Gesetzeslücke - zur rechtlichen Situation in Österreich

Hierzulande gibt es noch immer keine transgender-spezifischen gesetzlichen Regelungen, und schon gar keine kleine Lösung. Lediglich die Verfahren zur Namens- und Personenstandsänderung für bereits operierte Transsexuelle werden per Erlass geregelt.

Für all jene, die sich operieren lassen möchten, gelten seit Juli 1997 die vom Gesundheitsministerium herausgegebenen Empfehlungen für den Behandlungsprozeß von Transsexuellen, welchen zufolge bereits zur Indikationsstellung für die Operation ein gerichtsmedizinisches Gutachten erforderlich ist.

"Kleine Lösung"

Laut österreichischem Namensrecht besteht die Möglichkeit, einen geschlechtsneutralen Vornamen (z.B. Rene, Chris) anzunehmen.

Als Übergangslösung für den Zeitraum des Alltagstestes (also nur unter Vorlage der medizinischen Diagnose Transsexualität) besteht die Möglichkeit, den zweiten Vornamen frei zu wählen bzw. ganz wegzulassen. Es gibt in Österreich laut Auskunft des Innenministeriums etwa 200 neutrale Vornamen.

Zukunftsaussichten: TSG auch in Österreich?

Für postoperative Transsexuelle ist die derzeitige Regelung sicher ausreichend, wenn auch verbesserungswürdig:

Die nochmalige gerichtsmedizinische Untersuchung, bei welcher nachgesehen wird, ob auch tatsächlich operiert wurde (obwohl ja ein Operationsbefund vorliegt), wird von vielen Betroffenen als unangenehme "Fleischbeschau" empfunden, welcher sie über sich ergehen lassen müssen.

Vorteil der derzeitigen Regelung: Die Namens- und Personenstandsänderung wird ohne Gerichtsverfahren und daher für die Betroffenen relativ kostengünstig (im Vergleich zu Deutschland) durchgeführt.

Für die kleine Lösung wäre gar kein eigenens Gesetz notwendig. Eine Ausnahmeregelung im Namensrecht, nach welcher eine volljährige Person (meinetwegen auch nur unter Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens) ihren Vornamen entsprechend ändern kann, würde vollauf genügen.

Geschlechtsdefinition durch die Medizin

Welches Geschlecht ein Mensch nun hat, entscheiden letztlich Ärzte. Ich habe also keine rechtlich abgesicherte Möglichkeit, über meine geschlechtliche Zuordnung selbst zu entscheiden, was ich als Einschränkung meiner persönlichen Freiheit empfinde. Weiters wird in Punkt 1 des Transsexuellen-Erlasses erklärt

... daß die Diskussion der medizinischen Seite des Transsexualismus nicht einmal in diagnostischer Hinsicht zu einer auch nur annähernd einheitlichen Auffassung geführt hat .....

und diese juristischen Feststellung zeigt für mich auf, wie schwer es selbst für Mediziner ist, "Geschlecht" allgemein gültig zu definieren. Nicht nur Transsexuelle sondern speziell auch Intersexen sind von dieser Problematik sehr stark betroffen.

Empfehlungen des Gesundheitsministeriums

Ich finde es sehr positiv, daß es endlich eine schriftlich festgehaltene Regelung gibt (alleine schon der persönlichen Orientierung wegen), eine wirkliche Verbesserung der Situation der Transsexuellen in Österreich bringen die nun folgenden Empfehlungen des Gesundheitsministeriums aber nicht.

Empfehlungen für den Behandlungsprozeß von Transsexuellen
 
Anmerkungen
1.  Abklärung der Art und des Ausmaßes der Störung der geschlechtlichen Identität durch folgenden diagnostischen Prozeß:
  • psychiatrische Diagnosestellung
  • urologisch-gynäkologische Abklärung, die bei Bedarf auch endokrinologische bzw. zytogenetische Untersuchungen einschließt, und
  • Psycho-(psychologische) Diagnostik.
2.  Aufgrund dieser Abklärung Indikationsstellung zur Anwendung geeigneter psychotherapeutischer Methoden.
 
