Karin Fickert hat sich bereiterklärt, ein Rohmanuskript Ihres Buches "Träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum !" (Protokoll eines geschlechtlichen Identitätsproblems und dessen Lösung) zur Verfügung zu stellen.
Hier findest Du Ihr Tagebuch zu Ihrer geschlechtsangleichenden Operation, die anderen Teile sind an anderen Stellen dieser Seite verarbeitet.

Vielen Dank, Karin !


"Träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum !"
(Protokoll eines geschlechtlichen Identitätsproblems und dessen Lösung)
noch 40 Tage (Tagebuch)
© 1997 by Karin Hiller & Karin Fickert
Veröffentlichungen und Abdrucke (auch Auszugsweise) sowohl privater als auch gewerblicher Art nur mit Genehmigung der Autorinnen



6.12.1997
Nur noch 40 Tage bis zur Operation. Ich kann es von Tag zu Tag kaum mehr erwarten. Gewisse Dinge fangen merkbar an mich zu stören. So zum Beispiel mein Photo beim Restauranteingang. Nachdem es körperlich sichtbare Veränderungen bei mir gibt (Gott sei Dank!) - habe ich den Eindruck, daß sich einige Gäste in Bezug auf meine Person nicht mehr ganz auskennen. So ist es meiner Ansicht nach besser in den letzten Tagen nur mehr den photolosen Rahmen mit meinem Familiennamen ohne das Geschlecht betreffende Angaben ( Herr bzw. Vornamen, Restaurantleiter) zu belassen.
Die Stammgäste mit denen ich gesprochen habe sind zwar im ersten Moment leicht überrascht, kommen im allgemeinen aber recht gut damit zurecht. Ich denke daß es für die Gäste in erster Linie wichtig ist gut bedient zu werden und schmackhaftes Essen zu bekommen. Außerdem glaube ich, daß ich durch mein selbstsicheres und freundliches Auftreten auch sehr positives - in Bezug auf Akzeptanz des "andersseins" durch die Gäste - beitrage. So hatten sich heute z.B. Gäste über mich Gedanken gemacht. Was ich so beim vorübergehen an Konversation mitbekommen habe waren sie sich auch nicht ganz klar wo sie mich einordnen sollen (wieder dieses für viele so schreckliche "Schubladkastldenken"!). Ich war auf Grund des gehörten ab und zu beim Tisch um Aschenbecher zu wechseln ect. wobei letztlich dann die Frau zu Ihrem Partner meinte "und es ist doch eine Frau !" Irgendwo ein Kompliment für mich, da ich ja im Betrieb doch noch (auf Wunsch des Direktors) - wenn auch nur die äußere Schale - eher männlich zugeordnete Kleidung trage.
Ich freue mich schon auf die Zeit wo ich in aller Konsequenz als Restaurantleiterin im Betrieb tätig sein kann. Alles derzeit noch "männliche" an mir stört mich von Stunde zu Stunde immer mehr. Obwohl z.B. Harald ein sicherlich schöner Name ist, kann ich ihn zeitweise nicht mehr hören. Der Bart - wenn auch schon schwächer geworden - ist mir mittlerweile auch schon ein Greuel geworden. Letztens habe ich mir in einem "kosmetische Anfall" ca. 500 Barthaare in einem ausgezupft. Anschließend war ich richtig erschöpft aber doch glücklich einen Teil des Bartes - zumindest für einen kurzen Zeitraum losgeworden zu sein. Obwohl ich nie einen starken Bartwuchs hatte sind für meinen Geschmack noch immer viel zu viele Barthaare da. Speziell an langen Arbeitstagen finde ich dann den - trotz Make up - auftretenden Bartschatten extrem störend. Hier ist nur durch Epilation Abhilfe zu schaffen.
Nachdem aber dazu das Barthaar eine gewisse Länge haben soll und ich andererseits Bedacht darauf nehme mich so gut wie nur möglich zu rasieren, bin ich derzeit noch in einem kleineren Zwiespalt. Ich werde die Epilation dann nach der Operation in Angriff nehmen, da ich ja dann ca. 5 Wochen zu Hause bin. Ich hoffe daß die Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt, da es meiner Ansicht nach ganz einfach als Begleitmaßnahme zur bzw. nach der Operation dazugehört. Diese macht aber schon so genug Probleme.
Heute Vormittag war ich wieder einmal auf der Krankenkasse, da ich noch immer keinen Kostenersatz für den ersten vorerst von mir vorfinanzierten Teil der Medikamente erstattet bekam. Dieser Kostenersatz wurde ja von einem Besuch bei Prof. S. abhängig gemacht. Dieser hat mir bei meinem damaligen Besuch zugesagt bei der WGKK anzurufen, was aber bislang nicht geschehen ist. Er hat schlicht und ergreifend darauf "vergessen". Aber auf ca. 16.000,-- zu warten ist ja scheinbar nicht sonderlich schlimm !? Ich möchte nicht wissen was die WGKK macht wenn der umgekehrte Fall eintreten würde.
Die damalige Begründung von zu wenig Teraphiestunden lasse ich nicht gelten, da ich der Meinung bin daß nicht die Stundenanzahl, sondern die Intensität und das aktive Problemlösen dafür ausschlaggebend sein sollte.
Als anschauliches Beispiel kann ich immer nur das Universitätsstudium hernehmen.
Manche schaffen das Studium in kürzester Zeit und beherrschen das gelernte optimal und manche habe es nach unzähligen Semestern noch immer nicht begriffen. Ich würde mich in diesem Vergleich absolut den Ersteren zuordnen.
Mir ist es ohnedies unerklärlich warum - obwohl 2 unabhängige Gutachten meinen Weg sehr befürworten, die Kasse noch einen "Überdrübergutachter" benötigt.
Jedenfalls hat mir dieser Professor telephonisch zugesagt nun doch endlich bei der WGKK anzurufen um hier zu guter Letzt den Geldbetrag freizugeben

7.12.1997
Habe mir heute ein schönes Gästebuch gekauft. Da können sich dann alle, die mich im Spital besuchen, eintragen. Vielleicht mache ich im März eine Geburtstagsparty und lade dann all diejenigen dazu ein die im Buch stehen. Schließlich gibt es meinen 1. Geburtstag als Frau und meinen tatsächlichen 40. Geburtstag zu feiern.
Bei Fürnkranz habe ich ein ganz tolles Smoking - Kostüm (mit Rock statt Hose) gesehen. Ich bin sicher an die 10 Minuten davorgestanden und habe mir dabei vorgestellt wie es mir so passen würde. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß ich es mir mit aller Wahrscheinlichkeit kaufen werde. Nachdem bei mir im Betrieb des öfteren Mitarbeiterinnen der Fürnkranz Coture ihr Essen kaufen und unter diesen eine ganz nette Dame ist, welche immer einen kleinen Kaffe an der Theke konsumiert, habe ich Ihr von dem Kostüm erzählt. Sie hat übrigens schon vor längerer Zeit von mir über meinen Wechsel erfahren und mir gesagt, daß die Sachen bei Fürnkranz auch geändert werden, da ich ja sicherlich längere Ärmeln bei der Jacke benötigen werde und die Verkäuferin in Floridsdorf solle Sie anrufen. Das fand ich wirklich super.
Wiedereinmal konnte ich die nun nicht mehr seltene Erfahrung machen, daß ich bei meinem Weg doch viele mir positiv gesinnte BegleiterInnen habe.
Ein sehr schönes Erlebnis hatte ich auch bei meinem Fotostudio. Mit der Eigentümerin hatte ich vor ca. einem Monat ein Gespräch in Bezug auf meine Personenstandsänderung. Sie kennt mich schon seit meiner Kindheit und so war auch der Gesprächsinhalt dementsprechend. Im Verlauf dieses Gespräches habe ich ihr auch meinen neuen gewählten Vornamen genannt. Als ich nun für Anfang Jänner einen Termin für eine Photoserie und Paßbilder vereinbart habe schrieb sie mit einer Selbverständlichkeit Karin als meinen Vornamen ein als wäre dies nie anders gewesen. Gerade solche "Kleinigkeiten" machen mir im Moment sehr viel Freude.
Ich glaube daß es für viele Transsexuelle sehr wichtig ist eine Selbstbestätigung in diesem Sinne zu bekommen. Es tut ganz einfach richtig gut, so angenommen zu werden wie man ist. Leider hat sich daß noch nicht überall herumgesprochen.
Es liegt hier aber bestimmt an der Information obwohl gerade in letzter Zeit sehr viel über dieses Thema in den Medien zu erfahren ist. Ein persönliches Gespräch und der damit verbundene Gesamteindruck ist aber allemal wichtiger und - so glaube ich - besser. Ich habe den Eindruck gewonnen daß sich GesprächspartnerInnen sogar freuen endlich aus erster Hand diesbezügliche persönliche Information zu bekommen. Hier ersuche ich alle Betroffenen in einer solchen Situation ganz offen nicht nur über die vielleicht empfundenen Diskriminierungen zu reden, sondern auch über die vielen positiven Seiten zu erzählen, um hier wirklich die Sympathie und Unterstützung in der Bevölkerung für unsereins zu gewinnen. Ich versuche jedenfalls diesen Weg zu gehen und die damit gewonnene Erfahrung zeigt mir, daß es einer der richtigen zu sein scheint.

Hier halte ich es ganz mit Exuperie der sinngemäß sagte: Wenn du den Ozean überqueren willst, so lehre den Leuten die Sehnsucht nach dem weiten Meer.

8.12.96 - noch 38 Tage
Heute ist wieder so ein richtiger BÄH - Tag. Es ist draußen diesiges Wetter, es wird den ganzen Tag über gar nicht richtig hell und ich nicht richtig munter. Vielleicht bin ich auch noch vom gestrigen langen Arbeitstag übermüdet.

