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Vom Macho zur Dame

Die sozialen Folgen einer Geschlechtsumwandlung

NÜRTINGEN. Renée-Maike Pfuderer ist vor mehr als 40 Jahren in Nürtingen geboren worden. Damals hieß sie Reinhard Pfuderer und hatte einen langen Weg vor sich: vom Er zur Sie.

Von Steffen Becker

Nürtingen ist eine nette Stadt, nicht zu groß, mit schmalen Altstadtgassen, Kopfsteinpflaster, pietistischer Prägung und funktionierendem Gemeinwesen. Renée-Maike Pfuderer ist hier geboren und aufgewachsen. Sitzt man ihr am Kaffeetisch gegenüber, deutet nichts darauf hin, dass sie nicht in die Umgebung passen könnte, die gemeinhin gutbürgerlich genannt wird. Die feminin gekleidete Frau sitzt in einem Wohnzimmer mit einem massiven Schrank, ein Landschaftsgemälde hängt an der Wand und viele Familienfotos. Sie selbst kann man auf keinem finden.

"Renée kommt von Renate und bedeutet die Wiedergeborene", erklärt sie ihren Namen. Sie hat ihn selbst ausgesucht und trägt ihn erst seit April 2004 - ihrer Wiedergeburt als Frau. Zuvor hieß sie Reinhard und war ein Macho. Diese Lebensgeschichte macht sie zur Exotin, gerade in einem Ort, wo Nachbarn sich noch kennen und füreinander interessieren. Dabei wollte sie nie etwas Besonderes sein. "Ich wurde wertkonservativ erzogen, christlich angehaucht", erzählt Renée-Maike Pfuderer. Der Lebensweg schien vorgezeichnet: etwas Ordentliches lernen, eine Familie gründen, in Nürtingen ein Leben als respektierter Teil der Gemeinschaft führen.

Eine bürgerliche Existenz wünscht sich Renée-Maike Pfuderer auch heute noch. Doch mit einem neuen Körper, der zu ihrer Identität als Frau passt, scheint das nicht vereinbar zu sein - zumindest nicht in Nürtingen. Ihr Traum, der mit der Totaloperation Anfang dieses Jahres in Erfüllung ging, war für Reinhard, den heimatgebundenen Sohn aus geordnetem Elternhaus, eine schier unerträgliche Bürde. Sie spricht von Reinhard oft in der dritten Person, wenn sie über die Vergangenheit spricht. In der Erinnerung sieht sie nicht ihr wahres Ich, sondern eine Rolle.

Schon der elfjährige Bub Reinhard hatte bemerkt, dass er kein Mann werden will. "In einer Boulevardzeitung stand ein Bericht über eine Geschlechtsumwandlung in Großbritannien. Das hat mich elektrisiert", erzählt Renée-Maike Pfuderer. "Im Grunde war mir damals schon klar, welchen Weg ich gehen musste", sagt sie heute. Doch für Reinhard ist dieser Weg über Jahre hinweg keine Alternative, führt er doch weg von den Werten, Normen und der geordneten Welt, in der er groß geworden ist und in der er sich einen sicheren Platz erkämpfen will - auch gegen den Feind, der in seinem Inneren haust.

Er spielt die Rolle des ganzen Kerls und geht als Zeitsoldat zur Bundeswehr. Das ist kein ungewöhnlicher Weg für Transsexuelle. Solange sie nicht akzeptieren, dass sie im falschen Körper stecken, bekämpfen sie die Frau in sich durch betont männliches Verhalten. Renée-Maike Pfuderer findet in ihrem heutigen Bekanntenkreis aus dem Internet und in der Stuttgarter Selbsthilfegruppe Transident X fast alle militärischen Dienstgrade.

Auch nach dem Abschied von der Bundeswehr und dem Einstieg in den Textileinzelhandel lockert Reinhard das enge Korsett nicht, das ihn in der richtigen Spur halten soll. Freie Zeit gönnt er sich kaum. Er will sein Leben nicht hinterfragen und stürzt sich in die ehrenamtliche Arbeit für das evangelische Jugendwerk und für die Junge Union. Doch immer wieder fällt er aus der Rolle. Als Bereichsleiter ist Reinhard oft auf Dienstreise. In der Anonymität der Fremde kauft er sich Frauenkleider, die er im Hotel anprobiert. Er hat Phasen, in denen er ernsthaft eine Geschlechtsumwandlung erwägt. Doch dann schiebt sich rasch eine Frage in den Vordergrund: "Was riskierst du damit?" Die Angst vor dem Verlust aller sozialen Beziehungen ist zu groß. Noch.

Reinhard hätte seine Wurzeln kappen müssen. "Die Alternative wäre ein Neuanfang in einer anonymen Großstadt gewesen, wo man sich zwangsläufig einer Szene anschließen muss", sagt Renée-Maike Pfuderer. Das ist unmöglich für jemanden, der an der Heimat hängt und ein völlig normales Leben führen möchte. Reinhard zieht das Korsett noch etwas enger. Auf Seminaren lernt er eine Frau kennen. Das Paar zieht zusammen. Reinhard spielt mit den zwei Kindern seiner Partnerin Familie, sogar von Heirat wird gesprochen. Aber es klappt nicht: Reinhard will und will einfach nicht glücklich werden. Am zweiten Advent 1999 ist der Leidensdruck so groß, dass er seiner Zukünftigen die Wahrheit sagt. Am Mittwoch danach ist er wieder zu Hause. Die schwierigste Phase beginnt.

