Unterwegs zwischen den Geschlechtern

Früher trug diese Seite den Titel "Umwege", da ich mein Leben rückblickend so betrachtete, als ob ich von Anfang an ein in der Zukunft erreichbares "Ziel" gehabt hätte, auf welches ich eben alles andere als geradlinig zuging.

Meine heutige Betrachtungsweise ist eher die, daß die Veränderungen in meiner Lebensweise, die ich vornahm, nicht so sehr auf die Erreichung eines einmal festgelegten Zieles hin ausgerichtet waren, sondern daß ich gezielte Veränderungen vornahm, um mich im "Hier und Jetzt" meiner jeweiligen Lebensphase wohler zu fühlen.

Wie ich mich selbst sehe

Ich fühle mich heute so rund zu einem Drittel männlich und zu zwei Drittel weiblich, und da ich in unserer Gesellschaft, ohne gleich großartig aus der "Rolle" zu fallen, als Frau durchaus mehr "männlich" als als Mann "weiblich" sein kann, empfinde ich mein Leben als Frau für mich recht angenehm.

Ich erlebe diese Mischung männlicher und weiblicher Anteile meiner Person als etwas, das sich im Laufe der Zeit, wenn auch nur geringfügig, ändert. Vielleicht fällt es mir gerade deshalb so schwer, mich selbst als CD, TV oder TS zu sehen. "Die Birgit ist einfach die Birgit" - so hat einmal einer meiner Freude meine Geschlechtsidentität erklärt, und das gefällt mir immer noch am besten.

Birgit vor 25 Jahren

"Mädchen-Junge"

nennt sich das Kind aus dem Film Ma vie en rose selbst - eine Mischung aus beiden Geschlechtern? Ein neues, drittes Geschlecht? Oder ein Junge, der zu einem Mädchen geworden ist?

War ich als Kind ein Mädchen? Nun, für meine Umgebung sicher nicht. Für mich selbst aber schon, doch ich hatte Angst, mich bloßzustellen und verletzt zu werden. Deshalb wollte ich nicht, daß irgend jemand die "Wahrheit", also meine persönliche Einordnung in die geschlechtlichen Schubladen unserer Gesellschaft, entdeckt.

Verweigerung und Heimlichkeit

Von klein auf lehnte ich "typisch Männliches" rigoros ab, akzeptierte nur "neutrale" Kleidung und käpfte auch (meist vergeblich) um meine Haarpracht. Im Laufe der Jahre wurden meine "Verrücktheiten" von meinen Eltern mehr und mehr akzeptiert, wenn auch nicht gerade gutgeheißen.

Andererseits traute ich mich aber nicht, "typisch Weibliches", also all das, von dem ich ahnte, daß es an mir nicht akzeptiert werden würde, zu zeigen. So trug ich eben heimlich Strumpfhosen, manchmal auch in der Schule, und glitt im Laufe der Zeit immer mehr in eine Traumwelt hinein, die nur in meiner Phantasie existierte.

Beruf als Kompensation

Als ich im Alter von 15 Jahren beschloß, Kindergärtner(in) zu lernen, war mir selbst nur ansatzweise klar, daß ich quasi "Frau von Berufe her" werden wollte. Frau wurde ich dadurch natürlich nicht, aber ich glaubte, ein Feld gefunden zu haben, in dem ich meine weibliche Seite ausdrücken konnte.

Nach einigen Berufsjahren hatte ich es allerdings ziemlich satt, als "seltenes Exemplar der Spezies Mann" zu gelten und machte mich auf die Suche nach einer anderen Tätigkeit, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Doppelleben

Ich hatte bereits vor Jahren versucht, ein Doppelleben zu führen (also als Mann zu arbeiten und den Rest meiner Zeit als Frau zu leben), doch ich brachte diese beiden Welten, die ich eigentlich getrennt halten wollte, schon nach kurzer Zeit durcheinander.

So verdrängte ich einige Jahre lang meine weiblichen Persönlichkeitsanteile und versuchte, mich mit einem Leben als Mann abzufinden. Anfangs schien mir das auch zu gelingen, aber ich merkte mit der Zeit, daß ich immer weniger Lebenslust verspürte.

Coming-Out

Der Entschluß, mein Leben als Frau fortzuführen, kam "aus dem Bauch heraus", und ich stellte mich anfangs vom Kopf her sehr dagegen. So kam mein Coming-Out, ohne daß ich es "wollte", und die Lawine von Veränderungen, die ich damit losgetreten hatte, konnte ich durch Verstandesentscheidungen nicht mehr stoppen.

Irgendwie ging alles sehr schnell, fast zu schnell, und durch meinen Wechsel zum Frau-Sein entstand ein krasser Bruch in meinem Leben, welchen ich wohl erst in einigen Jahren wirklich verarbeitet haben werde. Besonders schmerzlich für mich ist der Verlust sooo vieler Kontakte zu anderen Menschen.

Flucht in die "Normalität"

Nach meinem Coming-Out vor rund 2 Jahren hatte ich anfangs zu klischeehaft als Frau gelebt. Ich suchte Sicherheit und Akzeptanz, nachdem sich fast alle meiner früheren Bekannten von mir distanziert hatten. Ich wollte eine unauffällige, "normale" Frau sein und verleugnete dabei meine eigene Vorstellungen von Weiblichkeit.

"Normal" war ich ja schon als Kind nicht, aber ich wollte es sein, wollte so sein "wie alle anderen". Aber kann ich jemand anders werden, als die, die ich nun einmal bin? Ich war nicht glücklich mit meiner Klischee-Rolle, welche ich nach außen hin verkörperte. In gewisser Weise hätte ich ja dann gleich als Mann weiterleben können.

Unterwegs zu mir selbst

Ich lebe lieber als Frau als als Mann, einfach weil ich als Frau mehr Männliches zeigen kann als ich als Mann Weibliches zeigen könnte. Und ich trage nun mal beides in mir ...

 © Birgit
-> Birgit´s Leben in Rosarot