Ich war doch von Vormittags bis zum frühen Morgen auf den Beinen. Außerdem haben wir heute den 2. Adventsonntag und er erinnert mich wieder daran, daß ich unsere Kinder nun an die 2 Jahre nicht sehen werde. Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren wie daß mit dem Brief bzw. Telephonkontakt funktionieren wird.
Ich denke noch immer an den 3. Dezember, als ich die Kinder nur ganz kurz sah und keine Gelegenheit hatte sie an mich zu drücken und mit Ihnen zu sprechen. Wahrscheinlich hätte ich ohnedies einen Heulkrampf bekommen, der Sie vielleicht noch mehr verunsichert hätte. Mir - und ich glaube auch den Kindern und Andrea - ist es dabei sehr miserabel gegangen.
Heute genieße ich zum letzten mal für längere Zeit eine größere Menge an Kaffee. Nachdem ich morgen wegen meiner Eigenblutvorsorge zur Ader gelassen werde (1/2 l) und zum rascheren Blutaufbau ein Präparat einnehme welches sich mit alkalischen Getränken wie Kaffee oder Schwarztee nicht verträgt (beeinträchtigt die Wirkung), werde ich halt ab sofort mit Früchtetee Vorlieb nehmen. Trinke ich eigentlich auch gerne. Frau zu sein ist scheinbar - zumindest für mich - etwas "ganz Gesundes". Kein Alkohol, kein Kaffee, Nichtraucherin bin ich ja auch und sonstige Laster ....????
Nun ja, ich fühle mich jedenfalls prächtig. Manche Leute - im speziellen Männer können es sich nicht vorstellen, daß ich vor der Operation keine Angst habe, sondern im Gegenteil ich mich sogar darauf und die Zeit danach freue. Dies hängt sicherlich mit meiner in den letzten Monaten so positiv gewordenen Grundstimmung zusammen. Obwohl es mir schon klar ist, daß es ohne Schmerzen nicht abgehen wird bereitet mir dieses Thema absolut keine Schwierigkeiten. Ich bin der Meinung, daß ich mich mental ganz gut auf die nahende Operation eingestellt habe und es mir nichts ausmachen würde, wenn diese schon am nächsten Tag wäre.
Ich bin ja schon neugierig wie viele mich dann wirklich im Spital besuchen werden.
Wenn es nach den Versprechen gehen würde, müßte ich eigentlich einen Besuchsplan erstellen um nicht "überfallen" zu werden. Ich habe ohnedies nicht vor recht lange im Spital zu sein. Zu Hause kann ich mich sicherlich auch recht gut - wenn nicht sogar besser - von der Operation erholen. Außerdem wird manches auch Ambulant gemacht (Nähte ziehen ect.) werden.
Am schönsten aber wäre sicherlich ein Besuch seitens Andrea und unserer Kinder. Es liegt mir sehr viel daran auch von Andrea als Frau akzeptiert zu werden.
Das ist aber Angesichts der derzeitigen Situation ein absoluter Wunschtraum, aber Fischegeborene sind angeblich sehr für Träume anfällig - ab und zu geht sogar einer in Erfüllung.

9.12.96 - noch 37 Tage
Heute Vormittag steht die Eigenblutvorsorge auf dem Programm. Nachdem ich am Vortag erst spät (oder früh) nach Hause kam und dementsprechend wenig geschlafen habe war ich etwas wackelig auf den Beinen. Die Blutabnahme (1/2 l) war an sich problemlos. Nach einer kurzen Ruhepause machte ich mich dann wieder auf den Heimweg. Den ganzen Tag über fühle ich mich ein wenig abgespannt und es erhebt sich bei mir die Frage: fehlt das Blut oder der Kaffee?
Meine neuen Stiefeletten habe ich auch vom Dehnen zurückbekommen. Nachdem ich sie nun aber bereits 6 Stunden anhabe merke ich daß sie doch noch ein wenig drücken, es ist aber schon viel besser geworden und sie sehen auch ganz schick aus.
Trotzdem werde ich froh sein wenn ich sie wieder ausziehen kann. Leichter wäre es wenn es mehr Schuhe in Größe 12 1/2 geben würde. Aber das Problem mit Schuhen hatte ich ja auch schon früher. Bei Pumps geht es ja aber bei geschlossenen Schuhen ist es nicht so einfach. Vielleicht werde ich nächstes Jahr doch einmal schauen was Maßschuhe kosten.
Schließlich bin ich ja den ganzen Tag auf den Beinen und möchte mir nicht die Füße kaputtmachen und länger halten sollen solche Schuhe ja auch. Sonst eigentlich ein Tag ohne Besonderheiten.

10.12.96 - (36)
Obwohl ich bis 11 Uhr geschlafen habe, habe ich scheinbar noch immer ein wenig Kreislaufprobleme. Wenn ich zu schnell aufstehe wird mir schwindelig und ich muß mich abstützen. Hoffentlich ist das nur vorübergehend, da bis vor der Blutabnahme diesbezüglich keine Schwierigkeiten aufgetreten sind. Möglicherweise spielt die Wetterlage auch eine Rolle.
Im Betrieb war am Abend auch nicht viel los, und so konnte ich in Ruhe die Vorbereitungen für die Weihnachtstage treffen. Meine lieben KollegInnen haben sich ja wiedereinmal auf mich verlassen und so habe ich für unsere 4 Citybetriebe die am Heiligen Abend offen haben eine kleine Speisekarte zusammengestellt und das Layout dafür gemacht. Dienstpläne für die nächsten 3 Wochen mußten auch vorbereitet werden. Ich bin recht froh eine so tüchtige Kollegin zur Seite zu haben die mich wirklich entlastet, sonst würde mir alles ein wenig über den Kopf wachsen. Ich denke daß wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern nächstes Jahr einiges zuwege bringen werden. Das Betriebsklima ist seit meinem "outing" steil in die Höhe gegangen. So einen Effekt habe ich mir nicht vorgestellt. Ich wäre schon froh gewesen, wenn alles so geblieben wäre. Es liegt aber sicherlich auch zum Teil an mir, da ich nun permanent eine positive Ausstrahlung habe die sich auch auf andere legt (lt. Aussagen von KollegInnen). Sonst gibt es nichts Aufregendes zu berichten.

11.12.96 - (35)
Heute bin ich voll Tatendrang. Mein Terminkalender ist für den ganzen Tag voll.
Angefangen hat es mit dem - falls ich Vormittags zu Hause bin - gemeinsamen Frühstück mit meinen Eltern. Um 10 Uhr traf ich mich dann mit Karin in Ihrer Wohnung zu einem kurzen Zwischenbericht bezüglich unseres gemeinsamen Buchprojekts. Ich habe natürlich nicht vergessen die versprochenen Kipferl mitzubringen. Karin und Sebastian - ihr liebenswerter 10jähriger Sohn haben sich sehr darüber gefreut. Nach einem ca. 1 1/2 ständigen Plausch ging es ab zu meiner Friseurin. Nachdem die Frisur wiedereinmal super geworden ist - selber bin ich dabei noch ein wenig ungeübt - ging es ab nach Hause wo meine Eltern gerade beim Mittagstisch saßen. Nachdem ich auch rasch eine Kleinigkeit gegessen hatte, erfuhr ich von Mike - einem guten Freund - daß ich mit Ihm zur Fernsehsendung "Schiejok täglich" mitfahren könne. Andrea G. - ich kenne Sie aus unserem Trans X - Verein - war zur Talk Live Show eingeladen und wir hatten die Möglichkeit dabei im Publikum zu sitzen und die Sendung mitzuverfolgen. Also wieder ab in die Klamotten und nichts wie hin zu unserem Treffpunkt. Die Sendung war dann eigentlich recht gut, nur war die Interviewzeit Andrea´s für unseren Begriff etwas zu kurz. Auf der Videoaufzeichnung zu Hause sah ich dann daß wir eigentlich auch recht oft "Formatfüllend" im Bild waren. Scheinbar waren wir für die Kameraleute interessanter als die sonst noch im Publikum sitzenden Pensionisten und Schulkinder.
Nun ja, daß war einmal die Sendung. Nachher saßen wir noch mit den anderen Talkshowgästen - unter Ihnen auch Pfarrer Janisch aus Hartberg, welcher das erste Briefbombenopfer war - zusammen und plauderten noch ein wenig. Von Mike erfuhr ich dann, daß eine Journalistin eines bekannten Wochenmagazins einen Artikel über Transgender schreiben möchte und daher mit betroffenen Personen Kontakt sucht.
So begab es sich daß wir am frühen Abend vom ORF in Richtung unseres Stammlokals in der City aufbrachen, wo die besagte Journalistin schon auf uns wartete. Es kam dann zu einem ausführlichen Gespräch zwischen Ihr und mir. Außerdem interviewte Sie dann auch noch Andrea G.. Ich bin schon auf den Artikel sehr gespannt.
Anschließend saßen wir noch gemütlich beisammen und ich genoß es richtig mit wirklichen FreundInnen beisammen zu sein. Frühmorgens fiel ich dann erschöpft aber glücklich ins Bett.



12.12.96 - (34)
Nachdem ich tief, kurz und schnell geschlafen habe ging es nach meinen freien Tag wieder in die Arbeit. Ich war auf Grund des am Vortag erlebten noch ein wenig aufgekratzt und wirklich blendender Stimmung. Die Arbeit lief mir gut von der Hand und selbst die Probleme mit unserer Kassa taten der Stimmung keinen Abbruch. Mittags ware ich wie üblich wieder sehr viel bei den Gästen und so kam es auch vor, daß eine Dame auf mich zukam und freundlich bemerkte : "Ich habe Sie gestern im Fernsehen gesehen!" Ich erwiderte ebenfalls sehr freundlich daß das aber sehr nett ist, daß Sie mich erkannt hat. Auch 2 Mitarbeiterinnen hatten die Sendung zu Hause am Bildschirm gesehen und mich sofort darauf angesprochen, daß das eigentlich recht gut sei öfter in den Medien über Transgenderprobleme zu reden. Hier kann man viele Mißverständnisse abbauen und meine Mitarbeiter sehen ja selbst bei mir, daß die betroffenen Personen keine Monster oder sonstiges sind, sondern sehr oft ganz liebenswerte Menschen die einfach nur Ihr Leben - genauso wie alle anderen - leben möchten. Am Nachmittag hatten wir dann eine kleine interne Weihnachtsfeier organisiert und sowohl meine Kollegin als auch ich waren tief berührt, als wir beide von unseren Mitarbeitern eine dezente und elegante goldene Halskette geschenkt bekamen. Ich habe mich darüber riesig gefreut. Am Abend hatten wir dann unsere Ausschußsitzung "Anders L(i)eben" beim Liberalen Forum. Dort habe ich am heutigen Abend möglicherweise den ersten Schritt in meine politische Zukunft getan.
Ich habe mich als Leiterin eines Arbeitskreises gemeldet um Parteiintern die Inhaltlichen Schwerpunkte und Zielsetzungen unseres Ausschusses innerhalb des LIF´s bei den Bezirksgruppen bekanntzumachen und den dortigen PartnerInnen die Problematik seitens Lesben/Schwulen und Transgender sowie die erfolgte bzw. geplante Hilfestellung seitens "Anders L(i)eben" zu verdeutlichen. Ich möchte mich in Zukunft diesem Thema sehr widmen, da ich Öffentlichkeitsarbeit auf diesem Gebiet sehr wichtig empfinde um die leider noch immer vorhandenen Vorurteile abbauen zu helfen. Das ist mir ein echtes Ziel für die nächste Zeit geworden. Nach unserer Sitzung diskutierten wir dann in unserem netten Stammlokal weiter.
Ich möchte nun auch das Geheimnis des Lokalnamens lüften, da ich diesen sehr gut geführten Betrieb wirklich weiterempfehlen kann. Es handelt sich um das Cafe-Restaurant Hebenstreit im 1. Bezirk, Rokhgasse 1.
Hier kann man wirklich zu moderaten Preisen vorzügliche Küchenqualität genießen und es gibt auch eine beachtliche Anzahl an ausgesuchten Grappas und guten Weinen. Nach einiger Zeit des Beisammenseins stieß Manuela zu unserer Runde. Sie rief uns vorher schon einmal an und wir mußten an diesem Abend für Sie die "seelische Feuerwehr" machen. Sie hatte leider einen absoluten Tiefpunkt, da Sie leider nicht - so wie ich dank der Eltern - in der glücklichen Lage ist, die Zukunft relativ gut abgesichert zu haben. Sie machte sich finanzielle und existentielle Sorgen für die Zeit nach der - mit mir am selben Tag stattfindenden - Operation. Wir konnten Sie aber dann nach einiger Zeit doch wieder ein wenig aufrichten und ich glaube daß wir alle an diesem Abend mit dem guten Gefühl einem Menschen wirklich geholfen zu haben ins Bett gingen.