3.  Die Psychotherapie ist kontinuierlich über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr bzw. mit mindestens 50 Stunden durchzuführen. Sie dient nicht nur therapeutischen Zielen, sondern soll auch Teil des fortgesetzten diagnostischen Prozesses sein und die diagnostische Bewertung vertiefen. Nach diesem Behandlungszeitraum hat eine Befundung durch den Therapeuten zu erfolgen.
 
In Österreich zahlen die Krankenkassen nur einen geringen Kostenersatz für psychotherapeutische Behandlungen (etwa 30 % werden rückerstattet). Ich habe mir ausgerechnet, daß bei einer wöchentlichen Sitzungsfrequenz (ca. 50 Stunden im Jahr) der Selbstbehalt über öS 20.000,- / DM 2.800,- pro Jahr liegt.
4.  Anschließend hat eine psychiatrische Kontrolle und eine Indikationsstellung für den weiteren Behandlungsverlauf hinsichtlich psychischer und somatischer Behandlungskomponenten unter Berücksichtigung des unter Punkt 3 erstatteten Befundes zu erfolgen.
 
5.  Bei Indikationsstellung zur Einleitung somatischer Behandlungsschritte hat eine Hormontherapie zu erfolgen, die kontinuierlich ärztlich kontrolliert werden muß. Parallel dazu ist die Behandlung mit psychotherapeutischen Methoden fortzusetzen und ein "Alltagstest" (d.h. Leben bereits unter geänderten geschlechtlichen Bedingungen) durchzuführen. Diese Phase mit den drei parallel verlaufenden Behandlungsteilen hat mindestens ein Jahr lang zu erfolgen.
 
Der Alltagstest bedeutet für die meisten Transsexuellen hierzulande Arbeitslosigkeit, und damit stellt sich gleichzeitig das Problem der weiteren Finanzierung der Psychotherapie.
6.  Am Ende dieser Phase ist eine neuerliche psychiatrische und gynäkologisch-urologische Befundung durchzuführen. Dabei ist zur Indikation für eine operative Veränderung der geschlechtlichen Morphologie Stellung zu beziehen. Aus der psychiatrischen Stellungnahme muß die Kontinuität und Unbeeinflußbarkeit des transsexuellen Wunsches eindeutig hervorgehen.
 
7.  Auf Basis des unter Punkt 6 eingeholten Befundes erfolgt die zusammenfassende Indikationsstellung im Hinblick auf die im Einzelfall durchzuführenden Operationen durch das Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien.
 
8.  Durchführung der Operation und Erstellung eines Operationsbefundes.
 
9.  Bei Bedarf ist auch postoperativ die Behandlung mit psychotherapeutischen Methoden weiterzuführen.
 
10.  Bei Vorliegen von Transsexualität ist für den Zeitraum der Behandlung des Patienten auf Verlangen eine ärztliche Bestätigung mit der maximalen Gültigkeitsdauer von zwei Jahren auszustellen, aus der die diagnostische Zuordnung sowie die Darstellung des Zusammenhanges zwischen der Behandlung und dem äußeren Erscheinungsbild hervorgeht (Muster beiliegend).
 
Seitens des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, die betroffenen Personen, Berufsangehörigen und Behörden über die obgenannten Empfehlungen zu informieren.
 
für die Bundesministerin
LIEBESWAR
 
 
Hier die ärztliche Bestätigung laut Punkt 10 der Empfehlungen:
 
Bestätigung
 
Anmerkung
Name:
Geburtsdatum:
Geburtsort:

Das äußere Erscheinungsbild obgenannter Person kann aufgrund einer Krankheitsdiagnose bzw. einer Krankheit und deren Behandlungen den in Dokumenten angeführten Angaben über Geschlecht bzw. den ersten Vornamen nicht entsprechen.

Die Gültigkeit dieser Bestätigung endet am:

Datum:
Unterschrift:
 
Diese Bestätigung mag möglicherweise im Umgang mit Behörden eine Hilfe sein, gleichzeitig aber outet sich die betreffende Person damit als (geistes-)krank.

Sinnvoller wäre wohl ein Ersatzdokument mit Lichtbild und Angabe des neuen Vornamens.

 © Birgit
-> Birgit´s Leben in Rosarot