Ich habe mir in den letzten Monaten viel Freiraum gelassen, um auf die geduldig im Raum wartende Frage, wohin ich als Mensch letztendlich will, eine Antwort zu finden. Dabei entspricht es meiner Natur, dass ich mir die meisten Wege offen halten will, allerdings merke ich schon, dass ich mich auf die leichter zugängliche Türe zu bewege. Nicht nur, weil es für mich der gangbarere Weg ist, sondern auch aus einer gewissen Überzeugung heraus. Natürlich wäre es reizvoll, Frau zu sein... aber ich bin es nicht und (ich persönlich) werde es auch nach entsprechenden Schritten nicht sein können. Darüber hinaus gibt es einfach zu viele Eventualitäten, die ich nicht zufriedenstellend abschätzen kann.
Somit wird der Prozess eingeläutet, mich damit abzufinden, dass ich eben ein Mann bin, der zwar gewisse weibliche Eigenheiten und Wesenszüge hat, aber natürlich auch männliche Charakterzüge mit sich herumschleppt (no na). Und wenn ich dann optischen Veränderungsmöglichkeiten nachtrauere, dann muss ich mir doch so ehrlich antworten, dass diese doch nur einem gewissen Narzissmus entspringen, der sich en femme bedeutend stärker bemerkbar macht als in meiner angeborenen en homme-Erscheinung. Allerdings beginnen sich diese einem individuellen Schönheitsideal nachrauschenden Wogen etwas zu glätten, obwohl das Interesse an der Selbstinszenierung nach wie vor nicht abebbt.
Ähnlich wie die Veränderung und (vage) Zielsetzung im Leben, so hat sich auch meine Intention bei den Bildern geändert. Das Fotografieren ist mir ein überraschend teures Hobby geworden - und das in doppelter Bedeutung, habe ich mich doch zum Kauf einer digitalen Spiegelreflexkamera entschlossen. (Ja, und es wäre geradezu vermessen, diese nicht zu nutzen ;-)) Nun geht die Expedition los. Blenden, Brennweiten, Belichtungszeiten und ISO-Werte da, Tonwertkorrekturen, Filtervariationen, Farbbalancen und Maskierungen dort. Wie man sieht, ein Riesenfeld, auf dem man sich reichlich austoben kann. Und da ich das einzig ständig verfügbare Motiv bin, nehme ich mit mir selbst vorlieb - ach ja, und en homme-Bilder sind bei Weitem nicht so spannend wie diejenigen, die man en femme macht.
Und irgendwie hilft mir das, mich von einer größeren, emotional losgelösteren Distanz wahr zu nehmen. Die Frage, ob dies der richtige Blickwinkel ist, stellt sich im Moment nicht, da es mir dabei gut geht - vor allem auch deshalb, weil ich mich dadurch freier fühle. Ja, und ich gehe mit mir lockerer ins Gericht. Ich ziehe mir gerne Frauenklamotten an, na und. Ich schminke mich mitunter gerne, was soll´s. Der Singlemarkt ist hart umkämpft, pff. Gestern habe ich eine Flasche Prosecco getrunken, selber schuld. Es geht ja schließlich darum, für sich selbst einzustehen, Verantwortung zu übernehmen, sich selbst treu zu bleiben. Dass man dann und wann nicht umhinkommt, Kompromisse zu schließen, ist klar. Ich kann ja auch nicht jeden Tag en femme sein - allein schon wegen meiner Haut, die mir eine tägliche Rasur (teilweise auch gegen die Bartwuchsrichtung) mit unzähligen Hautunreinheiten und eingewachsenen Haaren heimzahlen würde. Ich kann und will aber auch genauso wenig mehr Mann sein, um bloß in dieser einen Hinsicht gewisse gesellschaftliche Normen zu erfüllen. Denn ich fühle mich auch so Manns genug, um gelegentlich Frau zu sein - und das mit Stolz und Würde - und auch Freude. |