16.12.96 - (30)
Schon sind 10 Tage seit Beginn dieses Tagebuches vorüber. Die Zeit läuft wirklich - Gott sei Dank - rasch. 30 Tage, das bedeutet weniger als ein Monat. Ich fühle mich noch immer prächtig und guter Laune. Heute war ich Vormittags bei Fürnkranz mein Kostüm zahlen. Ich habe mir dazu noch ein wunderschönes weißes Top gekauft. Die Verkäuferin ist sehr nett und ich habe mit Ihr ein wenig geplaudert.
Sie hat mir versprochen mich zu informieren, falls Blusen oder Jacken mit etwas länger geschnittenen Ärmeln kommen, da ich in dieser Hinsicht ein wenig Probleme habe. Anschließend besorgte ich mir noch eine kleinere Party-Handtasche welche zum Kostüm paßt. Ich freue mich schon riesig darauf es anzuziehen.
Es kann eigentlich niemand - außer selbst Betroffenen - nachempfinden welch irrsinnig tolles Gefühl es ist, endlich die Sachen anziehen zu können ohne sich verstecken zu müssen. Im Betrieb habe ich mich nun auch entschlossen nun probehalber als Frau Karin Brezina aufzutreten um einerseits die Reaktionen der Gäste und andererseits mein Auftreten im Betrieb zu testen. Ich muß sagen, daß es eigentlich relativ normal läuft. Mir geht es sehr gut dabei und ich bin genau so viel, wenn nicht sogar öfter , bei den Gästen. Manchmal sehen sich die Gäste beim Hinausgehen aber doch die "Ahnengallerie" beim Eingang an. Dort sieht man aber im Moment nur das Bild von meiner lieben Kollegin. Mein Rahmen ist ohne Foto.
Ich habe aber zu dem Zeitpunkt wo ich wirklich 100% als Karin im Betrieb bin auf dem sonst leeren Blatt meinen Namen und darunter Restaurantleiterin stehen. Dies ist sicherlich besser als nur mein Familiennamen und darunter Restaurantleitung. Ich möchte schließlich eindeutig als Frau definiert sein, da die bisherige Übergangslösung für mich persönlich immer größere Schwierigkeiten macht. Ich denke daß hier auch die Hormone kräftig zuschlagen. Ich hoffe daß ich dadurch nicht all zu große Probleme mit meinem Direktor bekommen werde. Schließlich habe ich Ihm ja versprochen bis Jahresende als Herr Brezina im Betrieb tätig zu sein. Dies ist aber für mich - wie vorher erwähnt schon eine richtige Qual geworden. Trotzdem habe ich irgendwie in dieser Hinsicht ein schlechtes Gewissen. Nachdem ich von der Kleidung her ohnedies schon einen femininen Einschlag hatte war hier der Übergang nicht so stark. Ich trage im Moment noch keinen Rock sondern eine weiße Damenjeans mit einer Bluse und einer Weste im maritimen Look - welcher mir recht gut zu Gesicht steht. Die Herrenschuhe habe ich nun auch klarerweise ins Eck gestellt. Es paßt ganz einfach nicht mehr dazu. Ich denke daß auch im Betrieb dieses sanfte Hinübergleiten in die richtige Identität ein guter Weg war. Alle abrupten Veränderungen sind - so glaube ich - nicht recht sinnvoll. Ich freue mich schon sehr auf die Weihnachtsfeier beim LIF wo ich das Kostüm das erste Mal anziehen werde. Die zweite diesbezügliche Premiere wird dann am Heiligen Abend im Betrieb sein. Ich bin jetzt schon ganz fiebrig darauf und kann es kaum erwarten.

17.12.96 - (29)
Heute habe ich ausgiebig Frühstück gegessen um einen Schwächeanfall wie vorige Woche zu vermeiden. Es geht wieder einmal zum Blutabnehmen. Dieses mal waren viele Leute dort und ich mußte einige Zeit warten, bis ich zur Ader gelassen wurde. Vorher wurde noch ein kleiner Check gemacht ob alles OK. ist.
Gott sei Dank habe ich diesbezüglich keine Schwierigkeiten. Auch das Blutabnehmen ging ohne Probleme über die Bühne. Nach einer kurzen Erholungspause von 15 Minuten ging es dann gegen Mittag auf den Heimweg. Nachmittags stand ja der vor der Operation letzte Termin bei meiner Therapeutin auf dem Programm. Wir besprachen die Situation rund um die Kinder und Andrea.
Hier sind wir zu dem Schluß gekommen, daß ich Andrea noch nicht richtig losgelassen habe, und immer noch unserer Beziehung "nachhänge".
Dies merkt Sie und blockiert Ihrerseits wieder. Im Verlauf dieses Gespräches kam die Frage was ich mir denn so alles vorstellen könne. Dazu mußte ich gestehen, daß es mich in der derzeitigen Situation schwerfallen würde wenn Andrea eine neue Beziehung hat und Ihr neuer Partner mehr bei unseren Kindern sein kann als ich.
Dies sollte ich aber lernen geistig zu akzeptieren um Andrea loslassen zu können. Frau DDr. P meint, daß ich dann möglicherweise die Kinder eher sehen könne, wenn Andrea merkt, daß ich Ihren weiteren - von mir losgelösten - Lebensweg nicht mehr beeinflussen will, und Sie daher auch freier agieren kann.
Ich hoffe, daß das stimmt. Jedenfalls war es ein sehr tiefgehendes und anstrengendes Gespräch. Ich konnte dann in der Nacht relativ schlecht einschlafen da ich über das Gesprochene sehr lange nachgedacht habe.

18.12.96 (28)- noch genau 4 Wochen
Heute vormittag hatte ich einen Termin mit Michaela, die für Ihre Tochter einen PC-Drucker kaufen wollte. Wir fuhren in den Media Markt und konnten dort einen preiswerten Drucker erstehen. Anschließend besuchten wir Michaelas Vater, da der PC dort verstaut war. Dort angekommen mußten wir feststellen, daß kein Anschlußkabel dabei war und nach mehreren vergeblichen Fahrten zwischen einem Elektrogroßmarkt und dem Haus von Michaelas Eltern kamen wir darauf, daß der PC überhaupt einen unüblichen Druckeranschluß hatte. So wurden aus vermeintlichen 2 Stunden PC- herumfummelns und anschließendem gepflegen Mittagessens mehr als 4 Stunden vergebliche Liebesmüh ohne Essen. Wir gaben dann schlußendlich den PC in ein kleines Fachgeschäft in der Hoffnung, daß die Geschichte dort erledigt werden kann. Es war mittlerweile schon später Nachmittag und ich hatte gerade noch Zeit nach dieser Episode die für die morgige beim LIF stattfindende Weihnachtsfeier zu backen.
Nachdem die Torte bis auf die Beschriftung fertig war hieß es geschwind herrichten für unsere Trans-X Weihnachtsfeier. Es wurde dann noch ein netter Abend der am frühen Morgen zu Ende ging.

19.12.96 (27)
Nach kurzem Schlaf ging es heute wieder in die Arbeit. Gestern war für mich ein kleiner Streßtag und der heutige sollte diesem in keiner Weise nachstehen. Im Betrieb lief alles wie gewohnt. Es war nicht außergewöhnlich viel Arbeit und so konnte ich am frühen Nachmittag meinen Dienst beenden um wie geplant das gekaufte Kostüm abzuholen. Ich wollte mir dann noch einen mit Straßsteinen besetzen Rauhledergürtel dazukaufen, jedoch war mir dieser im Moment ein wenig zu teuer. Meine Eltern waren nicht zu Hause und so hatte ich freie Fahrt in der Wohnung. Dies war auch nötig, da ich ganz schön unter Zeitdruck stand. Ich mußte noch die Torte fertig dekorieren, dann hatte ich auch ein wenig Hunger der gestillt werden mußte und dann ging es noch ab unter die Dusche. Haare fönen, rasieren, schminken, Nägel lackieren anziehen - alles im Eilzugtempo. Ich hatte Mike versprochen Ihn pünktlich um 19 Uhr abzuholen um dann gemeinsam zur LIF - Weihnachtsfeier zu fahren.
Kurz nach dem ich mit all meinen Arbeiten (und den Nerven) fertig geworden bin, kamen meine Eltern nach Hause. Das brachte mich dann einwenig in Streß, da Sie mir Dinge erzählen wollten, für die ich im Moment keine Zeit hatte. Mike hat auch schon zwischendurch angerufen und gefragt ob ich schon komme. Nun ja - wie es bei Frauen eben so ist kam ich dann um 15 Minuten zu spät zu Ihm. Wir schafften es aber doch noch einigermaßen gegen 20 Uhr bei dem Veranstaltungsort zu sein. Es war sehr schön und Fr. Dr. S. hat sich sehr über unsere Torte gefreut. Wir sind an am späteren Abend noch einige Zeit mit Ihr zusammengewesen und haben ein wenig - wie könnte es auch anders sein - über die derzeitige politische Situation diskutiert. Es wurden auch ein paar Photos gemacht und ich bin schon gespannt wie sie geworden sind.
Auch heute ist es wieder spät geworden. Zum Glück fängt mein Arbeitstag erst um 10 Uhr an.