"Ich hatte mich entschieden, endlich auch äußerlich eine Frau zu werden, hatte aber nach wie vor große Angst vor Ablehnung und habe nach einem Weg gesucht, wie es am wenigsten wehtut", erinnert sie sich. Doch es dauert, bis Renée-Maike Pfuderer herausgefunden hat, dass es den einfachen Weg für sie nicht geben kann. Sie geht zunächst wieder Kompromisse ein, "egal, wie faul sie waren". Das vorher kurze Haar wächst und wächst - für die anderen das Ergebnis einer verlorenen Wette. Der Ohrring und das Nasenpiercing - das ist eben gerade in Mode. "In der Zeit hatte ich den Albtraum, dass ich einen Verkehrsunfall habe, und die Rettungskräfte entdecken, dass ich Frauenunterwäsche trage", sagt sie. Doch es bedarf keines Zwischenfalls, der Stein ist ins Rollen geraten.

Aus Reinhard wird Renée-Maike Pfuderer. Sie geht zur Psychotherapie. Die Begleitung durch einen mit Transsexualität erfahrenen Arzt gibt ihr die Kraft, nach und nach reinen Tisch zu machen. Sie fährt nicht mehr extra nach Stuttgart, um die neu erworbenen Damenstiefel anzuziehen. Ihr Therapeut überweist sie an eine Stoffwechselexpertin, eine Reutlinger Endokrinologin. Eine Hormontherapie beginnt. Die Testosteronblocker versetzen Renée-Maike Pfuderer physisch und psychisch für einige Zeit in eine Art Pubertät, die diesmal in die richtige Richtung geht. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt ihr, dass der Wunsch, als Frau leben zu wollen, unumkehrbar und nicht auf eine Psychose zurückzuführen ist - Voraussetzung für die Namensänderung und eine Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkasse.

Vor dem Gesetz ist Renée-Maike Pfuderer nun eine Frau, doch der starke Bartwuchs und der Brummbass machen noch immer deutlich, dass sie als Mann geboren wurde. Die Arbeit muss sie aufgeben. Eine Transsexuelle kann keine Arbeitsschutzkleidung an Spediteure und Bauunternehmer verkaufen. Auch im Alltag lauern Irritationen. Im Supermarkt fragt die Kassiererin, ob sie berechtigt sei, die Scheckkarte von Reinhard Pfuderer zu benutzen. Überall warten Situationen, in der sie die Transsexualität offenbaren muss - mal steckt sie das Alltagsouting gut weg, mal fällt sie in ein tiefes Loch. Am schwierigsten ist die Offenbarung vor der Familie. Die Mutter spricht von "meiner Tochter", wenig später rutscht ihr der Satz heraus: "Der ist gerade unterwegs". Es sei "irrsinnig schwer gewesen" für ihre Mutter, sagt Renée-Maike Pfuderer, "aber inzwischen hat sie es akzeptiert".

Der Freundeskreis ist perplex. "Spinnst du völlig", ist häufig die Reaktion. Transsexuelle, sagen die Freunde, gebe es in Großstädten, in Berlin oder in Frankfurt, aber doch nicht im heimeligen Nürtingen und schon gar nicht am eigenen Stammtisch. "Viele haben ein Zerrbild von der Transsexualität, sie denken an Trash-Talkshows oder ans Rotlichtmilieu", sagt Renée-Maike Pfuderer. "Und dann kommt der Schriftführer des Schwäbischen Albvereins als Frau daher. Das ist ein Schock."

Doch sie gibt nicht auf, macht keine Kompromisse mehr. Ihre Entwicklung zur Frau läuft schneller ab als der Gewöhnungsprozess daran in der Stadt. Den Bart bekämpft sie mit einer Laserepilation, eine Straffung der Stimmbänder bringt mehrere Oktaven. Anfang 2005 folgt die Totaloperation in Weiden in der Oberpfalz, im Juli die Brustoperation in Stuttgart. Eine Geschlechtsumwandlung mit der heutigen medizinischen Technik bringt zwar eine volle Funktionalität, ist aber dennoch nur eine bestmögliche Angleichung.

Renée-Maike Pfuderer ist zufrieden. Zum ersten Mal lebt sie nicht mehr im Zwiespalt. "Ich habe endlich das Gefühl, dass mein Körper stimmt." Das sei es wert gewesen, dass nur wenige Freundschaften gehalten haben und viele auf Abstand gehen. Für Renée-Maike Pfuderer ist inzwischen klar: "Reinhard hatte zu lange Angst vor der eigenen Courage. Er wollte nichts aufgeben. Auch nicht die Dinge, bei denen ich mich heute frage, ob sie das wert waren." Sie erzählt, dass Reinhard 2002 im engeren Wahlkampfteam der örtlichen CDU war. Wenn Renée-Maike Pfuderer heute auf eine Parteiveranstaltung geht, spürt sie den Widerwillen der Parteifreunde, ihr die Hand zu geben. Doch die Reaktionen auf ihre Transsexualität seien letztlich nicht so schlimm, wie sie es sich vorgestellt habe, sagt sie. Dennoch reicht es ihr. "Heute bin ich so weit, dass ich hier nicht mehr wohnen muss."

Informationen zur Selbsthilfegruppe für Transsexuelle aus der Region: http://www.transidentx.de

02.11.2005 - aktualisiert: 02.11.2005, 06:12 Uhr

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