauptschulzeit beschreibt Frau B. als sehr unangenehm, zumal sie in einer reinen Bubenklasse aufgenommen wurde. Sie trug schon damals regelmäßig Damenunterwäsche, wodurch sie sich seelisches Gleichgewicht schaffen konnte. Das Umziehen im Turnunterricht und das Schlafen in Gemeinschaftsschlafsälen bei Schulausflügen empfand sie als besonders unangenehm.

In der Hotelfachschule verbesserte sich die Situation der Patientin, da sie wieder soziale Kontakte zu Mädchen haben konnte. .....sie litt unter dem Umstand, daß ihre Klassenkameradinnen bereits weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale hatten, und selbst körperlich immer mehr zum Mann wurde. ....im Alter von 26 Jahren lernte sie Ihre spätere Ehefrau kennen. ....in den ersten drei Jahren schien das Problem der Transsexualität durch die Zuneigung zur Ehefrau überlagert zu sein, doch wollte die Patientin immer öfter "ihr Leben als Frau leben", wie sie es beschreibt. Der Ehe entstammen zwei Kinder. Sie wurde wegen tiefgehender Zerrüttung einvernehmlich geschieden.
Nach einer schweren depressiven Episode im Winter 1995/96 beschloß die Patientin dem lebenslangen Druck nachzugeben und ihre Familie und ihr berufliches Umfeld mit ihrer Transsexualität zu konfrontieren. Seit diesem Zeitpunkt lebt Frau B. im Alltagstest. Die Reaktionen ihrer sozialen Umwelt scheinen durchaus positiv zu sein. .....Insgesamt scheint es der Patientin zu gelingen, ein Leben in der angestrebten Geschlechterrolle positiv zu bewältigen.

Beurteilung:
Bei Frau B. besteht eine langjährige bis in die Kindheit zurückverfolgende chronische Transposition ihrer Geschlechtsidentität. Während der intensiven Psychotherapie hat sich nichts an dem Wunsch der Patientin nach einer geschlechtsangleichenden Operation geändert
Sie hat es vielmehr erfolgreich geschafft, ihr soziales Umfeld und ihre berufliche Umgebung auf ihren Schritt vorzubereiten.
Es ist anzunehmen, daß sich die permanente Geschlechtstransposition in ihrem weiteren Leben auch nicht mehr ändern wird und eine Angleichung an das ersehnte Geschlecht durch Personenstandsänderung ihre Lebenssituation erheblich verbessern wird.
Abschließend ist festzuhalten, daß aus psychiatrischer Sicht bei der Patientin die therapeutische Indikation einer geschlechtsangleichenden Operation absolut zu befürworten ist.