20.12.96 (26 Tage)
Und wieder klingelt der Wecker - obwohl ohnedies schon 8:30 - viel zu früh. Heute geht es zur diesjährig letzten Restaurantleiterkonferenz mit ? - richtig !- der nächsten Weihnachtsfeier. Eigentlich wollte ich meinen Direktor davon informieren, daß ich - für mich klarerweise - als Karin zum Meeting komme.
Das ging aus Zeitgründen nicht mehr und so warf ich mich in meinen schönen schwarzen engen Rock (vorne und hinten geschlitzt und nahm meine neues Top und die nicht gerade billig gewesene (Wolford) feingenetzte Strumpfhose. Es sah wirklich elegant aus. Beim Meetingtreff angekommen waren diesesmal schon sehr viele KollegInnen da.
Ich wurde wieder herzlich empfangen, als ob es bei mir nie eine Veränderung gegeben hätte. Auch mein Direktor fand es scheinbar ganz natürlich, daß ich so kam.
Jetzt sind bei mir die letzten Zweifel bezüglich der Akzeptanz meiner Person als Frau im Unternehmen geschwunden. Bei einer Präsentation von Betriebsinterna, welche ich im Frontalvortrag präsentieren mußte, musterte mich der Direktor und meinte in Bezug auf meine schon recht nett entwickelte Brust ungläubig "Ist das schon alles echt ???? Es war eine recht lockere und angenehme Atmosphäre und es gelang Ihm sogar einige Male bereits Karin zu mir zu sagen. Nach der Konferenz saß ich noch ziemlich lange mit einigen KollegInnen zusammen und je später es wurde, umso mutiger wurden dann auch die dann verbliebenen Kollegen mich bezüglich der Vorgangsweise der Operation beziehungsweise des generellen Transgender - Problems zu fragen. Männer haben scheinbar in der Sache doch mehr Hemmungen oder vielleicht irrationale Ängste dieses Thema konkret anzufassen. Ich konnte somit ein wenig Aufklärungsunterricht geben und der Abend wurde wie an den vergangenen 2 Tagen vorher am frühen Morgen beendet

26.12.96 (20 Tage)
Der Tag begann recht ruhig und ich war am Vormittag ohne ersichtlichen Grund ein wenig in Bäh-Stimmung. Diese wurde aber dann gegen Mittag etwas besser. Nach dem Mittagessen war ich bei meinem Bruder auf Kurzbesuch. Cornelia und Markus hatten ja jetzt auch Geburtstag und so konnte ich Ihnen ein kleines Geschenk in Form von Pizzagutscheinen mitbringen. Zu meiner Überraschung bekam ich auch von meiner Schwägerin und meinem Bruder ein Weihnachtspräsent. Es war ein Buch über die Titanic. Irrsinnig nett war jedoch die Verpackung. Diese bestand nämlich aus (klarerweise) Weihnachtspapier, welches aber mit einem rosa und einem blauen Band verschnürt war. Auf dem dazugehörenden Kärtchen waren dann die Namen Harald und Karin verschränkt ineinander geschrieben.
Ich fand das ganz lieb und habe mich dementsprechend darüber gefreut. Das Kärtchen werde ich zur Erinnerung als Lesezeichen verwenden.
Leider mußte ich schon am Nachmittag in den Betrieb fahren und versäumte so den Weihnachtspunsch den Elisabeth und Cornelia fabrizierten.
Im Betrieb lief alles in geregelten Bahnen und ich konnte schon für Jahresabschluß Vorbereitungsarbeiten machen um nicht alles am letzten Tag erledigen zu müssen. Heute ist der 3. Tag wo ich im Betrieb voll als Karin ( mit meinem schönen langen schwarzen Rock) arbeite.
Im Prinzip ist das nun gar nicht mehr extra erwähnenswert, da es für mich endlich den ersehnten Zustand bedeutet und jetzt, nach Erreichen desselben es für mich der Normalzustand ist. Ich kann somit sagen, daß der Zwischenbereich Transsexualität für mich im Prinzip abgearbeitet ist und ich mich schon sehr auf den letzten Schritt - die Operation - freue um dann mit Vollgas in den 2. Lebensabschnitt zu gehen. Der sogenannte Alltagstest war bei mir zwar relativ kurz. Ich konnte jedoch den Prozeß des Hinübergleitens jederzeit beeinflussen und denke, daß es mir - mit Ausnahme von Andrea - wirklich super gelungen ist bei all den für mich maßgeblichen Personen Verständnis für meine Situation zu finden. Die letzten 19 Tage werden in diesem Bereich nicht mehr viel neues bringen, da ich ja nun tatsächlich permanent beruflich und privat als Frau lebe, daher werden die nächsten Tagesberichte möglicherweise kürzer ausfallen als die ersten 20 Tage. Wirklich interessant wird es sicherlich dann in der Operationswoche und kurz danach.

2.1.97 - Endspurt
Die von der Gebietskrankenkasse ausgestellte Bewilligung (Kostenübernahme) zur Operation ist endlich eingelangt.
Heute Vormittag war ich beim praktischen Arzt, um mir die Facharztüberweisungen für die notwendigen Untersuchungen in Hinblick auf die Operationsfreigabe zu holen.
Notwendig war eine gründliche Blutuntersuchung inkl. Elisa (HIV) Test, Harnuntersuchung, Lungenröntgen, Nierenultraschall, EKG sowie eine internistische Untersuchung. Ich habe Glück, daß die zuständigen Fachärzte, bei welchen ich schon einmal war, nicht auf Urlaub sind.
Somit ist es möglich die vielen Untersuchungen innerhalb kürzester Zeit zu absolvieren, um dann Termingerecht die Operationsfreigabe vom Internisten zu bekommen.

9.1.97
In der Zwischenzeit war nichts Aufregendes zu berichten. Die Normalität - nämlich permanent als Frau zu leben - macht mich in meinem Wesen sehr ausgeglichen. Mittlerweile sind die Untersuchungen auch absolviert Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, daß mein allgemeiner Gesundheitszustand recht gut ist.
Der Internist meinte abschließend "Ihnen fehlt eigentlich nichts", worauf ich zur Antwort gab: "das habe ich vermutet, ich habe nur etwas zuviel - und das kommt ja nun endlich weg!" Der Arzt meinte, daß diesem - von mir schon sehnsüchtig erwarteten - bevorstehenden Schritt von seiner Seite aus nichts mehr im Wege stehen wird und ich die Bestätigung für das Spital am Montag, den 13.1. abholen kann. Er wünschte mir noch alles Gute und ich verließ die Ordination mit einem Gefühl der Erleichterung, da sich vom medizinischen Standpunkt aus in Hinblick auf die Operation keine Komplikationen ergeben dürften. Von diesem Augenblick an war der Eingriff- obwohl noch vor mir - mental schon hinter mir.

14.1.97 - Letzter Arbeitstag
Als ich in den Betrieb kam, war meine Kollegin schon da. Wir besprachen noch die notwendigen Dinge. Eigentlich war es für mich nur mehr Anwesenheitsdienst, da ich nicht mehr ganz bei der Sache war. Wir haben ohnedies auch schon die vergangenen Tage vieles durchbesprochen , und ich setze vollstes Vertrauen in Sie, daß der Betrieb weiterhin rund läuft. Eigentlich auch komisch, ich dachte früher lange Zeit, daß es ohne mir nicht geht und war irgendwie trotz aller Bestrebungen vieles in Teamarbeit zu machen als Einzelkämpfer unterwegs. Mittlerweile ist es aber durch abgeben von Verantwortung und sinnvolle Aufteilung der Arbeit zu einem bisher nicht gekannten Arbeitsgefühl gekommen. Wir informieren uns zwar ständig über unsere Bereiche, aber ich muß mich nicht mehr mit allem und jedem gänzlich belasten. Hier hat mir Silvia wirklich viel geholfen und ich konnte mich auf einmal auf Dinge konzentrieren für die ich bisher nie Zeit hatte. Gegen 14 Uhr verabschiedete ich mich von meinen Mitarbeitern um dann - mit einem doch etwas eigenartigen Gefühl - schön gemütlich nach Hause zu fahren. Vielleicht war es der Streß, der auf einmal von mir abfiel und diese komische Stimmung hervorrief. Ich hatte den Eindruck etwas hinter mir gelassen zu haben. Ich war nicht aufgeregt oder nervös - im Gegenteil - alles war auf einmal so ruhig und ich bemerkte, daß beim Gehen an mir die Leute vorbeiströmten, aber irgendwie war alles so unwirklich Zu Hause angelangt gab es Grammelknödel mit Sauerkraut, welche mir sehr gut schmeckten, noch dazu wo es das letzte Essen vor der Operation sein sollte. Anschließend fuhr ich mit meinen Eltern auf ein Plauscherl zu meiner Schwester um so auch meine Eltern ein wenig von dem Kommenden abzulenken. Nach der Rückkehr pflegte ich mich noch ausgiebig und ging - nachdem ich mich von mein Eltern verabschiedet hatte - zu Bett. Ich schlief tief und fest.

