Stolpersteine
Endlich, dachte ich mir, endlich habe ich ein paar Tage Urlaub, um mich und meine Wohnung wieder auf Vorderfrau zu bringen... Na ja, so richtig tüchtig war ich bislang noch nicht. Da ein Handgriff, dort ein Handgriff - und an anderer Stelle wieder Unordnung hinterlassend. Drei Paar Stiefel stehen unachtsam herum, drei Blazer hängen bei der Garderobe, einer am Wohnzimmerstuhl, eine Jacke ruht sich auf der Couch aus und eine andere versucht es ihr auf dem Bett gleich zu tun - und das ist beileibe noch nicht alles. Mitunter reagiert bei mir das Chaos - nicht nur zu Hause, auch in der Firma bin ich eine Meisterin des Auftürmens von Schriftstücken, Arbeitsutensilien und Allerlei.
Noch finde ich mich in der sachbezogenen Unordnung zurecht. (Okay, die eine oder andere unaufgefundene Rechnung ausgenommen.) Wie es mit dem Chaos in meinem Inneren aussieht, vermag ich indessen nicht zu beurteilen. Ich bin schon lange nicht mehr hinunter gestiegen, um mich nach meinem Seelenfrieden zu erkundigen. Aber ich denke, auch meine Persönlichkeit kommt gerade ganz gut mit dem Status quo zurecht. Schließlich sind wir ja ein Team: mein Kopf, mein Körper und mein Gefühl - und wir versuchen gemeinsam an einem Strang zu ziehen bzw. Kompromisse zu schließen, damit kein Teil dieses Triumvirats größere Einbußen hinnehmen muss.
Dieser keineswegs diabolische Dreizack weitet das Blickfeld. Mögliche Entscheidungen, die ich dann ohnehin nicht oder nur halbherzig treffe *g*, werden von verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet und Überlegungen mit unterschiedlichen Wertegewichtungen abgewogen. Wenn mir dann so kleine Maßnahmen, ob ich denn heute zur Kosmetikerin gehen soll, um mir endlich einmal die Brauen in Form zupfen zu lassen, schon ein derartig langes Abwägen abnötigen, dann ist an irgendwelche konkreten, handfesten und zukunftsweisenden Überlegungen überhaupt kein Hindenken.
Doch zurück zur Unordnung: ich denke, auch in mir drinnen sind noch längst nicht alle unnützen Überbleibsel aus der Vergangenheit beseitigt. Mitunter entpuppen sie sich als Stolpersteine, über die ich immer wieder mit anschließendem Gram darüber purzle. Doch anstatt sie einmal endgültig zu entsorgen, trete ich lieber gegen sie und fluche ein wenig herum... Gut, dass mir diese Erkenntnis wenigstens jetzt gekommen ist. Eigentlich könnte ich mich somit gleich an die Arbeit machen, um reale wie auch emotionale Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. |