15.1.97 - Endlich ist es soweit!
Weckerklingeln um 5:30 Uhr - Zeit zum Aufstehen. Um 7 Uhr muß ich ja im Spital bei der Aufnahme sein.
Da ich nüchtern "einrücken" mußte, dauerte es nicht all zu lange bis ich die Wohnung verließ um mit meinem kleinen Köfferchen in Richtung Spital abzudampfen.
Dort angekommen mußte ich noch eine Weile warten. Dann ging es, ausgestattet mit den notwendigen Spitalsformularen in den 5. Stock Urologie. Auf der Station lief mir gleich Dr. A. über den Weg begrüßte mich sehr herzlich, eröffnete mir aber, daß es heute doch noch nicht zur Operation kommen wird, da eine andere dringende dazwischengekommen ist. Meine Operation sollte dann am Donnerstag in der Früh stattfinden. Nachdem mir das Zimmer angewiesen wurde begann die Wartezeit. Ich liege daher im Bett und harre der kommenden Ereignisse. Es sollte nicht lange dauern bis die erste Schwester auftauchte um mir diverse Unterlagen zum Durchlesen und Unterschreiben vorlegte. Es handelte sich dabei um die Operationseinwilligung und den für die Narkose notwendigen Fragebogen.
Es dauerte nicht lange, kam auch ein Arzt vorbei um mir eine Blutprobe abzunehmen. So bin ich also schon mitten drinnen im Spitalsalltag. Bei der Vormittagsvisite wurde ich dann offiziell davon informiert, daß die Operation am nächsten Morgen sein wird. Ich bekomme daher noch ein Mittagessen. Ich habe mich inzwischen häuslich eingerichtet. Der Schreibblock ist in Reichweite und auf dem kleinen Nachtkästchen habe ich ein Bild von meinen beiden Kindern aufgestellt, so habe ich meine Kinder wenigsten auf diesem Weg bei mir. Daneben steht mein mich seit dem 8. Lebensjahr begleitender Talisman. Es ist ein kleiner Troll mit langen schwarzen Haaren und einem breiten Lächeln. Stimmungsmäßig bin ich immer noch gut drauf und nehme alles um mich herum relativ gelassen auf. Ich denke, daß es schon sehr wichtig ist von der Richtigkeit des doch einschneidenden Schrittes überzeugt zu sein. Außerdem hilft eine gründliche vorherige Information über den Ablauf der Operation auch.
Mittlerweile ist es 13:30 Uhr geworden und die Visite ist soeben vorbeigerauscht. Da der Blutbefund in Ordnung ist, steht der Operation am nächsten Tag nichts mehr im Wege.. Meine Eltern waren am Nachmittag kurz da um nach mir zu sehen und einige noch benötigte Unterlagen vorbeizubringen. Trotzdem zieht sich nach dem leicht stressigen Vormittag der Nachmittag. Das sollte sich aber ab 15:30 Uhr schlagartig ändern. Nun setzten die operationsvorbereitenden Maßnahmen ein. Der erste Hinweis darauf war ein nettes kleines Schildchen mit dem Wort "NÜCHTERN" welches über meinem Bett angebracht wurde. Außerdem wurde eine Phiole mit meinem Blut am Bett mit einem Klebestreifen angebracht. Kurze Zeit später erschien eine Schwester um mir 3/1 Literflaschen gefüllt mit sogenannter Darmspülung zu überreichen. Es wird also ernst. Diese Flüssigkeit schmeckt wie eine Mischung aus Meerwasser parfümiert mit Apothekengeruch. Die gesamte Menge sollte bis 18 Uhr getrunken sein.
Mittlerweile sind auch einige Freunde und Freundinnen gekommen. Für Kurzweil war also gesorgt. Nachdem ich noch meine Nägel lakiert waren, und dies bei der Operation nicht erlaubt war, fand ich es an der Zeit "abzulackieren". Manuela hatte mir schon am Vormittag ein Fläschen mit Nagellackentferner gegeben, welches auf meinem Kästchen stand. Ohne hinzuschauen griff ich nach einem Wattepad und der Flasche mit dem Aceton - dachte ich jedenfalls! Während ich - mich noch immer mit unseren Besuchern unterhaltend - begann den Nagellack abzumachen, fing Manuela zu lachen an und unser Besuch folgte ihr darin. Ich war leicht verunsichert, da ich den Grund der Heiterkeit nicht mitbekommen habe. Als ich dann bemerkte, daß ich statt dem Nagellackentferner, die Flasche mit der Darmspülung erwischte und damit - allerdings vergeblich - versuchte, den Lack abzubekommen, mußte ich klarerweise auch herzlich lachen. Ich habe noch nie ein Spitalszimmer erlebt, wo es so fröhlich zugegangen ist.
16:30 Uhr - Besprechung mit einer Ärztin bezüglich der Narkose. Nochmaliges Abchecken der Krankengeschichte auf mögliche Komplikationsfaktoren.
16:45 Uhr - 2 Liter der gar köstlichen Darmspülung sind getrunken. Jedes Glas kostet mich eine immense Überwindung, aber ich schaffe es doch immer wieder das Zeug hinunterzukriegen.
17:00 Uhr - Abendessen, aber nicht für mich. Mitten im Fasching hat für mich die Fastenzeit begonnen. Schön langsam beginnt es in meinem Bauch zu rumoren und ich habe das Gefühl eine übergroße Portion Bohnengulyas gegessen zu haben.

Einverständniserklärung

Im Gegensatz zu meinen körperlich männlichen Geschlechtsmerkmalen, empfinde ich mich dem weiblichen Geschlecht zugehörig und wünsche als Frau zu leben. Ich möchte deshalb durch hormonelle Behandlung mit weiblichen Hormonen und durch operative Entfernung der männlichen Geschlechtsmerkmale dem weiblichen Geschlecht angeglichen werden. Hierbei sollen der Penis und die Hoden entfernt werden. Eine Scheide soll entsprechend der weiblichen Topographie angelegt werden, wobei die Penishaut zur Auskleidung derselben benutzt wird. Die Harnröhre soll an typisch weiblicher Stelle münden. Eine Bougierung ist postoperativ konsequent und dringend notwendig, weil es sonst zu einer Verengung und eventuell zum Verschluß der neu angelegten Scheide kommen kann. Die Vulva wird mit der Haut des Hodensacks geformt. Durch die Verabreichung von weiblichen Hormonen kommt es zu einer Vergrößerung der Brust mit weiblichen Aspekt (Gynäkomastie). Falls der Hormoneffekt nicht ausreichend ist, kann eine operative Vergrößerung durch Augmentationsplastik (Einlegen von Prothesen) durchgeführt werden.
Der Eingriff der Demaskulinisation(Entmannung) ist irreversibel, d.h. nicht mehr rückgängig zu machen. Es besteht kein Penis mehr. Die Möglichkeit zum Orgasmus durch Stimulierung des Penis ist nicht mehr gegeben. Es besteht dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit. Eine Fortpflanzungsmöglichkeit als Frau wird nie möglich sein, da die Schaffung einer Gebärmutter unmöglich ist.
Eine kontinuierliche Einnahme weiblicher Hormone ist regelmäßig lebenslang erforderlich zur Verhinderung von Hormonausfallserscheinungen (z.B. Hitzewallungen).
Komplikationen der hormonellen Behandlung bestehen in einem erhöhten Thromboembolierisiko, sowie einem geringgradig gesteigerten Risiko am Mammakarzinom zu erkranken, weshalb regelmäßige Kontrollen der Brust wie bei den üblichen weiblichen Vorsorgeuntersuchungen erforderlich sind. Die Operation hat wie jeder operative Eingriff, ein Mortalitätsrisiko. Spezielle Komplikationsmöglichkeiten sind Verletzungen der Harnwege und des Darms (Fistelbildung) sowie postoperative Infektionen, bei denen es zu Nekrosen und Abstoßungen der transplantierten Penishaut kommen kann.
In der Folge solcher Sekundärheilung ist eine konsequente Bourgierung besonders notwendig um Verengungen der Scheide und Verkürzung zu verhindern.
Gelegentlich kann es zu Strukturen der weiblich mündenden Harnröhre kommen, welche Bougierungen notwendig machen.
Unter und nach der Operation kann es zu einem so starken Blutverlust kommen, daß Bluttransfusionen notwendig werden (Hepatitisrisiko).
Die bisherige mündlich und schriftlich erfolgte Aufklärung erscheint mir ausreichend


................................ .........................................
Datum Unterschrift des Patienten

17:45 Uhr - Endlich sind die drei Liter weg. Um den komischen Geschmack im Mund wegzubringen habe ich zusätzlich ca. 1 Liter Mineralwasser getrunken. In meinem Bauch geht es jetzt schon zu wie auf einer Achterbahn. Manchmal hatte ich das Gefühl die Windungen des Darms abzählen zu können. Gott sei Dank war das WC nicht sehr weit entfernt und es war zu jener Zeit auch beinahe mein zweites Zuhause geworden. Ich freue mich schon auf das Vollbad, welches ich am Abend noch nehmen darf. Mittlerweile bin ich leicht matt geworden und kann mich nicht wirklich konzentrieren, also habe ich auch das lesen aufgegeben und liege jetzt nur mehr im Bett und versuche ein wenig zu schlafen. Alles in allem war die ganze Aktion nicht gerade angenehm, aber meine liebe Kollegin pflegt zu sagen "Schönheit muß leiden" - so gesehen muß ich ja sehr schön werden.
Irgendwann bin ich doch eingeschlafen, denn es war plötzlich 21:00 Uhr geworden. Manuela - welche neben mir lag - erinnerte mich daran, daß ich ein Bad nehmen wollte. Dies nahm ich dann auch sogleich in Angriff. Auf leicht wackeligen Beinen ging ich ins Badezimmer. Nachdem ich mein Badetuch zu Haus gelassen hatte, half mir eine Schwester mit einem Tuch aus. Das Vollbad tat richtig gut. Daran hatte auch die überlange Badewanne ihren Anteil. Es war für mich ein neues Gefühl in einer Badewanne die Füße ganz ausstrecken zu können. Ich tauchte in das wohlig warme Wasser ein und ließ die Seele baumeln. Nach dem Bad fühlte ich mich sehr gut und entspannt. Es sind inzwischen nur mehr 12 Stunden bis zu Operation und ich hoffe auch diese Nacht gut schlafen zu können.

Donnerstag 16.1.1997 - Die Operation
Diese Nacht habe ich doch nicht so gut verbracht. Schuld daran war aber einzig das für mich etwas zu kurze Bett. Um 5:30 weckte mich bereits die Schwester und brachte mir ein neues Nachthemd, sowie Kompressionsstrümpfe. Das Temperaturmessen ergab 36,8 Grad. Ich darf jetzt noch einmal Duschen gehen. Anschließend ziehe ich die Strümpfe und das Nachthemd an. Jetzt bin ich "reisebereit" ins neue Leben. Wenn ich mich so betrachte hätte ich gute Chancen auf die "Miß Rudolfstiftung". Das Nachthemd ist neckischerweise rückwärts nur mit Bändchen zusammengehalten. Ich liege jetzt im Bett und warte.

8:00 Uhr Ein Pfleger kommt und holt mich ab. Langsam rollt er mich mit meinem Bett in Richtung Aufzug. Nun ging es in den Operationsbereich. Eine undefinierbare Spannung machte sich bei mir breit. Es war aber keine beängstigende, sondern ganz einfach nur Gedanken über etwas unbekanntes und noch nie Erlebtes die mich beschäftigten. Meine letzte Narkose war in meiner frühen Kindheit und so kann ich mich auch an die Vorgänge davor nicht erinnern. Wir sind jetzt im Vorraum des Operationssaales angekommen. Vor mir an der Wand ist ein schönes Kruzifix. Ich habe meinen Kreuzweg schon beinahe hinter mir. Stimmengewirr dringt aus dem OP in welchem scheinbar die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Der Narkosearzt begrüßt mich und legt die notwendigen Anschlüsse für die Infusionen. Jetzt beginnt auch schön langsam die Wirkung der Beruhigungskapsel, welche ich vor ca. 10 Minuten bekommen habe.
08:20 Uhr - Nun werde ich in den OP geschoben. Dort angekommen wechsle ich vom Bett auf den OP-Tisch. Ich mußte mit dem Gesäß bis zur Tischkante vorrücken. Anschließend legte ich mich zurück. Jetzt begann rund um mich ein emsiges Treiben. Meine Beine wurden relativ hoch in elastischen Schleifen eingehängt. Extreme Steinschnittlage nennt man das. So war das Operationsfeld für die Ärzte optimal zugänglich. Nachdem ich mein Spitalshemd ausgezogen hatte bekam ich eine wohlig warme Heizdecke aufgelegt Dann hörte ich noch die Worte - jetzt werden sie bald einschlafen und jetzt kommt der Sauerstoff. Ich hatte das Gefühl keine Luft zu bekommen und wollte noch etwas sagen, danach war es schlagartig finster.


Auszug aus dem Operationsprotokol:

In Allgemeinnarkose in extremer Steinschnittlage zirkuläre Incision der Penishaut. Komplette Mobilisation der Penishaut entlang der Buck´schen Faszie. Perinale Incision, wobei ein V-förmiger hinterer Lappen für die hintere Vaginalwand gebildet wird. Komplette Mobilisation des Penis. Komplette Mobilisation der Corpora cavernosa unter Erhalt des neurovasculären Bümndels und der Glans. Absetzen der Corpora cavernosa am Ansatz am Knochen. Absetzen des Funiculus spermaticus beidseits am äußeren Leistenring. Bilden einer Höhle zwischen Rektumvorderwand und Prostata beziehungsweise Harnblase. Eröffnen der Denonvillierschen Faszie. Verschluß der Penishaut und Mobilsation der suprasymphysären Haut. Einstülpen der Penishaut in die präformierte Höhle. Die Penishaut wird mit zwei Nähten fixiert und mit dem Fibrinkleber geklebt. Bilden einer Klitoris inklusive eines Präputium klitoridis aus der Glans welche am Gefäßnervenbündel belassen wird. Resektion der Harnröhre, so daß der Meatus an die für eine Frau typische Stelle zu liegen kommt. Der Defekt zwischen Meatus und Neoklitoris wird mit der vorderen Urethalwand versorgt. Einlegen eines Katheders. Der Kathederharn klar. Setzten einer suprapubischen Cystomie. Resektion der beiden Scrotalhälften auf Labiengröße. Druckverband.

16:00 Uhr Benommen nehme ich schemenhaft meine Umgebung war. Es sollte noch eine viertel Stunde dauern bis ich meine Gedanken koordinieren konnte. Ich spürte den Druckverband und meine Knie schmerzten mich von der extremen Operationsstellung. Immer klarer wurden die Silhouetten um mich herum und eine Schwester, welche mein Aufwachen bemerkte, sprach mich an und fragte mich wie ich mich fühle. Ich antwortete: gut. In Wahrheit war es aber viel mehr. Es war, als ob ein meterdicker Betonpanzer von mir abgefallen sei, und dieses Wohlgefühl ist einfach unbeschreiblich. Endlich ist die Harmonie zwischen Körper und Geist hergestellt und ich bin froh diesen Schritt gesetzt zu haben. Es wurde mir - Dank der Tatsache der Existenz von Handy´s - ermöglicht, selber meine Eltern von der gut verlaufenen Operation zu verständigen. Um 17:00 Uhr wurde ich dann wieder auf mein Zimmer gebracht. Dort warteten bereits einige Freunde von Manuela und mir. Auch meine Eltern waren bald da. Ich fühlte mich ganz einfach wunderbar. Trotzdem bin ich noch von der Narkose etwas mitgenommen gewesen und schlief zwischendurch immer wieder ein.

17.1.97 - Der Tag danach
Die Nacht verbrachte ich wieder nicht besonders. Schuld daran war der Druckverband, welcher mich in der Bewegungsfreiheit doch ziemlich einschränkte. Beim ersten Morgenlicht spähte ich vorsichtig unter die Bettdecke. Was ich sah war der Druckverband aus dem 2 Drainageschlauchstummeln hervorragten und ein dicker Verband wo der Blasenkatheder aus der Bauchdecke kam. Alles in allem ein doch eher unangenehmes Gefühl, zu dem auch das in der neu gebildeten Scheide befindliche "Phantom" beitrug. Die Schmerzen hielten sich aber in Grenzen, was sicherlich auch noch der Nachwirkung der Narkose zuzuschreiben war. Als die Schwester Temperatur messen kam brachte ich es auf 37,7. Nach so einer schweren Operation eigentlich ganz gut. Momentan kann ich nur auf dem Rücken liegen und - da der Beckenbereich wegen des Verbandes nicht besonders gut auf mich zu sprechen war - ließ es auch dabei bewenden. Um 9:00 Uhr kam jedoch der erste Kraftakt. Ich mußte aufstehen. Mühsam erkämpfte ich eine Sitzposition am Bettrand. Mein Kreislauf war nach dieser Aktion dermaßen beansprucht, daß ich eine ca. 10 minütige Zwangspause einlegte. Anschließend ging es gestützt von einer Krankenschwester und einem Krankenpfleger in Richtung Waschnische.
Dazu möchte ich kurz anmerken daß sich die ganze Zeit über die für mich zuständigen Mitarbeiter der Wr. Rudolfsstiftung in sehr menschlicher und netter Weise um mich bemüht waren. So möchte ich auf diesem Weg allen ein herzliches Dankeschön aussprechen. Ich habe mich immer in besten Händen gefühlt, was bestimmt auch einen Anteil am raschen Genesungsverlauf hatte.
Nun aber wieder zurück zu meinem ersten Ausflug ins Frauenleben. Der nicht einmal 10 Meter lange Weg kam mir endlos vor. In der Waschkabine setzte ich mich dann auf einen bereitgestellten Stuhl, oder besser gesagt auf die Kante des Stuhl´s, da an ein reguläres Sitzen nicht gedacht werden konnte. Freundlicherweise war bereits warmes Wasser eingelassen und so konnte ich mich notdürftig waschen. Nachdem mein Bett gemacht war wurde ich wieder hinbegleitet. Mein Gang muß ziemlich lustig ausgesehen haben. Ich glaube, daß ein Zwergpony durch meine Beine durchlaufen hätte können ohne von mir bemerkt zu werden. Schließlich war ich froh wieder im Bett liegen zu können. Den ganzen Tag über bekam ich nur Tee und Mineralwasser zu trinken. Nichts war es mit Infusionen und ähnlichem. Somit war es bereits der 4. Tag an dem ich sehr wenig oder gar nichts gegessen habe. Am frühen Nachmittag versuchte ich wieder ein paar Schritte. Diesmal war es schon viel besser als noch am Vormittag.
Nach zwei Zimmerrunden hatte mich mein Bett jedoch wieder. Übertreiben wollte ich es auch nicht. Mittlerweile hatte ich mir auch schon eine eigene Technik angeeignet um möglichst schmerzfrei in die Waagrechte zu kommen.
Nachmittags bekamen wir wieder Besuch. Auch meine Schwester kam auf ein Plauscher´l bei Ihrer "neuen" Schwester vorbei. Unser Fensterbrett gleicht nun schon einem kleinem Blumenladen. Es ist richtig schön so viele farbenprächtige Blumen vom Bett aus zu sehen. Das Wetter draußen ist ohnedies ständig trüb und grau. Sehr gefreut habe ich mich auch, daß der Sohn meiner Co - Autorin es sich nicht nehmen lassen wollte mich zu besuchen. Er brachte mir sogar eine wunderschöne Schminkschatulle mit, welche er selber ausgesucht hat. Er zeigt mir, daß Kinder sehr wohl mit dem Thema Transsexualität gut umgehen können, wenn man die Möglichkeit hat Ihre Fragen offen und ehrlich zu beantworten. Ich wünsche Ihm von ganzem Herzen daß er diese Einstellung und Toleranz auch in sein Erwachsenenleben mitnehmen kann.. Zu diesem Zeitpunkt war ich mehr gerührt als ich den Anwesenden zeigen konnte. Es erinnerte wieder sehr stark an die Situation mit Verena und Andreas. Ich hoffe inständig, daß auch meine Kinder einmal soweit sein werden und wieder zu mir kommen. Gerade in den langen Nächten denke ich viel darüber nach wie schön es sein könnte.
Bei der Abendvisite wurde festgestellt, daß mein Genesungsverlauf gut sei und ich nach meinem ersten Stuhlgang wieder zu Essen bekommen werde. Das war ja nun eine gute Ansage. Ich fragte mich insgeheim wo denn der Stuhl herkommen solle, wo ich doch nun seit beinahe zweieinhalb Tagen nichts mehr zu Essen bekam und nur von Tee und Mineralwasser lebe. Nun ja, ich habe dann gemogelt und mit einem halben Päckchen Mannerschnitten (Mag man eben!) und zwei kleinen Bissen Schnitzel - welche ich von Manuela zugesteckt bekam - nachgeholfen. Der Erfolg stellte sich dann am Morgen prompt ein. Es war zwar nur ein Hauch, aber es war was da. Komisch worüber man sich im Spital so freut! Der Gang auf das WC war auch so ein eigenes Erlebnis der besonderen Art. Nichts funktionierte so wie es vor der Operation war. Ein eigenartiges Gefühl ist es schon, wenn der Harn nicht den üblichen Weg geht, sondern über den Katheder durch die Bauchdecke den Körper verläßt. Die Krankenschwester schnippelte vorher auch noch den Druckverband etwas zurecht, damit nicht alles zugeklebt ist. Jetzt war also das Frühstück für den nächsten Tag gesichert.
Diese Nacht verbrachte ich recht gut, zumal es mir schon möglich war mich ganz leicht seitlich zu legen. Angst hatte ich nur, daß dabei der Kathederschlauch bei der Kupplung herausrutscht.


18.1.97
Es ist 5:30 als ich gut ausgeruht munter werde. Von den gestrigen Erfahrungen mutig geworden stand ich wieder alleine auf um mich zu waschen. Außerdem war es notwendig das Gesicht zu rasieren, da der Bart leider - wenn auch schon im Wachstum etwas schwächer - noch immer da ist. Ich freute mich schon auf das langersehnte Essen, jedoch hatte es auch dieses mal den Anschein, daß ich wieder nichts zu Essen bekomme. Manuela bekam das Frühstücksplateau - ich jedoch nicht. Da sich auch in den nächsten 5 Minuten nichts in der Richtung tat, ging Manuela nachsehen. Kurze Zeit später war es endlich da - mein Frühstück ! Es war herrlich nach so langer Zeit wieder etwas zwischen den Zähnen zu haben und ich genoß jeden einzelnen Bissen.. Aufgebaut auf meine nunmehrige Stärkung versuchte ich meinen Aktionsradius zu vergrößern und erreichte sogar das Ende der Station. Plötzlich kam Prof. S. mit der Visite um die Ecke und so mußte ich mich beeilen mein Zimmer wieder zu erreichen. Kurz nachdem ich wieder im Bett lag war auch schon die Visite da.
Der Druckverband wurde entfernt und ein sehr leichter Bindenverband angelegt. Außerdem wurde auch der Verband beim Katheder erneuert.
Der Phantompenis blieb noch in der Scheide und der Professor meinte dort solle er auch bleiben bis er von er herauskommt, was auch nach nicht all zu langer Zeit während eines Spazierganges am Gang passierte. Plötzlich machte es "plup" und der ca. 12 cm lange und ca. 3cm. breite Glaskolben lag am Boden.
Glücklicherweise ging er nicht zu Bruch. Ich bat eine Krankenschwester das Ding aufzuheben, da ich mich sehr schwer bücken konnte. Durch den leichten Verband war es auch schon etwas einfacher einigermaßen normal gehen zu können, auch wenn die Schrittlänge derzeit nur ein Viertel der sonst üblich gewesenen Länge betrug. So nützte ich auch die Gelegenheit und machte fleißig Bewegung. Mittlerweile ist es Mittags geworden und es gab eine sehr gute Suppe und anschließend Rahmfisolen mit Wurst. Noch immer leicht ausgehungert war ich bedacht darauf nicht einmal den Saft der Rahmfisolen übrigzulassen. Erschöpft von den vielen Erlebnissen am Vormittag und vom Essen machte ich ein kleines Nickerchen. Eine Stunde später war ich aber schon wieder auf den Beinen und verbrachte den ganzen Nachmittag außerhalb des Bettes. Meine Eltern waren wieder - so wie jeden Tag - auf Besuch.
Außerdem kamen noch meine Geschwister, meine liebe Kollegin, sowie einige aus meinem jetzigen Freundeskreis vorbei. Ich freue mich über jeden Einzelnen und dachte daran, daß vor einem Jahr mein Leben beinahe zu Ende war und jetzt dieser wirklich tolle Neubeginn. Auch wenn die Situation durch die Problematik mit meinen Kindern noch leicht getrübt ist, gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß sich diese Situation doch noch zum Guten wenden wird. Ich bin mir ganz sicher, daß diese von mir getroffene Entscheidung, den Weg der geschlechtsanpassenden Operation zu gehen der für mich Richtige gewesen ist.
Sabine, die gute Seele ist auch wieder da. Sie würde uns jetzt schon abgehen, wenn Sie uns einmal nicht besuchen würde. Das Abendessen entsprach diesesmal nicht gerade unserem Geschmack, und so rief ich bei einer Kollegin in einem dem Spital nahegelegenen Betrieb an und bestellte zwei halbe schöne knusprige Wienerwald Grillhendl, welche nach kurzer Zeit per Taxi bei uns im Zimmer angelangt waren. Das gab einen herrlichen Schmaus. Das ganze Zimmer duftete nach frisch gegrilltem Hendl und wir genossen unser Nachtmahl. Die Schwestern werden sich ganz schön was gedacht haben.
Bei unserer Zimmertüre formierte sich eine regelrechte Duftschleuse. Gesagt haben sie aber bei der Abendvistite nichts. Nun bin ich außer dem Blasenkatheder alle Anschlüsse los. Die Temperatur ist auch konstant normal. Meine Blutwerte sind nach Aussage der Ärzte auch ausgezeichnet, so daß auch hier weitere regelmäßige Kontrollen entfallen. Wenn daß so weitergeht werde ich das Spital vielleicht schon am Mittwoch oder Donnerstag verlassen können. Ich bin überglücklich, daß alles so planmäßig verläuft. Es ist jetzt 22:30 und ich bin vom Schreiben müde geworden.
Ich hatte die letzten Tage nachzuholen, da ich kurz nach der Operation nicht so richtig in der Lage und auch Stimmung war zu schreiben.

19.1.97 Sonntag
Auch diese Nacht habe ich wieder gut hinter mich gebracht. Ich mußte zwischendurch zwar immer wieder aufstehen um das WC aufzusuchen - dies ist die Wirkung der doch nicht unbeträchtlichen Menge von 4 Liter Tee am Tag - schlief aber dann doch rasch wieder ein. Die Schmerzen sind weiter zurückgegangen und das Husten oder Lachen tut nicht mehr so weh. Die Bauchdecke unterhalb des Nabels schmerzt doch noch ganz schön. Das ist einerseits durch den Katheder bedingt, andererseits auch durch die Beanspruchung der Bauchdecke anläßlich der Operation. Wie ich auf der Toilette feststellte hatte ich eine leichte Wundblutung. So ein Käse, kaum ist man 2 Tage lang Frau, da hat man auch schon die "Tage". Spaß beiseite, ich habe mich möglicherweise ein wenig übernommen. Laut Dr. A. sieht aber alles recht gut aus und die schwache Blutung ist nichts außergewöhnliches und keinesfalls Besorgniserregend. Das beruhigte mich dann auch wieder.
Ich bekam aber zur Sicherheit daß keine Nähte aufgehen ein transparentes Wundpflaster auf beide Schamlippen. Sonst bekam ich im Genitalbereich keinen weiteren Verband. Normale Binden reichten vollkommen aus.
Der Ausgang des Katheders auf der Bauchdecke war auch schön und nicht entzunden. Ich bekam dort wieder einen neuen Verband. Solchermaßen gut versorgt ging ich wieder ein wenig spazieren. Zwischendurch bekam ich immer wieder Anrufe von Mitarbeitern die sich nach meinem Befinden erkundigten. Ich bin wirklich gerührt, daß sich so viele verschiedene Menschen um mich sorgten. Nach langen Jahren der selbstauferlegeten Isolation eine Wohltat welche man nicht Betroffenen schwerlich erklären kann. Es ist so vieles in den vergangenen 12 Monaten möglich geworden.
Heute bin ich beim Mittagessen schon am Bettrand gesessen. Wieder ein kleiner Schritt vorwärts.
Das Menü bestand aus Suppe mit Grießeinlage, Schweinsbraten mit Knödel und Gurkensalat, sowie einer köstlichen Bananenschnitte. Mittlerweile ist unser Fensterbrett voll mit Blumenvasen und die schönen Arrangements werden vom Pflegepersonal sehr bewundert. Wir bekamen auch die Erlaubnis, daß wir ein wenig Faschingsstimmung hineinzaubern dürfen und so hängten wir ein paar bunte Girlanden - welche meine Eltern mitbrachten - ans Fenster und über unsere Betten. Es ist wirklich ein fröhliches Spitalszimmer geworden.
Scheinbar bin ich schon sehr stark auf dem Wege der Besserung, da die Eitelkeit wieder zum Vorschein kommt. Ich habe mir wieder meine Ohrstecker welche ich auf Grund der Operation entfernen mußte wieder hineingetan und die mittlerweile auch ein wenig schmutzig gewordenen Kompressionsstrümpfe gegen neue gewechselt. Weil ich mich ja "sooo" fit fühle ziehe ich diese - wenn auch umständlich - selber an, anstatt mir helfen zu lassen. Die Strafe folgte aber ohnedies prompt und äußerte wegen Überanstrengung sich in einer leichten Wundblutung. Jetzt darf ich zur Belohnung das Bett hüten und das behagt mir eigentlich überhaupt nicht. Nach der Erfahrung mit den Strümpfen habe ich fortan ständig Angst mich zu überanstrengen, was im speziellen den Stuhlgang betrifft. Hier haben die Schwestern aber mit einem kleinen Mittelchen etwas Erleichterung geschaffen.
Mittlerweile ist wieder unsere tägliche Audienzstunde eingetreten und das Zimmer füllt sich mit lieben Besuch und das Fensterbrett mit weiteren Blumen. Es ist schon ein schöner Anblick, noch dazu bei dem trüben Wetter draußen.

Montag 20. Jänner:
Die Nacht habe ich nach den Anstrengungen des Vortages recht gut verbracht. Das neue "Lady-Size" - Bett ist sehr komfortabel und ich bin richtig erholt. Manuela ist nun auch in den OP gekommen und so bin ich fast den ganzen Tag alleine.
Ich vertrieb mir die Zeit damit mein Tagebuch nachzuschreiben und fest Spazieren zu gehen um mich auf die hoffentlich Mitte der Woche stattfindende Entlassung aus dem Spital vorzubereiten. Meine interne "Müllabfuhr" funktioniert nun auch schon klaglos und es macht dahingehend auch keine Probleme mehr. Ich trinke aber nach wie vor ca. 5 Liter Tee am Tag. Ich setzte mich auch ein wenig in den Fernsehraum und übersah so die scheinbar in Eiltempo vorübergezogene Visite. Vorsorglich habe ich ohnedies jedesmal beim Verlassen des Zimmers das lustige Hinweisschild - "Komme gleich - komme bald - Wienerwald" welches einmal in diesen Restaurants verteilt wurde - auf dem Kopfkissen liegen. So ist der Professor zumindest informiert, daß ich wieder ins Zimmer zurückkomme. Die Stationsschwester entdeckte mich aber dann doch im Aufenthaltsraum und erklärte mir, daß der Blasenkatheder provisorisch abgeklemmt wird um zu sehen wie die Blase und die neu verlegte Harnröhre - welche von ca. 18cm auf 4cm gekürzt - funktioniert. Dazu gab sie mir einen relativ großen Kunststoffbehälter um darin die abgegebene Menge aufzufangen. Anschließend - so erklärte sie mir - wird der Katheder wieder aufgemacht um zu sehen wieviel Restharn dann noch in der Blase war.
Ich stellte den Behälter hin und wartete ab nun auf das kleine Bedürfnis. Irgendwie war ich schon neugierig wie das nun funktionieren würde und ob ich das "Fangerlspiel mit dem Plastikbehälter gewinnen würde. Nun ja, ich legte mich nach dem Mittagessen etwas hin und harrte der auf mich zukommenden Dinge.
13:05 - Es ist soweit. Nun werde ich ja sehen ob und wie die neue "Wasserleitung" funktioniert. Ich war erstaunt, daß es so gut lief und ich auch keine Probleme mit dem auffangen hatte. Rein gefühlsmäßig habe ich den Behälter an die richtige (neue) Stelle gehalten und es ging daher auch nichts daneben. Nachdem dann der Restharn gemessen wurde, sagte mir die Schwester, daß - falls es nochmals so gut klappen sollte - ich den Katheder noch an diesem Tag herausbekomme.
Dies war dann auch am späteren Nachmittag der Fall. Der kleine Verband auf der Bauchdecke unterhalb des Nabels wurde entfernt und ich sah die Stelle wo die Kathederleitung in die Bauchdecke eingefügt wurde. Die Nähte wurden entfernt und so war es anschließend möglich den Plastikschlauch herauszuziehen. Es war da dabei ein eigenartiges Gefühl spürbar. Die mit der Entfernung verbundenen Schmerzen waren gar nicht so arg, aber ich merkte doch ein eigenartiges ziehen. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß der Schlauch endlos lang ist und die Schwester eine überdimensionale Makkaroni aus meinem Bauch zieht und aufwickelt. Nach kurzer Zeit war aber auch das überstanden und ich war endgültig alle "Anschlüsse" los. Im Prinzip lief alles wie am Schnürchen und das Timing paßte exakt. Ein Entlassungstermin Mittwoch oder Donnerstag wird nun immer wahrscheinlicher. Mittlerweile ist auch Manuela von der Operation zurück im Zimmer. Bei der Abendvisite bin ich eigentlich nur mehr "Nebensache". Das Temperaturmessen entfiel bereits und , nachdem mein physischer und psychischer Zustand sehr gut war, gab es auch nichts zu besprechen.

Dienstag 21. Jänner
Es geht mir immer besser. Ich könnte sagen, daß ich schon ein ganz normales Befinden habe. Das Frühstück habe ich bei Tisch eingenommen. Das Gehen ist noch immer ein wenig mühsam und die Schritte sind nicht so flott gesetzt wie vorher, aber ich möchte nach wie vor jede Überanstrengung meiden. Möglicherweise ist heute mein letzter Spitalstag. Ich freue mich nun schon auf zu Hause. Die sonst übliche Thrombosespritze entfiel auch schon da ich bereits mehr aus dem als im Bett bin.
Ich hole mir selber regelmäßig meine Kanne Tee von der Teeküche, da ich wegen dieser Kleinigkeit die Schwestern nicht belasten möchte. Außerdem ist es mir nun auf Grund meiner Mobilität möglich Manuela ein wenig von der Unterstützung zu geben welche sie auch mir am Tag nasch der Operation zukommen ließ. So gesehen war es ganz gut, daß unsere Operationstermine etwas auseinander lagen.
Ich fühle mich sehr glücklich und bin so froh diesen Schritt gesetzt zu haben. Noch vor einem Jahr hätte ich mir das nicht einmal zu träumen gewagt. Meine liebe Kollegin Silvia hat diesbezüglich einen wunderschönen Spruch - er wurde daher auch Titel dieses Buches - in mein Erinnerungsbuch eingeschrieben der wie folgt lautet:

Träume nicht das Leben - lebe deinen Traum !

Soeben ist die Nachmittagsvisite vorüber und damit ist es auch fix geworden, daß ich morgen die Klinik verlassen darf. Prinzipiell hätte ich auch schon jetzt am Abend gehen dürfen. Das war mir aber dann doch zu schnell. Schließlich möchte ich mir diesbezüglich keinen unnötigen Streß machen, sondern das Spital so verlassen wie ich es betreten habe (NICHT KÖRPERLICH GEMEINT !!!!), nämlich ruhig und besonnen und mit der Gewißheit einen äußerst positiven Schritt für meine weitere Zukunft hinter mich gebracht zu haben.

23.1.1997 - Wieder zu Hause
Das eigene Bett ist das eigene Bett. Dies hat sich wieder einmal bewahrheitet. Ich fühle mich blendend und nach dem mit meinen Eltern gemeinsam genossenen Frühstück wage ich einen ersten Ausflug ins Freie. Dieser brachte mich vorerst zum nahegelegenen Photographen, bei welchem ich meine neuen Bilder machen ließ. Dort angekommen fühlte ich erstmals daß ich trotz relativ kurzen Strecke von ca. 200 Meter Probleme mit dem Kreislauf habe. Die Spitalsluft ist scheinbar doch etwas anderes. trotzdem ging ich weiter auf das Standesamt um hier gleich nocheimal Informationen bezüglich der Personenstands und Namensänderung einzuholen. Dort mußte ich mich dann ein wenig von den Strapazen des Ausfluges erholen. Nun war ich schon so weit gekommen, da gehe ich doch glatt auch noch zum praktischen Arzt um meine Krankmeldung zu machen.
Mit der Krankenhausbestätigung und den sonstigen Spitalspapieren bekam ich diese auch gleich und so konnte ich dann meiner Firma auch die Bestätigung zukommen lassen. Außerdem bekam ich auch gleich das Rezept für die - auch nach der Operation - weitergehende Hormontherapie (Androcur/Trisequenz forte). Anschließend an den Besuch beim Arzt nahm ich die Straßenbahn um nach einer Station wieder erschöpft vor der Haustüre zu stehen. Ich habe mich scheinbar doch ein wenig übernommen und den Nachmittag verbrachte ich liegend. Ich hätte mir nicht gedacht, daß dieser an sich unter normalen Umständen kurze Weg so anstrengend für mich sein wird.

24.1.97
Nachdem ich gestern den zuständigen Standesbeamten in Irdning (Geburtsort) nicht erreichen konnte rief ich heute an. Er hatte schon von seiner Kollegin meine Nachricht bekommen und mir mitgeteilt, daß er nun das Operationsprotokol sowie das Scheidungsdekret benötigt um den behördlichen Instanzenweg beginnen zu können. Ich sicherte ihm zu die geforderten Unterlagen unverzüglich zu senden.
Ich habe ja sehr großes Interesse, daß die Personenstands und Namensänderung rasch vor sich geht. Diesbezüglich habe ich auch von meiner Seite aus Kontakt zum Gerichtsmedizinischen Institut aufgenommen um hier einen Untersuchungstermin für das leider derzeit unumgängliche nochmalige Gutachten anläßlich der geschlechtsanpassenden Operation erstellen zu können. Nach einem kurzen Gespräch mit der zuständigen Ärztin Fr. Dr. F. wurde der Termin mit 13.2.97 festgelegt.

25.1.97
Nach einem Tag der relativen Bettruhe - die diversen Telefonate wickelte ich liegend ab - wage ich es wieder die Wohnung zu verlassen. Ich unternahm mit meiner Mutter einen kleinen Einkaufsbummel am nahegelegenen Markt.
Diesesmal war es schon merklich weniger anstrengend für mich. Das Operationsfeld schmerzte aber doch ein wenig beim gehen und am Nachmittag war wieder Schonung angesagt.

26.1.97
Heute geht es mir blendend und ich beschließe, daß ich nach dem Mittagessen in die Rudolfsstiftug fahren werde um zu sehen wie es Manuela geht. Die war einigermaßen erstaunt mich so fit auf den Beinen zu sehen. Wir plauderten ein wenig und nach ca. einer halben Stunde verließ ich wieder das Spital. Nachdem der Tag Wettermäßig wirklich schön war beschloß ich auch in meinem Betrieb vorbeizuschauen. Somit ist dies der erste wirklich große Ausgang nach der erst 10 Tage zurückliegenden Operation. Gut gelaunt aber doch froh wieder daheim zu sein sperrte ich gegen 18 Uhr die Wohnungstüre wieder auf.

27.1.97
Eigentlich verlief der Tag relativ ruhig. Ich war - nachdem mein PC im Betrieb steht - wieder im Wienerwald und verfaßte den formlosen Antrag auf Personenstandsänderung welchen ich dann auch gleich am Nachmittag zur Post brachte. Anschließend hatte ich noch ein wenig "small talk" mit meinen Mitarbeitern um dann wieder mit der Schnellbahn nach Hause zu fahre. Schwierigkeiten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hatte ich zum Teil nur wegen der hohen Einstiegsstufen. Da spürte ich doch ein ziehen und zwacken zwischen den Beinen. Das Sitzen war im Prinzip auch relativ problemlos, nachdem ich anfänglich in der Straßenbahn den Versehrtensitz für mich in Anspruch nahm.
Hier hatte ich die Gelegenheit die meinen Bedürfnissen entsprechende Sitzposition einnehmen zu können. In der Schnellbahn war dies wegen der gut gepolsterten Sitze kein Thema.

28.1.97 - 12. Tag nach der Operation.
Schon um 8 Uhr läutet das Telefon und - ich glaubte es kaum - der Beamte des Standesamtes Irdning war in der Leitung. Er teilte mir mit, daß er mein Ansuchen bereits vor sich liegen hat und daher unverzüglich Frau Dr. F. mit der Erstellung des notwendigen Gutachtens beauftragen wird. Er war etwas erstaunt, daß ich mir bereits einen Termin gesichert habe und versprach mir von seiner Seite aus das durchaus etwas komplizierte Verfahren raschest durchzuziehen. Aufgeputscht durch diese Information beschloß ich noch am selben Tag im Wr. Rathaus die Namensänderung zu beantragen. Dies hatte ich dann am Nachmittag auch geschafft. Nun liegt es nur mehr an den zuständigen Beamten wie lange die Mühlen der Verwaltung mahlen.

4.4.1997 - 78 Tage nach der Operation
Mittlerweile bin ich schon wieder über ein Monat in meinem Beruf tätig. Es geht mir körperlich und seelisch außerordentlich gut. Ich habe seit der Operation ein hohes Maß an Lebensqualität dazugewonnen, und möchte mir gar nicht vorstellen noch in einem männlichen Körper zu sein. Es ist mir bewußt, daß ich keine 100% Frau sein kann. Mit dem nunmehr erzielten Kompromiß kann ich aber ausgezeichnet leben. Endlich ist alles so, wie es aus meiner Sicht sein soll, und ich habe meine Ausgeglichenheit und meinen inneren Frieden gefunden.

Das Operationsergebnis kann man - von meiner Warte aus gesehen - sowohl optisch, als auch funktionell durchaus als gelungen bezeichnen. Eine endgültige Aussage kann man voraussichtlich aber erst im Herbst treffen, da sich nach wie vor noch einige Nähte auflösen müssen und die Abheilung noch im Gange ist. Ich werde weiterhin regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen gehen, da mir mein Körper nunmehr sehr wichtig geworden ist. Außerdem habe ich auch mit meiner Therapeutin - schon allein in Hinblick auf die noch nicht geklärte Situation die Kinder betreffend - vereinbart, daß ich weiterhin lose in Kontakt mit ihr bleibe. Es ist sicherlich auch für sie interessant, wie es langfristig mit mir weitergeht.

Hiermit schließe ich dieses Tagebuch